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Hans Nieswandt: Mit 150 Platten durch Südostasien
Deine letzte große Reise hat dich durch den Nahen Osten geführt. Wo warst du dieses Mal unterwegs? Im November letzten Jahres bin ich – erneut auf Einladung des Goethe-Instituts - für sechs Wochen in die so genannte SAN-Region geflogen. Also Südostasien, Australien, Neuseeland. Ich war zuerst in Bangkok, dann in Hanoi, Manila, Singapur, Kuala Lumpur, Melbourne, Sidney, Wellington und zum Schluss in Jakarta, von wo ich dann wieder zurück nach Köln geflogen bin.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Klingt nach einem straffen Zeitplan. So war es auch. Bis auf einen Tag war ich nonstop unterwegs. Insgesamt war ich da immer so drei bis fünf Tage an einem Ort. Dann musste ich leider schon immer weiter. In welcher Funktion warst du da? Ich war zum einen als Repräsentant deutscher elektronischer Musik unterwegs und habe zum anderen als Scout vor Ort Kontakte zu einheimischen Produzenten und DJs geknüpft. Das heißt, dass ich dort in verschiedenen Städten aufgelegt oder Workshops abgehalten habe, zukünftige Partner für von mir ausgewählte deutsche Acts ausgesucht und für ein Showcase auf der diesjährigen c/o pop in Köln rekrutiert habe. Das Ergebnis nennt sich dann die Asia-pazifische Platte und wurde von dir gehostet. Ich habe acht Paare aus dem pazifischen Raum mit deutschen DJs und Elektronikern verkuppelt. Zum Beispiel Superpitcher aus Köln mit Ray-Soo aus Kuala Lumpur. Oder die Gebrüder Teichmann aus Berlin mit Rubber Inc. aus Manila. Im nächsten Jahr soll passend zu diesem Projekt dann auch ein gleichnamiger Tonträger erscheinen, der sozusagen die musikalische Essenz unseres kulturellen Austausches dokumentiert. Wie viele Platten hattest du im Gepäck? Etwa 30 Kilo, vielleicht 150 Stück. Auf jeden Fall so viele, dass ich immenses Übergepäck bezahlen musste. Wo hat es dir am besten gefallen? In Neuseeland und Vietnam. Zwei Länder, die auf dem Human Development Index nicht gerade dicht beieinander liegen. Vietnam ist natürlich viel ärmer als Neuseeland und ja immer noch eine sozialistische Volksrepublik, in der keine Meinungsfreiheit herrscht, sondern dieser merkwürdige kapitalistische Kommunismus wie in China. Alle arbeiten wie die Wilden und knattern auf Millionen Motorrollern durch die Gegend. Gleichzeitig ist es noch sehr traditionell – ein atemberaubender Mix.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Schlimmstes Erlebnis im Ausland? In Hanoi, Vietnam habe ich einmal in einer Edel-Touri-Disko aufgelegt: Lauter Remy Martin trinkende Männer über 40 mit Goldkettchen, die sich gelangweilte Go-Go-Tänzerinnen anguckten. Dazu lief chinesischer Techno in voller Lautstärke, der wie eine Kreuzung aus Scooter und dem Crazy Frog klingt. Zehn Minuten, nachdem ich angefangen hatte aufzulegen, wurde ich von einem der Herren angetippt. Wild gestikulierend bat er mich, sofort aufzuhören. Ich versuchte trotzdem, weiterhin möglichst unbeteiligt mit meinem Programm fortzufahren. Dann spürte ich dann nach ein paar Minuten einen festen Schlag im Rücken, und wie mein Hemd durchweicht. Seitdem weiß ich wie es sich anfühlt, von einer vollen Bierflasche getroffen zu werden. Wie war denn dein Verhältnis zu den einheimischen DJs und Produzenten? Die meisten kanntest du ja vorher nicht. Sehr gut. Das waren alles sehr fitte Leute, die hier nur nahezu unbekannt sind.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wie sieht es denn in Malaysia oder Vietnam mit den hiesigen Musikszenen aus? Ist das mit westlichen Szenen vergleichbar? Auf jeden Fall. Davon bekommt man hier nur wenig mit. In Manila gab es in den 70er Jahren zum Beispiel auch eine berühmte Schlaghosen-Disco-Szene oder in Jakarta eine vielfältige Punk-Szene. Musik, die von dort kommt, ist nicht zwangsläufig exotisch. Man hört den von mir ausgesuchten Elektronikern ihre nationale oder regionale Herkunft nicht an, was ich gut finde. Wird das Reisen dann nicht überflüssig? In gewisser Weise natürlich schon. Die größten Entdeckungsreisen finden heute am Schreibtischstuhl statt. In der Internetwelt liegt Wellington tatsächlich vor Köln, Hürth. Und ich muss da nicht mehr hinfahren, um zu gucken, was da für Musik gemacht wird. Mehr unter www.hansnieswandt.de