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Interview: Teufelsaustreibung im Kino

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Wie war Ihre erste Reaktion auf die Geschichte der Michaela Klingler, was haben Sie gedacht, als Sie das Drehbuch lasen?
Ich hatte großes Mitleid mit der Hauptfigur. Und das große Bedürfnis zu verstehen, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, wie ein junger Mensch im Beisein seiner Familie sterben kann, obwohl alle nur sein bestes wollen.

So geht es dem Zuschauer auch, man fragt sich immer wieder nach den Gründen. Haben Sie welche gefunden?
Nein. Die Frage nach dem warum kann ich nicht beantworten. Wir haben uns während der Arbeit an dem Film der Figur angenähert, aber so etwas wie eine Lösung oder einen Schlüssel habe ich dabei nicht gefunden, Michaela behält ein ganz großes Geheimnis am Schluss, nicht nur für den Zuschauer, sondern auch für mich. Man kann natürlich über Fakten sprechen, über epileptische Anfälle zum Beispiel, die häufig mit Halluzinationsmomenten einhergehen. Michaela macht einen langen und schwierigen Prozess durch, so dass man nicht sagen kann, an welchem Punkt und wie ihr Schicksal noch hätte aufgehalten werden können.

Hatten Sie vor Drehbeginn schon eine fertige Michaela im Kopf?
In diesem Fall hatte ich vor Drehbeginn nicht sehr viel Zeit, ich habe auch noch Theater gespielt, so dass ich die Figur nicht vor Drehbeginn fertig hatte, was eigentlich der Idealfall gewesen wäre. Michaela ist Tag für Tag entstanden, durch ihre Handlungen während des Drehens. Unbewusst war ich der Figur sicher immer näher als bewusst.

Waren Sie während der eineinhalb Monate, die gedreht wurden, mehr Michaela als Sandra?
Ich glaube nicht, dass ich außerhalb der Szenen Michaela war, zumindest nicht bewusst. Es ist interessant, was mit einem passiert, wenn man das Kostüm und die Maske angelegt bekommt, und sich so auch innerlich langsam in die Figur verwandelt. Aber es war mir schon immer wichtig, den Kontakt zu mir selbst zu halten. Ich möchte noch normal umgehen können mit den Leuten, mit denen ich arbeite und auch einfach mal einen Kaffee trinken gehen oder Witze machen. Das war ganz wichtig am Set, dass wir leicht bleiben und auch lachen können. Es gab genug Momente, in denen die Geschichte allen sehr nahe ging, aber wir haben uns da immer gegenseitig wieder raus gezogen, unsere Heiterkeit war eine Art Gegenreaktion zu der Schwere des Films.

Michaela unterwirft sich ja fast erleichtert der Idee, besessen zu sein und der Hoffnung, nach den Exorzismen werde es ihr wieder gut gehen.
Ich weiß nicht, ob man sich, wenn man selbst noch nicht in so einer Situation war, die Erschöpfung vorstellen kann, die sie empfindet. Sie ist einfach an einem Punkt, an dem sie nichts mehr tun kann, weder laufen, noch denken, auch nicht essen. Sie ist völlig gebeutelt von ihrem Kampf mit der Krankheit, dazu der unglaublich starke Wunsch, das Studium gut zu machen, ein guter und noch dazu ein glücklicher und freier Mensch zu sein und trotzdem den Ansprüchen ihrer Mutter zu genügen, dass sie irgendwann wirklich froh ist, dass jemand anderes wieder Verantwortung übernimmt, dass sie ein Stück weit auch wieder Kind sein kann und sich geborgen fühlen. Und alle um sie herum, die Eltern, die Pfarrer, glauben ja auch, dass dieser Exorzismus sie heilen wird.

Michaela kommt aus einem sehr katholischen und engen Elternhaus, ihre Erklärungsmuster für die Welt sind streng an ihren Glauben gebunden. Ist es der Glaube, der sie zerstört?
Der Film macht da keine eindeutige Aussage. Man weiß nicht, ist es der Glaube, oder die schwierige Beziehung zur strengen Mutter, oder war Michaela eben einfach verrückt. Aber die Verbindung ihrer Krankheit mit ihrem Glauben spielt natürlich eine große Rolle. Weil sie so ein gläubiger Mensch ist, ist es für sie nahe liegend, ihre Anfälle mit Gott zu verknüpfen und zu glauben, es hat eine höhere Bedeutung, dass das gerade ihr passiert. Michaela ist da nicht nur Opfer, sie macht auch Schritte auf das Leiden zu, weil das Leiden im christlichen Glauben ja eine große Rolle spielt, es gehört zum Leben dazu und ist vielleicht sogar etwas Schönes, weil man Gott damit ein Geschenk machen kann. Sie sieht sich als Märtyrerin. Besessenheit wird auch in der Psychologie getrennt behandelt von anderen psychotischen Erscheinungsbildern. Besessenheit ist eine Krankheit, unter der selbstverständlich nur streng gläubige Menschen leiden können.

Sind sie selbst gläubig?
Nein. Ich bin auch nicht religiös erzogen worden. Mich hat der Glaube und die Annahme, dass es da eine Kraft gibt, die mich lenkt, eine Zeitlang sehr fasziniert. Aber das war nur eine kurze spirituelle Phase, in meinem Leben spielt der Glaube an etwas Höheres keine Rolle.

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