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jetzt.de: Erling, du hast gemeinsam mit dem 32-jährigen Studenten Steve Duncan fünf Tage lang die New Yorker U-Bahn erkundet und dort auch geschlafen – wie kommt man auf so eine Idee?
Erling Kagge: Das mit der U-Bahn war mein Einfall. Nachdem ich beide Pole und den Mount Everest erkundet habe, suchte ich nach einer neuen Herausforderung. In einem Magazin las ich von Steve und wie er Tunnel erkundet. Da kam mir schlagartig die Idee mit der U-Bahn und ich habe ihn sofort angerufen. Er war von Anfang an begeistert und nach ein paar Telefonaten bin ich nach New York geflogen und das Abenteuer konnte beginnen.

jetzt.de: 1990 warst du mit einem Freund am Nordpol, 1992 wagtest du dich dann alleine zum Südpol. Ein Jahr später standest du auf dem Mount Everest – klingt, als wurdest du als Abenteurer geboren?
Erling Kagge: Ich bin der Überzeugung, dass jeder Mensch zum Abenteurer geboren wurde. Als Kind sind wir neugierig. Wir kennen keine Regeln und sind fasziniert von unserer Umwelt. Je älter wir dann werden, desto mehr ergreift uns die Zivilisation. Ich will damit nicht sagen, dass ich ein Kind geblieben bin. Ich habe Bücher gelesen, Intellekt aufgebaut. Aber dieses Gefühl, von der Natur in den Bann gezogen zu werden und alles entdecken zu wollen – das ist bei mir geblieben.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Erling Kagge und Steve Duncan am Ende ihrer Untergrund-Expedition.

jetzt.de: Aber U-Bahn-Tunnel sind nun ja nicht wirklich ein natürliches Phänomen?
Erling Kagge: Natürlich sind New Yorker U-Bahn-Schächte etwas anderes, als der Südpol. Trotzdem repräsentiert beides die Wildnis. Nur bei der U-Bahn handelt es sich um eine von Menschenhand geschaffene Wildnis. Sie wurde gebaut, um Funktionalität zu gewährleisten und repräsentiert sehr gut die Zeit, in der wir leben. Außerdem ist die New Yorker U-Bahn recht alt und erzählt genauso eine Geschichte, wie die Natur.  

jetzt.de: Was hat dich besonders fasziniert, als ihr da unten wart?
Erling Kagge: Täglich laufen Millionen Menschen durch New York. Aber das, was direkt unter ihren Füßen liegt, das interessiert sie eigentlich nicht. Dabei haben die U-Bahn-Schächte eine ganz eigene Schönheit. Für uns sind immer Orte schön, die hell, bunt und sauber sind. Gerade hier in Norwegen wird besonders die unbelassene Natur als schön empfunden. Da unten in der U-Bahn ist es hingegen dunkel, nass, grau und dreckig. Zu erkennen, dass die Schönheit darin liegt, dass alles, was wir klassisch als „schön“ bezeichnen würden, fehlt, das war wirklich faszinierend.  

jetzt.de: Wie sieht es denn in den New Yorker U-Bahn-Schächten aus?
Erling Kagge: Es ist genau so, wie es sich wohl jeder in Deutschland vorstellt. Überall ist es nass, man muss auf jeden Fall passend angezogen sein, um da durchzukommen. Teilweise ist es auch sehr eng und es stinkt. Es gibt kein Tageslicht und man verliert schnell die Orientierung.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


U-Bahn-Tunnel - "eine von Menschenhand geschaffene Wildnis".

jetzt.de: Eure Expedition war auf fünf Tage begrenzt. Habt ihr auch Menschen getroffen, die wirklich unter der Erde leben?
Erling Kagge: Ja, da war diese eine Frau namens Brooklyn. Sie ist obdachlos und hatte sich dort unten richtig eingerichtet. Allerdings versucht die Polizei so etwas natürlich zu verhindern.    

jetzt.de: Was wäre passiert, hätte man euch dort unten erwischt?
Erling Kagge: Die U-Bahn zu erkunden ist ja nicht illegal. Aber begeistert wäre die Polizei sicher nicht gewesen. Schließlich ist es da unten ja auch nicht ungefährlich. Man muss immer aufpassen, nicht von einem Zug erwischt zu werden. Zum Glück hatte ich Steve dabei, der uns sicher durch das Gelände navigierte.  

jetzt.de: Gäbe es auch Städte in Europa oder Deutschland, die euch für eine Untergrund-Expedition reizen würden?
Erling Kagge: Man sollte niemals nie sagen. Berlin ist eine tolle Stadt, da gibt es sicher auch viel zu sehen. Meine Heimatstadt Oslo hat ja leider keine U-Bahn  

jetzt.de: Glaubt ihr, dass eure Untergrund-Aktion auch das Potenzial zu einer Touristenattraktion hätte?
Erling Kagge: Meine Philosophie lautet: „Jeder muss seinen eigenen Südpol finden“. Der Südpol war mein erster großer Traum und den habe ich mir schließlich erfüllt. Trotzdem würde ich nicht jedem dazu raten, durch U-Bahn-Schächte zu klettern. Genau wie beim Südpol oder dem Mount Everest muss man hierzu gut vorbereitet sein. Man benötigt jemanden, der einen führt, muss guter körperlicher Verfassung sein. Trotzdem sollte jeder beim Erwachsenwerden versuchen, sich seine Träume zu bewahren und sie gegebenenfalls auch zu erfüllen.  

jetzt.de: Kann man denn davon leben, hauptberuflich Abenteurer zu sein?
Erling Kagge: Ursprünglich war ich Rechtsanwalt. Das habe ich auch zwei Jahre praktiziert, dann bin ich auf Reisen gegangen. Das war dann doch sehr viel spannender. In den 90er Jahren habe ich dann meinen eigenen Verlag gegründet und Bücher publiziert. Davon kann ich gut leben.  

jetzt.de: Du hast drei kleine Töchter. Wärst du begeistert, wenn sie den Forschungsdrang ihres Vaters übernommen hätten?
Erling Kagge: (lacht) Das wäre natürlich schön, erscheint mir aber unwahrscheinlich. Gerade interessiert die drei hauptsächlich Ballett. Und Mode. Und... ähm.... Ballett!

http://www.vimeo.com/18280328
Der Filmemacher Andrew Wonder begleitete Steve und Erling bei ihrer Tour durch New York's Unterwelt.

http://www.undercity.org/

Text: charlotte-haunhorst - Bilder: oh

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