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"Ich will rausfinden, was die Songs von mir wollen"

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"canisle" heißt eigentlich Oliver Hasse, ist 25 Jahre alt und nimmt seine Songs in einem Wohnzimmer in Mülheim an der Ruhr auf. jetzt.de hat ihn angerufen.

jetzt.de: Oliver, dein erklärtes Ziel ist es, täglich einen neuen Song aufzunehmen. Wozu die Eile?
Oliver: Ich hab irgendwann mal gelesen, dass das so eine amerikanische Songschreibertradition ist: Du nimmst dein Material, mietest dich in ein Hotel ein und weißt am Ende, wie du dein Album fertig machst. Bei mir muss am Ende kein Album da sein. Ich will nur jeden Tag dran arbeiten. Ich will auf diese Weise ein Archiv zusammenbekommen, damit ein paar Songs rausfallen. Ich versuche, rauszufinden, was die Songs von mir wollen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Oliver spielt gegen die Zeit: ein Tag ist ein Song.

Hast du es bislang geschafft, jeden Tag einen Song aufzunehmen?
Nicht ganz. Ich nehme seit dem 12. Januar auf. Bis jetzt habe ich 14 Songs in 23 Tagen geschafft. Geschrieben wurden die übrigens alle im Zeitraum der letzten vier bis fünf Jahre.

Hast du Resonanz aus dem jetzt-Kosmos bekommen?
Ja, einzelne haben mir geschrieben. Unter den Wochenzusammenfassungen auf meiner jetzt-page steht nicht so viel – die Artikel rauschen aber auch durch bei euch! Aber die Nachrichten, die ich bekommen hab, waren bislang ganz gut. Eine hat mich gefragt, wo sie's kaufen kann. Ich arbeite dran. Ich hab das Geld zusammen und werd einige Songs später in einen digitalen Vertrieb bringen.

Im April 2009 hat Mike Skinner, bekannt als The Streets, über drei Tage dasselbe gemacht und Links zu den Songs bei Twitter online gestellt. War das eine Inspiration für deine Idee?
Ich wusste gar nicht, dass er das gemacht hat. Ich glaube, das machen relativ viele. Auch viele nicht so bekannte Künstler. Dylan hat auch jeden Tag einen Song geschrieben in der Anfangszeit. Gut, der hatte auch ein anderes Forum. Der war in New York.

Ist das Internet nicht ein vergleichbares Forum?
Nein, auf keinen Fall. Ich spiele viel auf der Straße. Als Musiker musst du im Internet auf mindestens fünf verschiedenen Seiten vertreten sein. Auf der Straße kannst du dich einfach hinstellen, eine halbe Stunde spielen und kriegst viel mehr Resonanz.

http://www.youtube.com/watch?v=9ziXy7r51fM

Was sind neben Bob Dylan deine Einflüsse?
Hm, ich weiß nicht so recht. Damien Rice. Thom Yorke, bei dem sind die Songstrukturen spannend. José González hat einen tollen Klang. Beim ersten Mal denkst du: Hat er das in seiner Küche aufgenommen? Du guckst nach und siehst: Ja, er hat das in seiner Küche aufgenommen.

Die Beatles haben 129 Tage für die Aufnahmen von "Sgt. Pepper" gebraucht. Das macht knapp zehn Tage pro Song. Unter den "500 Greatest Albums of all Time" vom Rolling Stone ist die Platte auf Platz 1. Will gut Ding nicht Weile haben?
Ja, auf jeden Fall. Aber die Beatles waren zu dem Zeitpunkt schon etabliert: "Wir gehen in das Studio und ich will den Musiker haben und ich will, dass das Instrument in Afrika gefertigt wird." Es gibt auch Leute, die brauchen fünf Jahre für eine Platte. Und es gibt Leute, die sagen: "Ich bin auf Tour, danach gehe ich ins Studio für drei Tage und dann ist das drin." Bei mir geht es nicht darum, dass es fertige Sachen sind. Ich setz mich vors Mikro und mache einen One Shot (eine ungeschnittene Live-Aufnahme, Anm. d. Red.). Dann noch vier, fünf Spuren. Am Ende frag ich mich dann: Was lasse ich drin, was nehme ich raus?

Ist das die Zukunft des Musikmachens: ein Mann, eine Gitarre? Schnell, authentisch und noch am Tag der Aufnahme im Ohr der Fans?
Da fragst du was. Also den einen Mann mit der Gitarre gibt's ja schon seit den Zwanzigern, Dreißigern – zu Zeiten, als alles in Amerika drunter und drüber ging. Seitdem gibt's den einsamen Streiter mit der Gitarre. Das ist natürlich romantisch und so ... aber eigentlich müsstest du fragen: Ist das die Zukunft der Musikindustrie?

Ist das die Zukunft der Musikindustrie?
Da muss man sich fragen: Was will die Musikindustrie? Die will Geld machen. In den Siebzigern und Achtzigern haben die jedem, der ein Instrument halten konnte, einen Deal gegeben. Heute geht das nicht mehr so einfach. Aber willst du heute überhaupt noch einen Deal, wenn du das zu Hause aufnehmen kannst? Wozu soll man noch ins Studio gehen? Ok, die Werbung musst du bezahlen, dafür brauchst du vielleicht ein Plattenlabel. Aber sonst?

Wie lange willst du das noch durchziehen?
Pro Tag einen Song, das ist ganz gut – das setzt mich unter Druck. Ich kriege das Material dadurch abgearbeitet. In dem Ordner, den ich abarbeite, sind noch 70 Songs. So zwei, drei Monate wird’s noch dauern, bis ich die durchhabe. Im Grunde könnte man den Entstehungsprozess des Albums mitverfolgen von außen, weil ich das dann immer hoch lade.

Du planst also, ein Album aus den Songs zu machen?
Man könnte zwölf Songs, die zusammenpassen, aus der Menge auswählen und zu einem Album zusammenstellen. Ich habe bis jetzt zwei Home Recording-Platten aufgenommen. Da hab ich sehr viel nachgedacht und schlechtes Equipment genutzt. Ich versuch, davon wegzukommen. Die Songs sollen mir diesmal sagen: ,Wir sind das Album.'


Text: jurek-skrobala - Foto: Stephanie Preuß

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