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„In Deutschland bleiben die Arme verschränkt.“

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Deutschland ist ein beliebter Ausbildungsort für ausländische Studierende. Doch nach einigen Wochen in der neuen Heimat folgt oftmals die Ernüchterung. Integrationsprobleme, finanzielle Schwierigkeiten und das neue Studiensystem führen dazu, dass nicht wenige von ihnen Deutschland ohne Abschluss verlassen. Laut einer Studie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes brechen 39 Prozent der ausländischen Studenten an Fachhochschulen ihr Studium wieder ab. Bernhard Esser von der Katholischen Hochschulgemeinde in Köln kennt die Probleme ausländischer Studenten. Ein Gespräch.
  
jetzt.de: Herr Esser, mit welchen Problemen werden ausländische Studierende in Deutschland konfrontiert?
Esser: Studenten aus den sogenannten Entwicklungsländern, die ihr ganzes Studium in Deutschland verbringen, sind - im Gegensatz zu Erasmus-Studenten - einer Menge Schwierigkeiten ausgesetzt. Zwar haben einige Studierende bereits in ihrer Heimat einen Bachelor-Abschluss gemacht, aber hier stoßen sie plötzlich auf ganz andere Lehr- und Prüfungssysteme und Studieninhalte. Hinzu kommen Sprachschwierigkeiten und die Begegnung mit einer fremden Kultur und natürlich die finanziellen Probleme, die einen Großteil der Bildungsausländer betreffen.  

Wieso fällt es den ausländischen Studierenden so schwer sich in Deutschland einzuleben?
Die Studierenden haben Jahre lang mit bestimmten Werten und Vorstellungen gelebt, die bei ihrer Ankunft in Deutschland völlig über Bord geworfen werden. Da tauchen dann Fragen auf wie „Darf ich eigentlich dem Professor in die Augen sehen?“ Von zu Hause aus sind sie es meist gewöhnt, dass ein Professor eine Autoritätsperson ist, die man nicht direkt anschauen darf. Nur wenn er eine Frage stellt, darf der Blick kurz erhoben werden, danach sollte man aber sofort wieder nach unten schauen. In unserem Kulturkreis wird ein solches Verhalten eher negativ eingeschätzt. Es gilt als unsicher, man geht davon aus, dass die Person vielleicht sogar etwas zu verheimlichen hat. Diesem Studenten muss man das erst einmal erklären. Das muss man wirklich mit ihm trainieren.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wer könnte ihnen dabei helfen? Sollen sich deutsche Studierende ehrenamtlich um die internationalen Studenten kümmern oder müssen vermehrt interkulturelle Kompetenztrainings durchgeführt werden?
Beides! Dabei ist es aber wichtig, dass die Personen gezielt ausgewählt werden. Bei den deutschen Studierenden sollte es sich um Leute handeln, die selber Auslandserfahrung gemacht haben und dadurch offener sind für die Probleme der internationalen Studenten. Für noch wichtiger halte ich allerdings Beratungsstellen. Da ist es aber von Vorteil, wenn die Personen, die dort arbeiten, im Hochschulbereich verankert sind oder wie die Kolleginnen und Kollegen in den christlichen Hochschulgemeinden schwerpunktmäßig mit Studierenden arbeiten. In dieser kultursensitiven Beratung erhalten sie vielfältige Hilfen, auch finanzieller Art.  

Können auch die Heimatländer eine gewisse Vorarbeit leisten?
Die Arbeit muss größtenteils in Deutschland geleistet werden. Natürlich kann man sich gewisse Informationen anlesen. Aber diese bleiben immer reine Theorie. Die Umsetzung ist dadurch noch nicht getan. Man stelle sich nur beispielsweise vor, welche Kaufkraft in den Heimatländern 250 Euro ausmachen, während man damit in den deutschen Hochschulorten nur ein Zimmer mieten kann. Das ist ein schockierende Feststellung für die Studierenden. Darum plädiere ich für praktische Übungen vor Beginn des Studiums in Form von interkulturellen Workshops, in denen man viel über die deutsche Kultur lernt und diese Unterschiede thematisiert werden.  

