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"Ich bin gut. Ruf mich an!"
jetzt.de: Du hast in den vergangenen vier Jahren immer auf der Berlinale gearbeitet. Als was genau?
Stella Stocker: Als sogenannte Mikrofondame. Mein Job war es, den Journalisten bei Pressekonferenzen das Mikrofon zu reichen und es ihnen nach gestellter Frage wieder abzunehmen.
In diesem Jahr arbeitest du nicht mehr bei der Berlinale, bist aber trotzdem hier. Warum?
Ich bin selbst Schauspielerin und habe zwei Drehtage gehabt, weshalb ich den Berlinale-Job nicht machen konnte. Aber ich kenne natürlich noch viele Leute und komme dadurch auch in die Pressekonferenzen rein – und ab und an auch mal in einen Film.
War es für dich als Jungschauspielerin in Berlin ein logischer Schritt, auf der Berlinale zu arbeiten?
Die Idee kam eigentlich von meinem Vater, hat aber natürlich Sinn gemacht: Nah dran sein, alles mitbekommen, Leute kennenlernen und Filme gucken.
Hat das Leute-Kennenlernen in den vergangen Jahren denn gut geklappt?
Man lernt ja immer Leute kennen. Die Frage ist nur, wie gut man sie kennenlernt oder was am Ende aus so einer Bekanntschaft wird. Die Filmschaffenden kommen in der Regel mit fertigen Projekten zur Berlinale und suchen nach Vertriebspartnern. Ihr Blick für aufstrebende Talente ist daher sehr eingeschränkt.
Dann ist ein Job bei der Berlinale also kein Sprungbrett für einen Einstieg ins Filmgeschäft?
Die Chancen dafür stehen jedenfalls sehr viel schlechter, als man denken würde. Man kann aber wahnsinnig viel lernen und bekommt einen anderen Blick auf die Branche – auch das ist für Jungschauspieler wichtig. Jemandem jedoch einfach seine Karte in die Hand zu drücken und zu sagen „Ich bin gut. Ruf mich an!“ funktioniert nicht.
Weißt du das aus eigener Erfahrung?
Nein, das wäre ein wenig plump. Aber wenn man es schafft, nach einem Film ungezwungen mit Leuten ins Gespräch zu kommen, dann kann so etwas natürlich auch mal funktionieren.
Wie frustrierend ist die Erkenntnis, dass es wahnsinnig schwer ist, an die richtigen Leute heranzukommen?
Frustrierend ist der Umstand, dass man es nicht selbst in der Hand hat, aber damit muss man umgehen können. Ein Regisseur hat auch mal zu mir gesagt, dass es manchmal Monate oder Jahre dauern kann, bis aus etwaigen Kontakten etwas wird. Filme haben schließlich einen wahnsinnig langen Vorlauf. Und wenn man dann angefragt wird, weiß man häufig gar nicht mehr, welchem Umstand man den Anruf des Casters zu verdanken hat.
Bist du denn auch auf vielen Premierenpartys unterwegs?
Nein, gar nicht. Das bringt auch nichts. Die Leute wollen dort feiern und trinken, aber nicht über neue Projekte reden. Die sehen dich da nicht als Schauspielerin, sondern als junge Frau – und wenn man Pech hat, haben die dann ganz andere Dinge im Kopf als mit dir über Filme zu reden (lacht).
Wie viele Visitenkarten hast du in den vergangenen Jahren während der Berlinale denn an den Mann oder die Frau gebracht?
35 vielleicht.
Das klingt jetzt aber gar nicht nach sonderlich viel.
Das hat ja auch immer auch von Anbiedern, und das kann ziemlich unangenehm sein. Auf der anderen Seite hat man jedoch nichts zu verlieren und sollte es demnach im Zweifelsfall versuchen. Es ist stets eine Gratwanderung, die man da vollführt.
Hast du dir eine Deadline gesetzt, bis wann du dir eine Schauspielkarriere aufgebaut haben möchtest?
Das habe ich früher immer getan, aber ich hab’s aufgegeben (lacht). Das macht mich nur selbst verrückt. Man muss sich eben im Klaren darüber sein, dass die Schauspielerei ein gänzlich anderer Lebensentwurf ist als der von anderen Leuten. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich mir einen geregelten Tagesablauf wünschen würde. Aber ich weiß, worauf ich mich eingelassen habe und bin mir bewusst, was der Schauspieljob mit sich bringt. Ich weiß aber, dass ich es schaffen werde und freue mich auf den Moment, an dem ich von der Schauspielerei leben kann. Ich verweigere mich selbstverständlich auch nicht der Prominenz oder dem großen Geld. Aber das ist nicht das, was mich antreibt.
Berlin ist ein Schmelztiegel für Kreative jeglicher Art. Das führt auf der einen Seite zu einem Mehr an Möglichkeiten, auf der anderen Seite aber auch zu einem Mehr an Konkurrenz. Wie nimmst du diesen Umstand als Schauspielerin wahr?
Ich war zwei Jahre lang in New York, habe das Lee Strasberg Institut besucht und im Zuge dessen auch in New York an Castings teilgenommen. Da kamen teilweise 5.000 Leute für eine Rolle – verglichen damit läuft es in Berlin wahnsinnig entspannt ab. Hier kommen im Schnitt 100 Leute pro Job, da hat man noch relativ gute Chancen. Ein großes Konkurrenzdenken merke ich in meinem Umfeld eigentlich nicht. Wir versuchen eher, uns gegenseitig zu helfen.
Wirst du den Job als Mikrofondame denn im nächsten Jahr wieder machen?
Mir haben die vergangenen Jahre Spaß gemacht, das war wahnsinnig spannend. Aber mittlerweile bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich als Schauspielerin gerne selbst auf dem Podium sitzen würde. Meine Zeit als Mikrofondame ist deshalb ein für allemal vorbei.
Text: daniel-schieferdecker - Foto: Stefan Klüter