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"Ich halte das für wahnwitzig"

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An den Wochenenden kommt der Verkehr zum Erliegen, in der Innenstadt wird es laut.  Tausende junge Erwachsene aus Deutschland und Belgien kommen dann für einen Joint in die Coffeeshops von Maastricht, Nijmegen oder Eindhoven. Weil das regelmäßig zum Verkehrskollaps, zu Gewalt und Pöbeleien führt, soll Ausländern der Drogenkauf verboten werden. Nach einem langen Streit auf mehreren Ebenen hat der Europäische Gerichtshof vor Weihnachten eine erste Empfehlung ausgesprochen. Ein Verbot verstößt demnach nicht, wie von den Coffeeshop-Betreibern beklagt, gegen die Handelsfreiheit in der EU und diskriminiert Ausländer nicht. Der Streit wurde bereits in mehreren gerichtlichen Instanzen geführt. Das höchste Gericht der Niederlande hatte die Frage schließlich an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gereicht. Nach der Empfehlung liegt die endgültige Entscheidung nun wieder bei einem Gericht in den Niederlanden.

In Amsterdam, der Touristen-Hochburg und Kiffer-Hauptstadt mit der größten Dichte an Coffeeshops, steht Michael Veling schon seit mehreren Jahrzehnten hinter dem Tresen seines Coffeeshops. jetzt.de hat mit ihm über die Zukunft seines Gewerbes gesprochen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Im Coffeeshop

jetzt.de: Wie lange wird es Coffeeshops noch geben? ist das nun der Anfang vom Ende?
Michael Veling: Ich bin mir nicht sicher. Schon vor dreißig Jahren haben wir vom Ende der Coffeeshops geredet. Allerdings: Noch nie waren die Auflagen so streng wie heute, und wenn jetzt die Ausländer als Kunden wegfallen würden, wäre das für die meisten Coffeeshops wohl tatsächlich das Ende.

Wie groß wäre der Verlust ohne Ausländer?
Für die Wirtschaft wäre es eine Pleite, denn zunächst würde es natürlich einen finanziellen Einbruch geben. In meinem Coffeeshop im Zentrum von Amsterdam sind achtzig Prozent der Kunden Ausländer. Zwar ist es nur ein Viertel der Touristen, die tatsächlich in einen Coffeeshop gehen - aber Amsterdam und die Niederlande würden mit einem Verbot auch ihren Ruf zerstören. Coffeeshops gehören nun einmal zum Bild von Holland dazu.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Vorm Coffeeshop

Wäre ein Verbot in der Praxis überhaupt umzusetzen?
Ich halte es für unrealistisch, für utopisch. Wie sollen wir das handhaben? Es wird zurzeit viel über die Ausgabe von einem Gras-Pass gesprochen - dass also nur noch Holländer, die dieses Kärtchen haben, Cannabis-Produkte kaufen dürfen. Aber man darf doch nicht glauben, dass damit die Probleme gelöst wären. Die Probleme verschieben sich, neue entstehen.

Welche Probleme könnten denn entstehen?
Die ganze rechtliche Situation könnte sich verändern. Auch heute schon bewegen sich Betreiber und Kunden in einer Grauzone, der Konsum von weichen Drogen ist eigentlich ein Vergehen. Wenn jetzt der Staat einen Pass ausgibt, der es den Bürgern erlaubt, dieses Vergehen offiziell zu begehen, könnte genau das Gegenteil dessen eintreten, was die Regierung eigentlich will. Jeder Richter würde urteilen: Wenn der Staat es seinen Bürgern erlaubt, ist es kein Vergehen mehr. Damit wären die "Softdrugs" praktisch für legal erklärt.

Wie geht es jetzt weiter?
Seit der Empfehlung des EU-Gerichts Ende vergangener Woche hat sich die Politik noch nicht geäußert. Es ist auch fraglich, ob nicht die Bevölkerung in den Niederlanden eine ganz andere Meinung als die Regierung hat und gar kein Verbot für Ausländer will. Davon abgesehen halte ich das ganze für ein bisschen wahnwitzig. Nur weil ein paar Japaner im Hofbräuhaus lärmen, wird ja auch nicht gleich allen Touristen das Bier-Kaufen verboten.

Text: benjamin-duerr - Fotos: dpa

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