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"Ich habe keine Berührungsängste"

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jetzt.de: Guten Tag Herr Kaiser, ich wollte mit Ihnen über deutsche Popmusik sprechen. Verfolgen Sie die?  
Roland Kaiser: Naja, wenn ich aktuell bleiben will, muss ich mich ja um aktuelle Klänge kümmern. Man kann ja nicht stehenbleiben und immer im Gestern leben.  

Über welches Medium hören Sie denn neue Musik?  
Ich fahre sehr viel Auto, dabei höre ich die aktuellen Sender. In Münster, wo ich wohne, ist das vor allem EinsLive. Die Jugendsender präsentieren ja löblicherweise nicht nur englischsprachige Musik, sondern auch aktuelle deutsche Popmusik.  

Dann sagt Ihnen der Name Casper etwas. Wir haben vor ein paar Tagen in einem Rätsel seine Texte mit Ihren verglichen. Was halten Sie denn von seiner Musik?  
Sehen Sie: Jede Zeit hat ihre Helden. Der Mann macht aktuelle Popmusik, die erfolgreich ist und den jungen Leuten gefällt. Ich habe da keine Berührungsängste, es ist doch völlig in Ordnung, wenn wir Textpassagen über die Liebe haben, die nicht weit auseinandergehen. Fast alle großen Dichter und Denker haben sich mit dem Thema befasst, wie es zwischen Mann und Frau funktionieren kann. Das hat Herrn Goethe fasziniert, Herrn Schiller, Herrn Shakespeare. Selbst die intelligentesten Menschen der Welt stecken irgendwann mal in dem Dilemma, dass sie Gefühle entwickeln, die sie nie haben wollten. Dass ihnen Dinge passieren, von denen sie nie glaubten, dass sie passieren. Der Mensch ist eben ein fühlendes Wesen und das ist auch gut so.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"So weit auseinander sind wir ja nicht": Roland Kaiser. Kommendes Jahr ist er 40 Jahre im Geschäft.

Casper war leider nicht so erfreut über den Vergleich. Sein Management hat sich bei uns beschwert, er fühle sich "diffamiert". 
Das finde ich ein bisschen übertrieben, das ist ja fast schon ein Zeichen von Intoleranz. Er ist ein erfolgreicher Mensch, da kann man doch souverän mit solchen Dingen umgehen. Zumal, und da haben Sie ja auch recht mit Ihrer Gegenüberstellung: So weit auseinander sind wir ja nicht. Wir machen beide im besten Sinne des Wortes Unterhaltungsmusik.  

Seit zwei, drei Jahren gibt es immer mehr junge Künstler, die Deutsch singen: Kraftklub, Cro, Frida Gold, Tim Bendzko...  
Ich war vor zwei Jahren mit meiner Tochter im Fernsehgarten, da trat Tim Bendzko auf. Da sag ich zu ihr: „Das wird ’ne Nummer eins.“ Fragt sie mich: „Woher weißt’n das?“ Sag ich: „Einser kann man hören.“ Eine Nummer drei zu hören ist schwer, genau wie eine Nummer fünf oder acht – aber eine Eins kann man hören.

Woran?  
Das kann ich gar nicht erklären, aber es ging mir auch mit Lou Bega so, das ging mir mit vielen Nummern so. Übrigens gab es eine Entwicklung in Richtung eigene Sprache ja auch in den 80ern: mit Nena, Markus und der ganzen Neuen Deutschen Welle. Die haben auch die deutsche Musikszene aufgemischt, und mit Recht! Das hat Spaß gemacht und ich finde, dass das auch jetzt Spaß macht.  

Sie singen seit fast 40 Jahren auf Deutsch, allen Flauten zum Trotz. Fühlen Sie sich im Nachhinein bestätigt?  
Nein, überhaupt nicht. Meine Bestätigung finde ich, wenn ich Bühnen betrete. Allein in Dresden haben wir diesen Sommer drei Open Airs vor insgesamt 34.000 Leuten gespielt – überwiegend jüngere übrigens, ich bin meist der Älteste auf dem Platz.  

Kommendes Jahr erscheint Ihr nächstes Album – wer hat Sie dabei beeinflusst?  
Es gibt ein paar Songs von Ich + Ich, die mir ganz gut gefallen vom Klang her. Aber speziell amerikanische Popkünstlerinnen haben zurzeit sehr gute Ideen. Ob das jetzt Rihanna ist oder, na...  

... Beyoncé?  
Zum Beispiel ja, diese ganzen...  
... Katy Perry, Lady Gaga?  
Ja, die besonders! Diese ganze Gilde dort hat Produktionsteams um sich, die ausgesprochen frech, aber doch sehr kommerziell produzieren. Mit sehr guten Gimmicks, guten Fill-Ins.  

Fill-Ins?  
Eines der berühmtesten ist ja dieses „ba-baa, baba-baaam“ aus „Satisfaction“ von den Stones. Solche Sachen zu finden, ist ein ganz wichtiger Punkt. Gute Hooks haben! Wenn Sie eine aktuelle Platte planen, können Sie nicht im luftleeren Raum arbeiten.  

Kann ich als aufmerksamer Hörer in Ihrem nächsten Album also Anklänge an Rihanna finden?  
Auf jeden Fall merken Sie, dass wir uns damit beschäftigt haben, Hooks zu finden, die man sich merken kann. Mein eigener Song „Joana“ zum Beispiel ist voll mit solchen Gimmicks. Da steigen die Leute auch nach 30 Jahren noch drauf ein und singen mit.  

Ich bin gespannt. Dann noch einen fröhlichen Wahlkampf! Sie sind ja zurzeit viel unterwegs mit Ihrer Partei, der SPD.  
Ja, nächste Woche in Braunschweig, dann in München, Potsdam und Berlin.  

Und, wird das noch was mit Peer Steinbrück?  
Ich bin ja kein Hellseher, aber der Bär ist noch nicht erlegt, weder für die eine noch die andere Seite. Der SPD-Kandidat erholt sich ja gerade wieder. Seit dem Duell sieht es laut den Umfragen wieder besser aus, da ist also noch Bewegung drin!  

Sie kennen sich ja gut aus. Warum taucht in Ihren Texten eigentlich so wenig Sozialkritik auf?  
Weil das Eine das Eine ist und das Andere das Andere. Ich bin von Beruf Unterhaltungskünstler. Wenn ich ein Konzert spiele, ist es meine Aufgabe, die Menschen mit einem guten Gefühl nach Hause zu schicken. Ich glaube auch nicht, dass man in einem Drei-Minuten-Lied die Lösung zu einem komplizierten Problem formulieren kann.  

Fühlen Sie sich als Sozialdemokrat in der Schlagerwelt eigentlich als Exot?  
Sollte ich einer sein, bin ich das gerne. Schönen Tag noch!

Text: jan-stremmel - Foto: Paul Schirnhofer

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