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"Ich hoffe, es bringt was"
Als betreibt Max Jäger aus Neuss seit 2010 einen Youtubekanal. Sein aktuelles Musikvideo "Mit offenen Armen" ging vergangenen Samstag online. Max sieht sich selbst hauptsächlich als Musiker, der seine Sachen auch auf Youtube veröffentlicht. Er produziert seine Alben und Videos selbst.
https://www.youtube.com/watch?v=huYBZcR1EE0
Würdest du sagen, dass du ein politischer Musiker bist?
Ich würde eher sagen, dass meine Lieder meistens gesellschaftliche Themen behandeln. Wirklich politisch ist das nicht, ich appelliere eher an die Menschlichkeit in jedem. Mir ist es wichtig, nicht immer ein schwarzes Bild von der Welt zu zeichnen sondern über das zu reden, was um mich herum passiert. Und das sind jetzt gerade die Flüchtlinge.
Wie kam es zu "Mit offenen Armen"?
Ich habe den Song ein bisschen auf das Video hin geschrieben. Meistens war es bisher so, dass mich etwas Aktuelles so sehr beschäftigt, dass ich direkt dazu etwas loswerden möchte. Das Thema "Flüchtlinge" hat sich allerdings eher über längere Zeit aufgebauscht, denn ich habe mir lange Gedanken gemacht, wie ich es mit Würde behandeln kann. Neuss war zwar schon immer sehr bunt, bereits Ende letzten Jahres fiel mir aber auf, dass da immer mehr Leute mit einem anderen Hintergrund dazukamen. Und dann ging die Berichterstattung über Flüchtlinge los, mittlerweile sind die Nachrichten voll damit. Dann sind diese Sachen in Freital und Heidenau passiert und das hat mich sauer gemacht. Ich habe verstanden, dass viele Menschen ganz anders mit Flüchtlingen umgehen, als ich mir das wünschen würde. Das war die Initialzündung zu sagen: Diese Menschen muss man auch erreichen.
Dein Video spielt mit dem Gedanken, was wohl passieren würde, wenn Deutsche auf einmal flüchten müssten. Schlecht behandelt werden, weil sie Christen sind und weiß. Funktioniert die Idee?
Ja, die Reaktionen sind bisher super. Am Samstag war ich in Neuss auf dem sogenannten „Bürgerschützenfest“, das ist, vorsichtig formuliert, eine eher traditionelle und heimatverbunde Veranstaltung. Da kam jemand auf mich zu und sagte „Ey Max, ich hab dein Video gesehen und ganz ehrlich: Die letzten Monate habe ich so einen Hals gehabt, dass die alle hierherkommen. Und jetzt denke ich da auf einmal ganz anders drüber nach!“ Ich habe ihm das geglaubt. Der war kein Typ, der mich volllabert, damit ich ihn mag. Der meinte das so. Ehrlich gesagt hatte ich mit so positiven Reaktionen nicht unbedingt gerechnet. Das Internet ist ja manchmal gnadenlos. Ich hatte auch Sorge, dass manche die Symbolik falsch verstehen.
Unter anderem werden in dem Video ja eine Deutschlandfahne und ein Kreuz abgebrannt…
Genau, das habe ich aber gemacht, um zu symbolisieren, wie es sich anfühlt, wenn einem das Heiligste genommen wird. Da haben dann viele, typisch Internet, mit Halbwissen drunterkommentiert: „Das mit dem Flagge verbrennen ist aber gegen § 90a StGB, darauf steht Gefängnis“. Da muss ich zum Glück gar nicht drauf antworten, weil direkt andere Leute reagieren und erklären, dass das ja in einem künstlerischen Kontext stattfindet, als Metapher auf den Angriff auf Deutschland. Daneben brennen ja auch ein Wackeldackel und eine Haribo-Schale. Ich rufe nicht dazu auf, gegen Deutschland vorzugehen, sondern will die dargestellte Situation spiegeln. Das gilt auch für das Kreuz: Was wäre, wenn nicht Muslime sondern Christen auf einmal abgelehnt würden?
Aber ist es nicht auch traurig, wenn Menschen nur anfangen über Flüchtlinge nachzudenken, wenn ihnen klar wird, dass es sie selbst auch mal treffen könnte?
Ne, das finde ich nicht. Der Mensch ist einfach so, das muss man akzeptieren. Ich glaube auch, dass viele Menschen schon sehr empathisch sind, die Situation mit den Flüchtlingen aber bisher zu weit weg für sie war. Sie beschäftigen sich dann mit Kosmetik, Mode, Fußball – Flüchtlinge haben mit ihrem Leben nichts zu tun. Und es ist doch gut, wenn die jetzt umdenken.
In einer anderen Szene stehst du in Köln auf der Domplatte mit verbundenen Augen und lässt dich von jedem, der möchte, umarmen. Wie hat sich das angefühlt?
Unglaublich schön. Ich habe mich da hingestellt und nach 45 Sekunden kamen die ersten Leute um mich zu umarmen. Afghanen, interessanterweise. Bereits nach zehn Minuten hat sich ein Halbkreis aus Leuten um uns herum gebildet und die haben jedes Mal, wenn jemand mich umarmt hat, geklatscht. Als ich dann nach einer halben Stunde Dreh die Augenbinde abgenommen habe, standen da 70 oder 80 Leute.
Es wird oft behauptet, Youtube sei ein unpolitisches Medium, auf dem die Menschen am liebsten Tiervideos und Schminktipps anschauen. Wie siehst du das?
Man kann ja an meinem Beispiel sehen, dass das Medium sehr wohl auch für politische Inhalte funktioniert. Das Video hat mittlerweile mehr als 10.000 Daumen hoch.
"Gutmenschentum" wird auch gerne Leuten vorgeworfen, die sich politisch auf Youtube äußern. Was erwiderst du auf diesen Vorwurf?
Nicht alle können verstehen, warum ich sowas mache, das muss ich akzeptieren. Aber ich kann von mir sagen: Seit ich mir diese Zeilen vom Herzen geschrieben habe, kann ich besser schlafen. Weil ich weiß, dass ich meine Kanäle, meine Reichtweite, meinen Mund benutzt habe, um zu diesem Thema Stellung zu beziehen. Man kann diesen Song auch nicht kaufen oder T-Shirts dazu bestellen. Darum geht es mir nicht. Wenn ich andere damit inspiriere, reicht mir das schon. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben und möchte sie auch nicht aufgeben, dass so etwas was bringt.
Text: charlotte-haunhorst - Bild: Screenshot Maximnoise