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"Ich fühle mich auf jeden Fall erleichtert"

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Der 32-jährige Entwickler und Unternehmer Sebastian Küpers hat sich vor zwei Wochen von über 99 Prozent seines Besitzes getrennt. Im Durchschnitt besitzt ein Deutscher 10.000 Sachen. Sebastian hat 95. Zum Beispiel einige Gegenständen des täglichen Bedarfs, 32 Kleidungsstücke, 24 Bücher, 13 Andenken und ein Fahrrad.  

jetzt.de: Sebastian, wie viel Gepäckstücke brauchst du momentan um deine Sachen zu transportieren?
Sebastian Küpers: Ich brauche einen Rucksack, einen Rollkoffer und eine Kiste zum Transport.

Wieso hast du dich vom Großteil deines Besitzes getrennt?
Auslöser war ein anstehender Umzug. Ich habe mich gefragt, warum ich jetzt meine ganzen Sachen in eine neue Wohnung bringen soll, obwohl ich gar nicht alle benutze. Mir ist klar geworden, dass ich eigentlich nur sehr wenige Dinge wirklich brauche und dass die wirklich wichtigen Dinge diejenigen sind, die ich im Leben selbst bewege. Ich hab dann angefangen, immer weiter runterzukürzen, was dann in der Idee gipfelte, sogar eine möblierte Wohnung zu mieten. Ich hatte nicht das Ziel, auf unter 100 Dinge zu kommen. Es waren am Ende einfach weniger als 100 Dinge übrig.  

Welche Sachen hast du ausgesucht? Und nach welchen Kriterien hast du das gemacht?
Ich habe als erstes all die Dinge aussortiert, die ich seit einem Jahr nicht mehr in der Hand hatte. Das waren viele Klamotten, die ich nur ganz selten angezogen habe. Die habe ich zur Kleiderspende gebracht. Außerdem sind viele Bücher weggefallen. Die habe ich verkauft. Manche wollte ich ganz loswerden, viele habe ich jetzt aber digital auf dem Kindle.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sebastian Küpers

Bei welchen Sachen tat es dir am meisten weh, sie wegzugeben?
Bei Geschenken habe ich mich schwergetan, sie einfach so wegzugeben. Oder  Sachen, bei denen ich viel Zeit investiert habe, um sie mir anzuschaffen. Zum Beispiel bin ich als Jugendlicher ewig lang über den Plattenmarkt gegangen um mir eine Schallplattensammlung zusammenzustellen. Im Grunde brauche ich sie jetzt aber nicht mehr.  

Wenn der Moment kam, in dem du dich von einem Geschenk oder einer Schallplatte trennen musstest, bist du da nie in Versuchung gekommen, das  Projekt zu kippen?
Ein bisschen sentimental wird man da schon, aber letzten Endes habe ich das einfach pragmatisch gesehen. Ich wusste bei diesem ganzen Kram, dass er in der nächsten Wohnung genauso rumliegen würde. Und wozu ihn dann mitnehmen? Es waren wirklich wenige Sachen, die für mich so einen besonderen Wert hatten, dass ich sie behalten musste.  

Was war das zum Beispiel?
Ich habe einmal von einer mehrmonatigen Reise durch Mittelamerika ein Alebrije, eine bunte, aus Holz gebastelte Figur mitgebracht. Die habe ich als Andenken an diese Reise behalten.  

Hättest du denn theoretisch für alle deine Sachen Platz gehabt?
Das ist ein bisschen komplizierter. Ich musste aus meiner alten Wohnung raus, aber wollte unbedingt in Kreuzberg bleiben. Ich habe ein halbes Jahr lang gesucht, aber nichts gefunden. Dann hab ich eigentlich eher spaßeshalber auf der Seite von Airbnb nach Zimmern gesucht und festgestellt, dass die gar nicht so viel teurer als „normale“ Wohnungen sind. Also hab ich mich entschlossen, monatsweise möblierte Zimmer zu mieten. Meine ganzen Möbel konnte ich daher nicht mehr gebrauchen.  

Fühlst du dich nicht manchmal heimatlos, wenn du immer in fremder Leute Wohnungen lebst?
Die Wohnungen, die ich miete, sind extra für Airbnb eingerichtet worden. Von daher ist es nicht so, dass ich mich da in den privaten Wohnhäusern von anderen Leuten aufhalte. Außerdem kann ich es mir mit den 100 Dingen, die ich noch habe, gemütlich machen. Es ist nicht so, dass man die ganze Zeit denkt: Ich bin in dem Zimmer eines anderen, der nur zufällig gerade weg ist.  

Wie hat es sich angefühlt, diese ganzen Sachen loszuwerden?
Um ein Fazit zu ziehen, ist es noch nicht lang genug her. Aber ich fühle mich auf jeden Fall erleichtert. Ich habe zum Beispiel eine eigene Firma gegründet und daher unglaublich viele Sachen im Kopf. Da ist es für mich eine massive Erleichterung, wenn ich mich nicht auch noch um tausend reale Dinge kümmern muss. Das fängt bei so etwas Wahnwitzigem wie Wäschewaschen an. Ich habe keine eigene Waschmaschine und bin daher immer zum Waschsalon gestiefelt. Da ich ja so viele Klamotten hatte, musste ich immer mit einem riesigen Berg an Schmutzwäsche dorthin.    

Du sagst  auf deinem Blog: "Warum soll ich etwas behalten, nur weil es eine lustige Geschichte dazu gibt?" Ist das nicht ein bisschen unemotional?
Ich habe es früher mehrere Male geschafft, Filme mit Urlaubsfotos darauf kaputtzumachen, und habe mich dann immer geärgert, weil ich dachte, dass mit den Fotos auch die ganzen Erinnerungen weg wären. Dann habe ich aber angefangen, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass es nicht darum geht, einen physischen Beweis zu haben, nach dem Motto: „Da bin ich gewesen“, sondern um die Erinnerung an das Erlebnis, das ja definitiv dagewesen ist.  

Du bist  online sehr aktiv. Du betreibst dein eigenens Blog und hast einen Twitter-Account. Ist es nicht viel anstrengender so viel im Netz zu sein, als einen normalen 10.000-Dinge-Besitz zu betreuen?
Das könnte durchaus sein. Der Witz ist glaube ich auch, dass ich bei den 100 Sachen nur von den physischen Gegenständen spreche. Die Anzahl der digitalen „Gegenstände“, die ich in Form von Musik, Foto- oder Textdateien habe, ist wahrscheinlich um ein vielfaches höher. Wenn ich sage: "Ich habe nur noch 100 Dinge" – dann ist das eigentlich ein bisschen geschummelt.        

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