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Glanzlichter der Vorstadt. Arcade Fire im Interview

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Ortstermin bei City Slang im Kreuzberger Gräfekiez. Der Online-Stream des neuen Arcade-Fire-Albums, so sagt die Plattenfirma, sei nur innerhalb eines gewissen Zeitfensters verfügbar. Und er müsse erst “von Amerika” freigeschaltet werden. Eine Handvoll Journalisten im Konferenzraum, ein runder Tisch, ein an die großen Boxen angeschlossener Laptop. Und das Warten auf “The Suburbs”. Irgendwann ist es da, das Zeitfenster. Die Namen der einzelnen Songs verrät man uns leider nicht, was das Nachhaken im Gespräch etwas kompliziert macht. Tim Kingsbury, der bei der Rockband als Bassist, manchmal Gitarrist und Keyboarder fungiert, ist all das im Interview unangenehm. Die Idee der Band, so sagt er, sei das nicht gewesen, eher die des Managements. Doch in der Tat hatten die Sicherheitsmaßnahmen ihren Nutzen: Vor zwei Wochen fand sich die dritte Platte in den einschlägigen Tauschbörsen. Auf dem setzen die Kanadier im Prinzip den Weg des Vorgängers “Neon Bible” fort, schieben die Songs aber ein Stück weit Richtung Allgemeingültigkeit.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Was war der Ausgangspunkt zu “The Suburbs”? Als wir im Februar 2008 mit der Tour zu “Neon Bible” fertig waren, entschlossen wir uns zu einer kleinen Auszeit. Erst im November trafen wir uns wieder, musizierten ein bisschen. Aber das war noch überhaupt nicht ergebnisorientiert, sondern recht spielerisch. Im Mai 2009 gingen wir ins Tonstudio - und blieben da eine gefühlte Ewigkeit. War die Pause wichtig? Ich denke schon, denn in der Vergangenheit hatten wir nie besonders viel Zeit. Zwischen “Funeral” und “Neon Bible” gab es keine Möglichkeit, ein bisschen Abstand voneinander zu bekommen - weil wir in Montreal die Kirche kaufen und einrichten mussten, die jetzt unser Studio ist und weil wir sehr viel live spielten. Wenn ich zurückblicke, ist es sehr schwierig, die ersten Jahre überhaupt zu strukturieren. Das war jetzt anders. Wir hatten endlich einmal Zeit für uns. Einige heirateten, andere lebten einfach ihr Leben. Seltsam, sich nach drei Jahren, die man größtenteils gemeinsam verbrachte, nicht mehr zu sehen? Ganz so war es natürlich nicht, die Pause war keine radikale Pause. Wir gaben ein paar Konzerte - und da wir alle in Montreal leben, sahen wir uns auch, tranken ab und zu einen Kaffee oder so. Wir waren nicht aus der Welt. Nur hatten wir am Ende der letzten Tour eben das Gefühl, gemeinsam in einem Käfig gefangen zu sein. Und dem wollten wir entkommen. Wie schwierig war es, nach diesen Monaten wieder in eine Arbeitsroutine zu wechseln? Und wie seid Ihr mit den Erwartungen von außen umgegangen? Ich denke, man muss sich von solchen Erwartungen freimachen. Klar ist das nicht einfach, aber uns gelang es ganz gut. Wenn man zu oft daran denkt, was die anderen erwarten, sei es die Presse oder seien es die Fans, kommt man nicht mehr zum Arbeiten. Klar, man kann in irgendwelchen Internetforen schauen, was da spekuliert wird oder ob tatsächlich schon etwas bekannt ist, aber das lenkt einen nur ab. Der Ansatz ist schließlich bei uns allen eher in der eigenen Motivation, im “Was wollen wir machen, was fördert unsere Kreativität” zu finden. Deshalb entsteht kein Druck von außen. Gab es trotzdem einen Knackpunkt bei den Aufnahmen? Hmm, ja, ich glaube schon. Bei “Funeral” und auch bei “Neon Bible” hatten wir die Songs schon oft gespielt, bevor wir mit ihnen ins Studio