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Im Todestrakt von Texas
Unter anderem berichteten sie von ihrer Begegnung mit Brian D. Price, einem ehemaligen Gefängniskoch, der für über 100 zum Tode Verurteilten das letzte Mahl zubereitet hat, und von ihrem Besuch beim Radiosender KDOL, der für die Insassen des Todestrakts sendet. Wir haben Sebastian gefragt, was es mit dem Film dahinter eigentlich auf sich hat. Wie kam es dazu, dass ihr für einen Film über die Todesstrafe nach Amerika gefahren seid? Das Label hier auf jetzt.de war eigentlich nur für Freunde und Bekannte gedacht, damit sie verfolgen können, was wir so machen. Deswegen haben wir gar nicht weiter erklärt, worum es eigentlich geht. Jochen, ein Freund von mir hatte seine Diplomarbeit in Sozialpädagogik vor sich und wollte dafür unbedingt einen Film drehen. Wir beide haben öfters kleinere und größere Filme zusammen gemacht und ich hab sofort gesagt, dass ich dabei bin. Die Idee hatte ich schon länger im Kopf: ein Film über die Todesstrafe. Wie bist du gerade auf dieses Thema gekommen? Ich bin durch einen Spielfilm dazu gekommen: Dead Man Walking. Seitdem habe ich mich mit dem Thema beschäftigt. Sister Helen, die im Film von Susan Sarandon gespielt wird, wollten wir auch interviewen. In den USA hat es nicht geklappt, jetzt treffen wir sie in Dresden. Ich hatte früher aber keine richtige Position zur Todesstrafe. Nach unserer Reise bin ich aber der Meinung, dass niemand das Recht hat über Leben und Tod zu entscheiden. Trotzdem muss man beide Seiten der Medaille sehen, das macht auch einen professionellen Film aus. Es ist zu einfach zu sagen „Die Todesstrafe ist Scheiße“ und dann so richtig vom Leder zu ziehen. Man darf die Meinung dem Zuschauer nicht vorservieren. Natürlich haben wir auch mit vielen Leuten gesprochen, die gegen die Todesstrafe sind - selbst eine Mutter, deren Tochter fünfmal vergewaltigt und dann erschossen wurde.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Sebastian Mez und Jochen Cholien in Texas Wie sah eure Reise aus? Zuerst haben wir Kontakt zu Alive e.V. aus Bocholt aufgenommen, einem Verein gegen die Todesstrafe. Die kannten die nötigen Menschen in den USA, Befürworter und Gegner. Wir haben uns entschieden, in Texas zu drehen, dort werden immer noch die meisten Menschen hingerichtet. In Kalifornien gibt es vielleicht drei oder vier Exekutionen im Jahr, in Texas drei oder vier im Monat. Wir sind dann mit dem Auto durch den Staat gefahren. Es sollte eine Filmreise werden, auf der man mit vielen Menschen in Verbindung kommt, die ihre eigene Geschichte zu erzählen haben. In Houston sind wir länger geblieben, weil wir von dort aus die Kleinstädte Huntsville und Livingston besucht haben: In Huntsville ist die Walls Unit, wo die Hinrichtungen stattfinden, und in Livingston der Todestrakt, die sogenannte Death Row, dort warten die Gefangenen auf die Vollstreckung des Todesurteils. Die Strecke von Livingston nach Huntsville ist ganz wunderbar, was sehr selten ist in Texas, sonst gibt es nur dicke Highways und Fressbuden. Aber dieses Stück ist voller Natur, man fährt an einem großen See vorbei und eben diese Straße fahren auch die Gefangenen zur Hinrichtung. Die Transporter sind so gebaut, dass sie nach draußen schauen können und das alles sehen. Deswegen haben wir das alles auch sehr aufwändig gefilmt, es soll ein Mittelpunkt für unseren Film sein. Mit wem habt ihr gesprochen? Mit Anwälten, mit Familien von Tätern und Opfern, in Austin haben wir versucht Politiker aufzutreiben, allerdings konnten wir mit keinem sprechen. Manchmal sind wir einfach über die Straße gelaufen und haben Leute angequatscht. Einmal einen total besoffenen Harley-Fahrer, so richtig mit Amerikafahne auf dem Kopf und er hat gejohlt: „Ich liebe die Todesstrafe! Ich bin froh, dass wir die haben und ich würde gerne selber den Knopf drücken.“ Da grinst man dann hinter der Kamera, obwohl es schlimm ist, was er sagt. Aber man ist froh, es vor der Kamera zu haben. Ihr habt auch mit einen zum Tode Verurteilten getroffen. Alive e.V. hat uns jemanden vermittelt, den wir besuchen konnten. Billie Coble, er hat den neuen Mann seiner Ex-Frau und seinen Sohn erschossen und wartet seit 15 Jahren auf seine Hinrichtung. Er hatte bereits einen Termin, aber der wurde verschoben. Wir saßen also vor so einer Scheibe und wussten nicht, wer jetzt reinkommt und waren dann positiv überrascht, als wir einem sympathischen älteren Mann gegenübersaßen, der zwei Stunden aus seinem Leben erzählt hat und dass er damit abgeschlossen hat und sich auf seinen letzten Gang vorbereitet. Im Hinterkopf hat man trotzdem immer, dass da ein Mörder vor einem sitzt. Es war eine seltsame Atmosphäre. In dem Zimmer vor der Scheibe ist es tierisch laut, über den Telefonhörer spricht man mit dem Gefangenen und die Qualität der Verbindung ist so schlecht, dass du denkst, du telefonierst nach Singapur. Welche Begegnung ist euch besonders in Erinnerung geblieben? Am Abend vor der Hinrichtung eines Häftlings, Tommie Hughes, waren wir zu Gast bei einem kleinen Radiosender, dort gab es eine Show für Hughes. Todestraktinsassen dürfen ein kleines Radio in ihrer Zelle haben und hören den Sender. Die ganze schwarze Großfamilie war dort, 30 Leute vielleicht, vom kleinen Kind bis zur Großmutter, die kaum stehen konnte. Sie haben gesungen und gebetet, Fröhlichkeit und Weinen, In-sich-kehren, alles war vermischt. Durch die Radiosendung haben wir ein wenig Kontakt zur Familie bekommen und sie haben uns mit ins Leichenschauhaus genommen, wo Hughes aufgebart war. Das erste mal seit acht Jahren konnte die Familie ihn wieder berühren. Dort lag er dann, am Abend vorher habe ich ihn noch im Todestrakt hinter der Glasscheibe gesehen, wie er einen Schokoriegel gegessen hatte und eigentlich glücklich aussah.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Radiosendung bei KDOL für Tommie Hughes Wo kann man den Film sehen? Ich habe mich für das Projekt verschuldet, Jochen auch, aber wir glauben an den Film. Wenn er fertig ist, würden wir uns freuen, wenn man ihn auf Festivals sehen kann. Das Optimum wäre: Den an einen Sender zu kriegen, WDR, Arte. Da gäbe es schon ein paar Formate, in die das reinpassen würde. Jetzt gilt es, aus 55 Stunden Rohmaterial einen guten Film zu schneiden. Sobald ein Trailer da ist, gibt's den Link dazu dann sicher auch bei jetzt.de.