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"Ich war immer ziemlich zäh" - Duffy ist die neue Amy
Du sollst bereits mit zehn Jahren Deine ersten Songs geschrieben haben…
Duffy: Wobei ich damals natürlich nicht die Absicht hatte, eine Platte zu machen. Das war nur ein Traum. Ein unerreichbarer Traum, nach dessen Erfüllung ich mich trotzdem unendlich sehnte. Dann wurde ich von Rough Trade entdeckt und ich dachte mir nur: „Oh Mann, das ist deine Chance!“ Das passierte zur glücklichsten Zeit meines Lebens.
Gab’s auch schon unglückliche Phasen?
Zwischen 15 und 18 – das waren sehr entscheidende Jahre für mich – hab ich verschiedene Phasen durchgemacht. Und ich erlebte auch üble musikalische Tiefpunkte. Danach, mit 18, 19 Jahren, war ich auf dem College in Chester und sang ein paar Demos in Cardiff ein für Songwriter, die eine Sängerin brauchten. Bei diesen Demos ging's immer um den Song, nie um mich. Das war ein sehr gutes Training. Und es füllte mich auch aus. Ich wusste endlich, dass mir dieses Talent – ganz gleich, ob ich entdeckt werde oder nicht – niemand mehr nehmen kann. Ich sang also diese Songs und war völlig zufrieden. Irgendwann bekam ich einen Anruf von Jeanette Lee, die mir verschiedene Sachen vorschlug. Und ich konnte ihr einfach nicht sagen, dass ich drei wirklich harte Jahre hinter mir hatte. Ich habe mich für meine Vergangenheit geschämt.
Warum das denn?
Aufgrund diverser Geschichten. Ich war jung und dumm, naiv und ignorant. All das. An Jeanette Lee von Rough Trade war lange Zeit überhaupt nicht zu denken. Sie weiß auch erst seit einem Jahr, was damals bei mir los war. Und wir können heute auch darüber lachen.
Könntest Du bitte endlich mal verraten, was damals los war?
Natürlich. Vieles von dem, was ich damals getan habe, wird irgendwann sowieso wieder aufgekocht werden. Aber ich war wirklich ziemlich verzweifelt damals. Ich war 15 Jahre alt und die Macher einer walisischen TV-Show kamen in meine Schule. Und ich war noch so jung und dumm und sagte für diese Show zu. Weil ich dachte, dass es bescheuert wäre, so eine Möglichkeit nicht wahrzunehmen. Ich bin dann also hin – und stellte fest, dass das so eine merkwürdige Talentshow war.
Verstehe.
Bis zu dem Tag, als ich da hinkam, hatte ich davon keine Ahnung. Mein Vater konnte mich nicht fahren, weil's zu weit von zu Hause weg war. Also bin ich mit Bussen gefahren. Als ich ankam, war ich schockiert: überall Kameras, überall Werbebanner, überall völlig hysterische Kids. Ich bin rausgegangen und hab mich gefragt, was ich hier verloren habe. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder kneifen. Oder durch. Plötzlich ging die Tür auf und ich ging wieder rein. Dann sang ich. Und kam in jeder Runde weiter.
Wie ungünstig…
Es war beängstigend. Das Ganze dauerte sechs Monate. Und danach hab ich mir die Frage gestellt, was ich wirklich will. Kurz darauf traf ich Jeanette. Ich war da zunächst wohl ziemlich reserviert. Irgendwann habe ich dann aber Vertrauen zu ihr gefasst. Deshalb kann ich jetzt auch derart überzeugt zu dem stehen, was ich tue. Weil's nicht um mich geht. Sondern um jemanden, der an mich glaubte und mir half, eine Platte zu machen.
Ein bisschen geht’s wohl trotzdem um Dich. In "Distant Dreamer" singst du zum Beispiel über all die "Dinge, die ich in meinem Leben gerne tun würde."
Ich denke ständig über Dinge nach, die ich gerne tun würde. Darum geht's doch. Immer nach vorne schauen. Ich sitze jetzt hier mit Dir zusammen und erzähle Dir aus irgendwelchen eigenartigen Gründen mehr über diese Casting-Geschichte, als ich je meiner Schwester und meinen besten Freunden erzählt habe. Weil ich mich nicht mit der Vergangenheit beschäftigen will. Ich sehe jetzt nur noch nach vorne und fühle mich wohl dabei. Ich musste alles loswerden, was mir an mir nicht passte. Jetzt habe ich das Gefühl, zu wissen, wer ich bin. Das war vor dieser Talentshow nicht der Fall. Damals wusste ich nicht, wer ich war. Als ich mit der Arbeit an diesem Album begonnen habe, bin ich nach London gezogen. Ganz alleine. Ich hatte keine Freunde dort. Hab nicht ferngesehen, nicht Radio gehört, sondern mich voll und ganz auf die Platte konzentriert. Viel nachgedacht. Viel mit Jeanette gesprochen. Und ich habe mir auch viele Sorgen gemacht. Aber so arbeite ich nun mal. Ich muss über etwas nachdenken, davon besessen sein, um darüber hinwegzukommen.
Ist das auf Dauer nicht sehr anstrengend?
Ich war immer ziemlich zäh. Wobei meine musikalische Person nicht viel mit meiner privaten zu tun hat.
Deine musikalische Person bekommt ständig Vergleiche zu hören. Unter anderem ist da die Rede von Dusty Springfield und Aretha Franklin. Welcher Vergleich trifft's Deiner Meinung nach?
Keiner. Und kein Vergleich wird auch je zutreffen. Es sei denn ich bin 55 und jemand kommt zu mir und sagt, ich klänge wie Scott Walker. Das fände ich dann schon interessant. Aber eine Stimme ist eben etwas sehr Persönliches, sehr Intimes. Es ist, als würde jemand zu einer nackten Frau sagen: „Du hast exakt den selben Körper wie meine Ex!“ Was soll das? Okay, wir haben beide Titten und alles andere, was zu einem Körper gehört. Aber es kann doch nicht exakt derselbe Körper sein.
Vergleiche sind also respektlos.
Nein, das hab ich nicht gemeint. Es ist eher so, dass ich es nicht verdiene, auch nur in die Nähe der Künstlerinnen gerückt zu werden, mit denen ich da verglichen werde. Die haben alle schon so viel erreicht – allerdings über Dekaden hinweg. Das sind wundervolle Künstler. Aber unsere Situationen sind überhaupt nicht miteinander vergleichbar. Sie haben auch ganz andere Sachen durchgestanden. Und ich wollte diese Vergleiche auch nie beschwören.
„Rockferry“ ist bei Universal erschienen und bereits im Handel.
Text: uli-karg - Bilder: 2007 Max Dodson