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„Ich habe nichts gegen den Sonntagsbraten"
jetzt.de: Warum sollte man deiner Meinung nach weniger Fleisch essen oder ganz darauf verzichten?
Katharina Rimpler: Es gibt mehrere Gründe: Fleisch- und Fischkonsum kann man nie ethisch einwandfrei gestalten. Fleischkonsum trägt zum Klimawandel bei, es wird viel Wasser verschwendet und jeder weiß von der Massentierhaltung, die eine Tierquälerei ist.
Wenn die meisten Menschen die Konsequenzen kennen, warum essen sie trotzdem Fleisch?
Aus Gewohnheit und Bequemlichkeit. Viele Leute sagen, dass sie nicht wissen, was sie dann kochen sollen, denn sie sind es ja gewöhnt, häufig Gerichte mit Fleisch zu machen. Diese Unwissenheit, so befürchten sie, führt dann zu einem größeren Aufwand beim Einkauf. Darum gibt es auf der Homepage die Möglichkeit vegetarische Rezepte auszutauschen. Das kommt sehr gut an. Außerdem gibt es heute in fast allen Mensen und Kantinen vegetarische Gerichte.
Isst du selber noch Fleisch?
Seit Beginn der Initiative esse ich kein Fleisch mehr. Davor vielleicht einmal im Monat. Fisch habe ich auch gerne gegessen, aber das mache ich nun nicht mehr.
Findest du dass manchmal schwierig?
Es ist eine Gewohnheitssache. Mir fehlt nichts. Seit Beginn der Kampagne lebe ich als Halbzeitveganerin. Ich dachte, es würde mir schwer fallen, auf Joghurt und Quark zu verzichten. Aber es ist gar nicht schlimm.
Wie gehst du mit Menschen um, die Fleisch essen?
Ich bin keine dogmatische Vegetarierin. Ich kann durchaus mit Leuten essen gehen, die sich ein Stück Fleisch bestellen und mich auch mit ihnen freuen, dass sie es sich an dem Tag gönnen. Das sind aber Menschen, die Fleisch bewusst und nicht wahllos in großen Mengen konsumieren. Ich habe nichts gegen das Konzept des Sonntagsbratens. Und ich würde mich nie an eine Bratwurstbude stellen und den Leuten dort sagen: ´Esst kein Fleisch!´ Mich nervt, wenn Vegetarier oder Veganer die Moralkeule herausholen. Auf der Homepage von „Halbzeitvegetarier" heißt es: ´Man kann Gutes bewirken, ohne sich vollständig zum Verzicht zu zwingen´ Halbzeitvegetarier soll eine Anleitung sein, ich will anderen Leuten nicht vorschreiben, was sie zu tun haben. Ich weiß, dass es nicht einfach ist alte Gewohnheiten zu durchbrechen – das gilt für alle Bereiche, nicht nur für den Konsum von Fleisch. Die meisten Leute wissen sowieso, dass sie weniger Fleisch essen sollten. Für mich ist es schon ein Erfolg, wenn sie ihre Denkweise ändern. Und vielleicht wird aus diesen Halbzeitvegetariern später ein ganzer. Das Schöne ist, dass bei Halbzeitvegetarier jeder den Umstellungsprozess im eigenen Tempo angehen kann. So ist es nachhaltiger, denn die Leute wollen es wirklich, es gibt am Ende keinen Jojo-Effekt.
Gibt es auch Kritik an der Idee?
Ich habe viel Kritik von Veganern bekommen. Sie sagen „Ganz oder gar nicht", meine Initiative geht ihnen nicht weit genug. Ich erinnere mich daran, dass ich einen Sonntagvormittag zum Brunch mit Freunden aus dem Haus gegangen bin. Als ich am Nachmittag zurückkam, hatte ich sechzig Hassmails im Posteingang. Das hat mich schon getroffen. Es ist schwierig, so etwas nicht persönlich zu nehmen.
Du bekommst viele Rückmeldungen. Warum probieren die Menschen deine Idee aus?
Das hängt ein bisschen vom Alter ab. Ältere Menschen machen es oft, weil sie auch an ihren Körper denken. Jüngere Halbzeitvegetarier sehen oft nicht den Gesundheitsaspekt, sondern den Punkt des Umweltschutzes. Tierschützer werden meiner Erfahrung nach meistens sofort Vegetarier.
Und wer macht alles mit?
Gemeldet haben sich bisher rund 500 Leute, häufig zwischen 15 und 30 Jahren. In der Facebook-Gruppe sind über 1000 Leute. Die Mischung ist bunt: Teenager, die das Projekt mit der besten Freundin machen, Wohngemeinschaften, Paare und auch Familien. Halbzeitvegetarier leben sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Die meisten sind Frauen.
Hast du einen Wunsch wie sich deine Idee in Zukunft entwickeln soll?
Ich fände es toll, wenn es einen Schneeballeffekt gäbe, denn man kann die Idee auch auf andere Bereiche übertragen. Mode, Reisen, Verkehr – weniger fliegen, das Auto mal stehen lassen und die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, weniger Kleidungsstücke bei großen Ketten einkaufen. Es geht einfach darum, Dinge bewusster zu machen und damit Gutes zu tun.
Text: marie-charlotte-maas - Bild: privat