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„Ich bin kein Marktschreier“

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jetzt.de: Robin, die Lieder, die du für deine Band Fleet Foxes schreibst, sind sehr leise und intim. Wie bekommst du es hin, dass man als Hörer das Gefühl hat, du singst einzig und alleine für ihn?
Robin Pecknold: Ich bin beim Singen kein Marktschreier. Wir Fleet Foxes sind zurückhaltende, eher sensible Menschen, und unsere Musik entspricht unserem Wesen. Ich denke, es hilft, dass ich immer aus meiner persönlichen Perspektive schreibe. Jeder Gedanke, jedes Gefühl in diesen Liedern ist wirklich von mir. Aber man darf nicht glauben, man sei einzigartig. Also ich bin das bestimmt nicht. Viele Leute machen in etwa dasselbe durch wie ich. Nur weil ich ein introvertierter Mensch bin, habe ich die Introvertiertheit nicht für mich gepachtet. Und wenn jetzt jemand sagt „Hey, ich verstehe diesen Typen total, mir geht es genauso“, dann liegt das nicht daran, dass dieser Mensch mein Seelenverwandter ist. Sondern weil es eben nicht so wahnsinnig viele verschiedene Sorten von Menschen, Charaktereigenschaften und Lebenseinstellungen auf der Welt gibt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Bärtig und erfolgreich: die Fleet Foxes

Im Titelsong der Platte, also in „Helplessness Blues“ singst du jedoch „I was raised believing I was somehow unique“. Das ist doch ein Widerspruch zu dem, was du gerade gesagt hast.
Ja, komplett. Was soll ich machen? Über diese Fragen, ob man nun reinpasst oder raussticht, habe ich mir als Heranwachasender endlos Gedanken gemacht. Früher glaubte ich, dass Menschen wie Schneeflocken sind  - jeder ist total einzigartig und eine sehr spezielle Kreatur. Das ist allerdings auch ein sehr isolierender Gedanke. Heute ist es wichtig für mich, Teil von einer Gemeinschaft – einer Familie, einer Band, einer Zweierbeziehung – zu sein als mich zu fühlen wie der allereinzigartigste Kerl auf Erden.

 „Helplessness Blues“ beginnt mit dem Song „Montezuma“. In dessen Text singst Du, dass Du jetzt älter bist als es deine Eltern waren, als deine Schwester zur Welt kam und dich deshalb fragst, welchen Weg Du im Leben einschlagen solltest. Was ist die Aussage dieses Liedes?
 Mein Vater spielte in den Sechziger und Siebizger Jahren bei uns in Seattle in einer Soulband. Als meine Eltern Kinder bekamen, gab er das auf und suchte sich einen normalen Job. Er drückt heute manchmal Bedauern über diese Entscheidung aus. Ich sehe es genau anders herum. Ich denke, was er bekommen hat, nämlich meine Schwester Aja und mich sowie ein glückliches Familienleben, war viel mehr wert als das, was er geopfert hat.

 Würdest Du dich ähnlich entscheiden?
 Das kann ich noch nicht einschätzen. Ich merke nur, dass ich ein extrem unsoziales Wesen werde, wenn ich an neuen Songs arbeite. Für eine Familie wäre so ein Verhalten nicht akzeptabel.

Wie hast Du dich denn genau verhalten, als ihr euer Album „Helplessness Blues“ aufgenommen habt?
Mein Kopf lebte total in den Songs. Ich konnte kaum schlafen und so gut wie nie dieses Klopfen im Kopf vergessen, das mich darauf hinwies, wie die einzelnen Stücke vielleicht noch besser klingen, ich vielleicht noch besser singen könnte. Erst als das Album fertig war, konnte ich wieder ein normaler Mensch sein, mehr Zeit draußen verbringen und wieder Sachen mit meiner Freundin unternehmen.

Die neue Platte kommt drei Jahre nach eurem erfolgreichen und beliebten Debüt „Fleet Foxes“. Ist „Helplessness Blues“ eine Art Doktorarbeit für euch gewesen? Ja, total. Die Lieder haben mein Leben übernommen, und das hat sich dann wiederum auf die Lieder ausgewirkt. „Montezuma“ handelt etwa davon, ab welchem Punkt Obsession, Ehrgeiz und Hunger zu ungesund werden, um noch glücklich sein zu können.