gingen. Diesmal haben wir noch im Studio an den Stücken gearbeitet. Wir hatten also total oft einzelne Spuren, die super waren, kamen aber mit anderen Gesichtspunkten nicht wirklich weiter. Das war eine ziemliche Herausforderung, weil man sehr oft auf bereits Bestehendes reagieren musste. Da flogen dann auch eine Menge Meinungen durch den Raum, es wurde also viel diskutiert. Wann kam die Idee ins Spiel, eine Themenplatte zur Vorstadt zu machen? Win und Régine (Win Butler und Régine Chassagne, quasi die Arcade-Fire-Doppelspitze) hatten irgendwann während unserer freien Zeit einen Ausflug nach Texas gemacht - und verbrachten recht viel Zeit in der Vorstadt von Houston, in der Win und sein Bruder Will aufgewachsen waren. Als sie zurückkamen, waren sie voll von Ideen - und ich denke, das ist der Moment, in dem sie mit dem eigentlichen Songwriting anfingen. Was erschien Euch an diesen Suburbs reizvoll? Wenn man in einer Vorstadt aufwächst, erlebt man eine ganz eigene Kultur, die nachträglich wie ein Wattebausch erscheint. Es wird Geborgenheit vermittelt, ist aber gleichzeitig sehr isolierend. Die Bewohner der Vorstädte sind tagsüber in der Arbeit - und ansonsten verstecken sie sich in ihren Häusern. Auch wenn es vordergründig ein nachbarschaftliches Leben gibt, existiert keine wirkliche Gemeinschaft. Dem kann man sich auf verschiedene Seiten nähern, eben weil es so eine Traumwelt ist. In einigen Songs spielen da auch andere Dinge rein - etwa Fantasy oder Science Fiction. Es geht unter diesem Themenschirm aber auch viel um Kleinteiliges. Um Beziehungen innerhalb der Familie, aber auch mit Freunden. Du bist in Kanada aufgewachsen - konntest Du Dich trotzdem gleich mit den amerikanischen Vorstädten identifizieren? Ich wuchs in einer Kleinstadt auf, die etwa eine Autostunde von Toronto entfernt war, aber einen Uni-Campus besaß. Als ich anfing, in Bands zu spielen, ging das schon. Es gab einen Bezirk, der “Downtown” hieß, Cafés und Kneipen und so eine Art Mini-Szene. Aber alle pendelten nach Toronto, insofern war es Suburb-ähnlich. Bis ich 16, 17 war, spielte sich mein Leben tatsächlich in ein paar Straßenzügen und in einer Shopping Mall ab und es gab eine Menge Tage, an denen ich nicht wusste, was ich mit mir anfangen sollte. Suburbs in den USA und Kanada ähneln sich sehr, denke ich. Überall diese Cookie Cutter Culture, überall diese langen Reihen von Häusern, die aussehen, als wären sie mit der Schablone entworfen. Ich würde sogar vermuten, dass das bei Euch in Deutschland recht ähnlich ist. Die meisten Menschen entscheiden sich heute für ein Leben entweder in der Stadt oder auf dem Land. Hat Suburbia seine Stellung als Vision, als Ideal eines gesellschaftlichen Lebens verloren? Ich glaube, dass das Konzept, sich ein kleines Stück Paradies zu schaffen, in der Tat anders gesehen wird als noch vor einigen Jahrzehnten. Man hat seinen grünen Rasen, sein eigenes Reich - vor allem aber eine Auffahrt, eine Garage und ein Auto. Man muss überall hinfahren, und der Bezug der Menschen zur Mobilität, der ändert sich einfach. Man müsste schon arg viel ändern - daran, aber auch am Umgang miteinander. Und dann hat die Wirtschaftskrise ja auch gezeigt, dass viele dieser Häuser auf Schulden gebaut wurden, der ganze Wohlstand also nie wirklich existierte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"The Suburbs" von Arcade Fire ist am Freitag bei City Slang erschienen. neue Videos gibt es noch nicht, aber ein paar der neuen Songs kann manbei myspace anhören.

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