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Interview: Das extremste Deutschsein ist Afro-Deutsch-Sein

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Hältst du den „Black History Monat“ in Deutschland für eine sinnvolle Veranstaltung? Veranstaltungen wie diese sind sehr, sehr wichtig für beide Zielgruppen: sowohl für die Menschen, die die Mehrheit der Gesellschaft darstellen als auch für die Diaspora-Community, also Menschen afrikanischer Herkunft, die außerhalb des Kontinents in einer eurozentrischen Umgebung leben. Es geht um Austausch, darum, Stereotypen und Vorurteile abzubauen. Das Selbstbewusstsein und die Würdigung von Errungenschaften sind ein wichtiger Bestandteil des BHM. Was würdest du gerne in das öffentliche Bewusstsein rücken? Es geht mir um das Bild des schwarzen Mannes, der schwarzen Frau und um den afrikanischen Kontinent im Ganzen. Afrika besteht nicht nur aus Hilfs- und Spendenempfängern, wir haben es immerhin mit 53 Ländern zu tun und darunter gibt es viele Erfolgsmodelle. Erfolgsmodelle und Erfinder sollen mehr Aufmerksamkeit bekommen: eine so alltägliche Sache wie die Ampelanlage wurde zum Beispiel von einem Schwarzen erfunden, die Glühbirne hat Edison patentiert, aber die Nachbesserungen wurden ebenfalls von Afroamerikanern entwickelt. Es geht uns darum, Sachverhalte klarzustellen: Es gibt viele Menschen afrikanischer Herkunft, die einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Zum Beispiel Kofi Annan oder der allgegenwärtige Nelson Mandela. Aber es geht auch darum, Mythen wegzufegen. Wie kann das gehen? Indem man Situationen schafft, in denen Leute weitergebildet werden, entdeckt man Gemeinsamkeiten und die Wichtigkeit, dass ein Kulturerbe als solches angesehen wird. Für uns Afro-Deutsche geht es bei solchen Veranstaltungen um Networking. Viele Afro-Deutsche haben keinen direkten Zugang zu Afrika, die sollen aber auch teilhaben können am Gefühl der Community. Das Gefühl, ein Sonderling zu sein, erfährt man täglich in Deutschland und da tun solche Treffen gut, wenn man dieses Gefühl eben plötzlich nicht mehr hat. Da bilden sich Freundschaften und Interessensgemeinschaften. Gibt es so etwas wie eine gemeinsame Identität der Schwarzen in Deutschland? Ich glaube, die afro-deutsche Community ist keine homogene Gruppe. Das muss sie auch gar nicht sein, wir brauchen nur gemeinsame Nenner und gemeinsame Formulierungen. Uns ist gemeinsam, dass wir eine Minderheit bilden und von offizieller Seite keinen Schutz bekommen. Wir müssen das dementsprechend formulieren und der deutschen Gesellschaft klar machen, dass dieses Land in Europa sehr divers ist. Deutschland ist eben nicht nur blauäugig und weiß, sondern hat mehr anzubieten. Das extremste Deutschsein ist Afro-Deutsch-Sein. Ich denke auch, das verbindende Element der afro-deutschen Community ist viel mehr das Deutschsein als das afrikanische. Immerhin kennen die meisten Deutschland viel besser als Afrika. Und trotzdem lässt uns die Gesellschaft keine Ruhe. Du bezeichnest dich selbst als „Afro-Europäer“. Was heißt das? Ich bin einfach einen Schritt weitergegangen. Ich nenne mich einen europäischen Afrikaner, weil ich mich im europäischen Kontext sehe. Und ich will damit eine Vision vorantreiben. Die Klassifizierung von Menschen ist eine sehr europäische Sache und mit dieser Begrifflichkeit, die ich selbst ausgewählt habe, will ich die Begegnung Afrika-Europa forcieren, die ja schon sehr, sehr lange andauert, allerdings bisher nur von einer Seite dominiert, der europäischen. Du bist sehr engagiert, wie ist es dazu gekommen? Ich bin ein radikaler Humanist, ein „radical human“. Ich trete für alles ein, was das Menschenleben noch lebenswerter wird. Ich habe „Brothers Keepers“ gegründet, weil ich die Bedingungen, die ich vorgefunden habe, nicht akzeptieren wollte. Ich bin Deutsch-Nigerianer und in Nigeria aufgewachsen. Dort habe ich nie eine Marginalisierung erfahren. Erst als ich nach Deutschland gekommen bin, musste ich mich plötzlich ständig rechtfertigen. Nach dem Motto: „Woher kommst du und wann gehst du wieder dorthin zurück?“ Ich konnte es nicht akzeptieren, dass Menschen, die hier geboren sind, sich ständig rechtfertigen müssen. Ich war also nicht zufrieden mit diesen Erlebnissen und dann kam der traurige Anlass hinzu: Dass Amadeu ermordet wurde. Ich wollte, dass wir unsere Stimme als Deutsche erheben, als Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mit dem Projekt „Brothers Keepers“ gehst du auch in Schulen und leistest Aufklärungsarbeit. Hast du den Eindruck, die Dinge verändern sich? Es verändert sich was. Jemand wie Xavier Naidoo ist der erfolgreichste deutscher Act. Gerald Asamoah spielt in der deutschen Nationalmannschaft. Das ist toll. Die Leute klassifizieren nicht mehr nur aufgrund der Hautfarbe. Ich habe nur ein Problem damit, dass man nicht einen Schritt weiter denkt. Assamoa wird zum Beispiel nicht geschützt. Es gibt Homepages, auf denen er bedroht wird, es gibt Fans, die ihn beschimpfen. Aber ich kann mich über ein Problem nicht nur beschweren, das reicht nicht. Ich muss auch etwas tun, Austausch betreiben. Wenn ich dann merke: das funktioniert nicht, dann kann ich mir ein Urteil bilden. Vorher ist es nur ein Vorurteil. “Brothers Keepers“ hat mir viel Mut gemacht. Wenn ich in die Schulen gehe, merke ich: da kommt etwas an, die denken über bestimmte Sachen nach. Und auch das Interesse, die Unterstützung bei „Brothers Keepers“ hat deutlich gemacht: dieses Land will sich mit dem Problem auseinandersetzen und ist empfangsbereit – im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich und England. Da wurde das Problem jahrzehnte unter den Teppich gekehrt und dann brennen die Autos in Paris. Bild1: Winta Yohannes Bild2: AP

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