- • Startseite
- • Interview
-
•
"Ich war stolz, als ich Charlotte Knobloch im Fernsehen gesehen habe"
Logo der ZJD Hast du gefeiert gestern, als du gehört hast, dass Charlotte Knobloch zur neuen Zentralrats-Präsidentin gewählt worden ist? Ich war übers Wochenende auf einem Wanderlager mit Kindern, das wir von der Zionistischen Jugend aus Berlin, Frankfurt und München organisiert haben, und war davon noch so erschöpft, dass ich das erst mal gar nicht mitbekommen habe. Auf solchen Lagern schläft man als Jugendleiter nicht gerade viel, weil man sich um alles kümmern muss. Aber als ich es dann erfahren habe, habe ich mich schon sehr für sie gefreut. Ich kenne sie ja auch persönlich. Wie ist denn dein Verhältnis zu ihr? Ich kenne sie einfach schon seit ich klein bin, als Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde hier. Aber ich kenne sie auch kaum anders. Meine Eltern kennen sie besser und auch meine Großeltern. Mein Großvater hat in München die Gemeinde mitaufgebaut und auch den Sportverein Maccabi München gegründet.. Manchmal kommt sie auch bei uns in der Zionistischen Jugend vorbei. Die Jugendarbeit liegt ihr sehr am Herzen und gerade auch die Integration von osteuropäischen jungen Juden. Bei uns sind nur sehr wenige russische Jugendliche. Aber wir veranstalten regelmäßig Jugendpartys und Feste und organisieren die gemeinsam mit einem anderen Jugendzentrum, in dem vor allem Jugendliche aus Osteuropa und Russland sind. Das ist manchmal schwierig, aber wir sind uns der Aufgabe bewusst und versuchen – wie der Zentralrat – die Integration zu fördern. Schließlich haben wir den gleichen religiösen Background, da ist es blöd sich zu separieren. Bist du religiös? Ich bin eher traditionell erzogen. Mir sind die hohen Feiertage wichtig, an denen ich in die Synagoge gehe und versuche, sie einzuhalten. Also an Passah Madsen essen und sich an den Auszug aus Ägypten erinnern oder Kerzen an Chanukka anzünden. Aber ich bin nicht orthodox und höre schon auch mal am Sabbat Musik. Die ZJD ist auch keine religiöse Organisation. Wir pflegen zwar das Judentum, aber die Organisation ruht noch auf zwei anderen Säulen: auf Sozialismus und Zionismus. Wenn wir auf Jugendcamps fahren, dann beten wir aber auch zusammen und bauen eine Synagoge auf. Wir wollen das Judentum schon bewusst praktizieren, sind aber nicht religiös. Ich bin auch nicht koscher. Hast du Probleme mit deiner Identität hier in Deutschland? Ich definiere mich als deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Ich habe auch in Israel auf der Maccabia, das ist die drittgrößte Sportveranstaltung der Welt und findet alle vier Jahre in Israel statt, für den jüdischen Sportverbund Maccabi Deutschland Fußball gespielt. Wir sind da auch mit der deutschen Flagge aufgelaufen und hatten damit keine Probleme. Ich erzähle in Israel auch stolz, dass wir hier die besten Autos haben oder ein super Fußball-Team. Trotzdem ist es so, dass ich mich in Israel wohler fühle. Da herrscht ein anderes Zusammengehörigkeitsgefühl, man ist nicht mehr Minderheit, sondern die Masse. Es ist sehr schwierig zu beschreiben. Ich gehe jetzt auch fürs Studium eine Zeit nach Israel, weiß aber auch, dass ich München vermissen werde. Wann hast du zum ersten Mal einen Präsident des Zentralrats bewusst wahrgenommen? Mein erster Eindruck vom Zentralrat waren gepanzerte Autos und Bodyguards. Ansonsten ist der Zentralrat nicht besonders präsent in meinem Leben. Ich kenne seine Funktionen, aber darüber hinaus hat er keine Bedeutung für mich. Paul Spiegel war kein besonderes Vorbild für mich oder hat mich beeinflusst. Ich bin ja aber auch erst 20 geworden, vielleicht war ich einfach zu jung. Vielleicht beeinflusst mich ja Frau Knobloch jetzt. Aber ich konnte dem, was Spiegel zum Beispiel in Bezug auf Antisemitismus oder auf die Äußerungen von Irans Präsident Ahmadinedschad gesagt hat, immer zustimmen. Mehr noch, ich habe mich vertreten gefühlt. Ein Aufgabe des Zentralrats ist, den Dialog zwischen Juden und Nichtjuden und die Integration osteuropäischer Juden zu fördern. Bist du damit zufrieden, wie das geschieht? Das was ich sehe, finde ich gut. Das läuft ja nicht so: heute großes Event auf dem Marienplatz – der Dialog zwischen Juden und Nichtjuden. Das geht step by step. In den Gemeinden, die das ja dann ausführen, passiert schon viel. Ich kenne viele Nichtjuden, die in die Gemeinde kommen. Es gibt hier auch einen jüdischen Kindergarten, da sind auch nichtjüdische Kinder drin. Und bei unseren Camps kommen áuch Schulfreunde mit. Und erst vor Kurzem haben wir einen Ausflug zum Dom nach Freising gemacht, gemeinsam mit einer Gruppe Christen und Muslime. Auch was die Integration osteuropäischer Juden angeht, passiert einiges. Das größte Problem sind die Sprachbarrieren, deshalb bietet die Gemeinde Sprachkurse. Ändert sich für dich was an der Bedeutung des Zentralrats, jetzt wo Frau Knobloch Präsidentin ist? Immerhin die erste Frau. Golda Meir war eine der ersten weiblichen Staatspräsidentinnen überhaupt. Und soweit ich weiß, steht die Frau im Judentum über dem Mann. Also Gleichberechtigung ist total normal bei uns. Außerdem ist es ja auch kein religiöses Amt. Ich finde das super, dass es jetzt mal eine Frau ist. Außerdem bin ich schon stolz gewesen, als ich sie in der ARD gesehen habe: Frau Knobloch, die man so lange kennt und aus München stammt, ist jetzt mitten im politischen Geschehen. Das ist irgendwie witzig und aufregend. Hast du Wünsche, wo Frau Knobloch einen Schwerpunkt in ihrer Arbeit legen soll? Ich wünsche mir, dass die jüdischen Gemeinden weiter wachsen, florieren, dass sie mehr werden und selbstverständlich sind und dass man zur Normalität findet. Frau Knobloch hat gestern gesagt und dem kann ich voll zustimmen: „Man muss die Person nicht zuerst als Juden, sondern als Menschen identifizieren.“ Mehr zum Thema: Die 23-jährige Schauspielerin Lia erzählt: Was bedeutet der Zentralrat der Juden für junge Deutsche jüdischen Glaubens?