Dein Vater wollte kein berühmter Musiker werden. Willst Du?
Niemals. Mit dieser Band ist doch sowieso schon alles viel größer geworden als das irgendjemand von uns für möglich gehalten hätte. Der Erfolg bereitet mir manchmal Unbehagen.

„Fleet Foxes“ erreichte in Großbritannien Platz Drei der Charts. Wie erklärst Du dir den großen Zuspruch?
Keine Ahnung, unsere Songs und unser ganzes Verständnis vom Musikmachen ist ja eher dezent. Wir haben diesen traditionellen Ansatz, dass wir sagen, ein paar Typen mit Bärten und alten Hemden reichen aus, um wertvolle, tolle Musik zu machen. Sofern sie interessante Texte und interessante Melodien auf der Pfanne haben. Vielleicht ist es eine Mission von uns, die Leute daran zu erinnert, wie schön schlichte Musik sein kann.

Ihr habt also eine Art Erziehungsauftrag?
Man muss vorsichtig sein, dass das jetzt nicht irgendwie zu selbstverliebt klingt. Wir wollen den Leuten nichts eintrichtern und es freut mich auch nicht, wenn jetzt Leute unsere Platten kaufen, weil sie denken, dass die Fleet Foxes gerade cool sind. Als wir nach der Highschool angefangen haben, wussten wir überhaupt nicht, was daraus wird, oder was für eine Sorte Band wir überhaupt waren. Wir wollten lediglich die Musik spielen, die uns gefällt. Mehr war da nie. Von mir aus hätten wir übrigens gerne Indieband bleiben und vor 300 Leuten pro Abend spielen können. Zwar genieße ich durchaus, was passiert ist. Trotzdem fehlt mir dieser Drang, einen bestimmten Grad von Erfolg und Popularität zu halten oder gar noch mehr davon zu erreichen.

Fürchtest Du, ihr habt durch den kommerziellen Erfolg eure musikalische Unschuld verloren?
Das wäre schlimm, oder? Als die erste Platte kam, meinten manche Menschen, wir wären nostalgische Hippies, und dann fragt man sich halt selbst, ob sie recht haben. Das führt dazu, dass man sich selbst bewertet und eine Meinung von sich bekommt, die auf den Meinungen von Außenstehenden beruhen. Ich fürchte, dass ist nicht gut für uns. Bei der Arbeit an „Helplessness Blues“ gab es durchaus Phasen, in denen wir dachten „Verdammt, wir müssen etwas Abgefahrenes, Überraschendes machen.“ Nach zwei Tagen schämst du dich über diesen Ansatz und machst wieder das, was dir liegt.

Ändert es das Songschreiben, wenn man weiß, dass sich viele Leute auf die Platte freuen?
Nein. Offensichtlich wollen wir niemanden enttäuschen, doch du musst tun, was du tun willst und dir selbst vertrauen. -

Ihr spielt klassische Folkmusik, wie sie ähnlich auch von Arcade Fire oder Mumford & Sons gespielt wird. Warum ist das gerade gerade so beliebt?
Für jüngere Leute sind wir ein willkommenes Gegenstück zu dem ganzen Pop, der die Singlecharts dominiert und viele anödet. Und ältere Menschen, sagen wir mal 50-Jährige,  hören etwas in unserer Musik, dass sie an die Musik erinnert, die sie in ihrer eigenen Jugend möchten.

Du bist 25, hörst dich beim Singen aber älter an. Was ist dein gefühltes Alter?
Schwierig. Ich fühle mich eigentlich nicht älter als 25, und ich fühle mich auch nicht mehr wie ein Jugendlicher. Zum Glück bin ich keiner dieser Nostalgiker geworden, die mit Mitte 20 schon der Jugend hinterherjammern. Ich klammere mich nicht an die Vergangenheit.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


 Das Album „Helplessness Blues“ der Fleet Foxes erscheint heute bei City Slang.



Text: steffen-rueth - Foto: dpa

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