Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

„Ich mag selbst die Arschlöcher“

Teile diesen Beitrag mit Anderen:



jetzt.de: In deinen Filmen geht es häufig um Ängste – in „Young Adult“ zum Beispiel um die Angst vorm Alleinsein. Du selbst hast mal erwähnt, dass du vor nichts mehr Angst hast, als vor humorlosen Menschen. Warum?
Jason Reitman: Humorlose Menschen ruinieren das Leben. Ich meine: Das Leben ist von Natur aus lustig. Aber wenn wir nicht mehr darüber lachen können, tun wir grausame Dinge.

Ist das auch der Grund dafür, warum du Regisseur geworden bist – um die Leuten auf die schönen Dinge des Lebens aufmerksam zu machen?
Nein, das hat einen sehr viel egoistischeren Grund. Ich bin Filmemacher geworden, um mich mit mir selbst auseinanderzusetzen und mich mit meinen Ängsten zu konfrontieren. Ich möchte Alltagssituationen porträtieren. Aber ich glaube fest daran, dass das Leben lustig ist und dass jede Tragödie komödiantische Aspekte besitzt.

Wie wichtig ist es für deinen Sinn von Humor, die Leute mit unangenehmen Situationen zu konfrontieren?
Ich glaube, es sind vor allem die unangenehmen Situationen, die Menschen wachsen lassen und sie zum Nachdenken bringen. Deshalb haben derlei Situationen häufig eine pädagogische Komponente.

Gab es einen speziellen Grund dafür, den Film in Minnesota spielen zu lassen? Eigentlich nicht. Vor allem die Kälte dort war nervig und hat mir echt zu schaffen gemacht hat. Aber Minnesota ist cool, hat schöne Landschaften, nette Leute, und in Minneapolis gibt es mehr Stripclubs als in jeder anderen Stadt in den USA.

Echt? Wieso?
Ich weiß nicht. Wahrscheinlich, weil es dort so kalt ist...  

...dass sich alle sofort die Klamotten vom Leib reißen?
(lacht) Nein. Aber die Kälte dort ist deprimierend, sodass die Leute vielleicht Ablenkung in Stripclubs suchen. Man kann bei der Kälte ja auch nicht nach draußen, also muss man sich Aktivitäten für drinnen suchen. Strippen zum Beispiel.

Die Hauptrolle in deinem neuen Film spielt Charlize Theron. Stimmt es, dass du sie in einem Restaurant getroffen und ihr dort die Rolle angeboten hast?
Ja, das stimmt. Sie hat mir bei den Oscars 2008 mal auf die Schulter getippt und gesagt, dass sie gerne mal einen Film mit mir machen würde. Als ich sie dann im Restaurant sitzen sah, habe ihr auf die Schulter getippt und gesagt, ich hätte jetzt einen Film für sie.  
Das war alles?
Sie hat sich dann natürlich erst einmal das Drehbuch durchgelesen, hatte noch ein paar Fragen und meinte dann wortwörtlich: Alright, let’s jumpf off that cliff together!

http://www.youtube.com/watch?v=1-9PAvv3LCY

Die Figur, die sie spielt, ist nicht sonderlich sympathisch. Als wie schwierig empfindest du es als Filmemacher unter diesen Voraussetzungen, Identifikationsmöglichkeiten mit dem Publikum zu schaffen?
Für mich geht es nicht darum, ob Charaktere sympathisch oder unsympathisch sind. Mir geht es darum, ob sie ehrlich sind. Ob man sie für echte Menschen hält. Manche Leute sehen sich gerne Filme an, bei denen die Menschen auf der Leinwand keinerlei Bezug zur Realität haben wie in „Brautalarm“. Ein toller Film, aber die Figuren haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Mir ist der Realitätsbezug aber weitaus wichtiger. Und ich mag alle Figuren in meinen Filmen – selbst die Arschlöcher.

In deinem Film geht es auch darum, nicht erwachsen werden zu wollen. Ist das ein typisches Problem unserer Zeit?
Auf jeden Fall. Die Leute wollen nicht mehr älter werden und sind dem Jugendwahn verfallen. Sie ziehen sich an wie Kinder und verhalten sich auch so. Sie wollen keinerlei Verantwortung tragen, sind besessen von Ruhm und schauen bloß noch Reality-TV. Unsere Generation hat irgendwann die Erlaubnis erhalten, nicht mehr erwachsen werden zu müssen. Aber wenn ich so darüber rede, klinge ich immerhin selbst wie ein alter Mann.  

In „Young Adult“ geht es auch um die Unfähigkeit, seine eigene Schulzeit hinter sich zu lassen. Hängst du den alten Zeiten auch noch so nach wie die Hauptfigur im Film?
Nein, gar nicht. Ich war froh, als die Schulzeit vorbei war, denn ich war ein unbeliebter Film-Nerd und hatte in der Schule nicht viel zu lachen. Ich war wirklich wahnsinnig langweilig und war nicht auf sonderlich vielen Partys, sondern habe stattdessen haufenweise Filme geguckt und weder geraucht noch getrunken – mit dem Trinken habe ich erst vor ein paar Jahren angefangen und festgestellt, dass ich das schon viel früher hätte tun sollen.

Wirst du denn zu Jubiläen eingeladen?
Ja, ich war beim 5- und 10-jährigen. Das war auch ganz okay, aber das 20-jährige soll eigentlich erst dasjenige sein, bei dem sich die Leute dermaßen verändert haben, dass man es kaum glauben kann.

Wie gehen deine Schulkameraden denn damit um, dass du es vom ehemaligen Film-Nerd bis zu den Oscars geschafft hast?
Viele meiner Mitschüler sind heute selbst erfolgreiche Ärzte, Anwälte oder Geschäftsmänner, insofern gibt es da keinerlei Neid – zumindest bekomme ich ihn nicht mit. Mein Vater war ja ebenfalls Regisseur, und als Kind bin ich häufig damit aufgezogen worden. Abgehalten hat mich das aber offensichtlich nicht.

In deinen Filmen hat Musik immer einer wichtige Rolle gespielt. Im Soundtrack von „Young Adult“ kommt beispielsweise Teenage Fanclub vor. In den Staaten waren die aber nie besonders groß, oder?
Doch, sie hatten einen kurzen Moment, als sie vom Spin Magazine zur größten Rock’n’Roll-Band der Welt erklärt wurden. Das war allerdings eine Woche bevor Nirvanas „Nevermind“-Album veröffentlicht wurde – und deren Welle des Erfolges sind sie untergegangen.

Text: daniel-schieferdecker - Foto: dpa

  • teilen
  • schließen