Sind die deutschen Studenten zu wenig offen gegenüber den ausländischen Kommilitonen?
Internationale Studierende sind es häufig aus ihrer Heimat gewöhnt, dass Fremde mit offenen Armen empfangen werden. Sie sehen einen neuen Studenten, gehen hin und fragen, ob sie helfen können, bieten beispielsweise an, die Stadt zu zeigen. Umgekehrt erwarten sie das natürlich auch. Und da ist die Enttäuschung groß: In Deutschland bleiben die Arme verschränkt. Hier geht seltener jemand auf sie zu. Das ist natürlich schlicht ein Kulturunterschied. Man geht davon aus, dass jemand, der etwas will, schon nachfragt. Und das ist das Dilemma: Diese Unterschiede müssten einem ausländischen Studierenden von Beginn an verständlich gemacht werden. Sie müssen lernen, dass es nichts mit ihnen persönlich zu tun hat, sondern kulturell bedingt ist.  

Gibt es auch bewusste Zurückweisungen?
Definitiv. Studenten erzählen mir, dass sie bei einer Nachfrage von den deutschen Kommilitonen ablehnend behandelt wurden. Nur wenige trauen sich danach noch einmal jemanden anzusprechen. Darüber hinaus kommt es auch manchmal zur bewussten Ausnutzung. Es kommt vor, dass der ausländische Student zwar gerne als Hilfe bei der Lerngruppe gesehen ist, weil man gemerkt hat, dass er ein gewisses Talent oder Wissen hat, am nächsten Tag in der Mensa wird er aber ignoriert. Und auch Dozenten verhalten sich nicht immer angemessen. Eine Schwarzafrikanerin erzählte mir einmal, dass ein Professor sie fragte, zu welchem Zweck sie überhaupt studiere, schließlich gebe es in ihrer Heimat ohnehin nicht unsere medizinischen Geräte.  

Ist es schwierig für die Studierenden in die Beratungsstellen zu kommen? Kommen sie oft erst, wenn sich schon viele Probleme angehäuft haben?
Ja, so ist es. Auch das hat wieder kulturelle Hintergründe. Wir sind es gewohnt die Hilfe von Beratungsstellen anzunehmen. In den Heimatländern vieler Studierender ist es aber so, dass Beratungsstellen entweder unbekannt sind oder ein schlechtes Image haben. Da heißt es dann, wer zur psychosozialen Beratung geht, ist verrückt. Das schreckt natürlich ab.  

Viele ausländische Studenten kommen auch wegen ihrer Geldprobleme zu Ihnen ...
Die finanzielle Frage schwebt immer wie ein Damoklesschwert über den Studenten. Sie stehen unter einem wahnsinnigen Druck. Sie haben sehr oft von ihren Familien das Geld bekommen, um in Deutschland studieren zu können. Das sind in der Regel 6000 bis 7000 Euro. Häufig wurde dafür auch ein Darlehen aufgenommen. Die Familie erwartet darum natürlich auch gewisse Erfolge an der Hochschule- und sie erwartet, dass der Sohn oder die Tochter das Geld zurückzahlt. Das können sie aber während des Studiums nicht, weil sie Probleme haben, überhaupt über die Runden zu kommen. Dieses finanzielle Problem erschwert auch den Kontakt zu den deutschen Kommilitonen. Wenn man jeden Euro umdrehen muss, bleibt nicht viel Geld für Freizeitaktivitäten übrig. Darum lehnen die ausländischen Studenten häufig Einladungen ab und denken sich Ausreden aus, um nicht sagen zu müssen, dass sie kein Geld für ein Bier haben. Nach zwei oder drei Absagen fragen die Deutschen dann verständlicherweise auch nicht mehr.  

Ein Problem, von dem man auch immer wieder hört, sind Schwierigkeiten mit den Behörden.
Die Studierenden werden bei der Ausländerbehörde oft mit Beamten konfrontiert, die sich mit dem Hochschulsystem zu wenig auskennen. Sie handeln dann nur nach Vorschrift, was man ihnen auch nicht vorwerfen kann. Ein Beispiel: Die Studienordnung besagt, dass man für ein Bachelor Studium sechs Semester benötigt. Dass das oft schwierig ist, wissen die meisten - aber viele Beamte leider nicht. Sie sehen nur, dass die Studierenden die Vorgaben nicht erfüllen und verlängern dementsprechend nicht das Visum und fordern Bescheinigungen der Hochschulen an. Ich plädiere dafür, dass für den Umgang mit den Bildungsausländern Mitarbeiter eingesetzt werden, die selber an interkulturellen Trainings teilgenommen haben, Englisch sprechen und mit dem Hochschulsystem vertraut sind. Das würde einige Probleme lösen. 



Text: marie-charlotte-maas - Foto: Galle77/photocase.de

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