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"Feindbilder spielen eine große Rolle"
Es handelt sich zwar nur um eine Wahl auf regionaler Ebene, dennoch scheinen die Ergebnisse der Kantonwahl in Südfrankreich einem allgemeinen Trend zu folgen: Dem Trend nach rechts. In ganz Europa machen rechtspopulistische Parteien mit ihren Erfolgen auf sich aufmerksam. Sie nehmen mittlerweile auch Teile der Mittelschicht für sich ein und gewinnen mit ihrer Eurokritik zusätzliche Stimmen. Ob europäische Wähler sich tatsächlich immer stärker nach rechts orientieren und aus welchen Gründen sie das tun, diese Fragen beantwortete Dr. Werner Bauer. Er ist Experte für rechtspopulistische Parteien in Europa und hat im Mai diesen Jahres seine aktualisierte Studie zum Thema veröffentlicht.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Bei der Kantonwahl in Südfrankreich war die rechtspopulistische Front National erfolgreich
jetzt.de: Rechtspopulistische Parteien wie die Front National werden immer beliebter. Findet in Europa tatsächlich ein Rechtsruck statt?
Dr. Werner Bauer: Was wir momentan beobachten können, ist eigentlich kein neuer Trend. Der Erfolg rechtspopulistischer Parteien kommt in Wellenbewegungen seit den 1980ern immer wieder auf. Die aktuelle Welle hängt eng mit der Globalisierung und ihren Folgen, wie zum Beispiel der Zuwanderung zusammen sowie mit der allgemein ängstlichen Grundstimmung innerhalb der europäischen Gesellschaft und der steigenden Unsicherheit.
Es sind also Unsicherheit und Angst, die Menschen zu Rechtspopulisten treiben?
Ja, hauptsächlich sind es Angst- und Protestwähler, die sich nach rechts orientieren. Wir leben in einer Gesellschaft, die von Entwurzelung und Entsolidarisierung geprägt ist. Eine Welt, in der man immer flexibel sein soll, im Prinzip einen Kampf gegen alle anderen führt und davon einfach überfordert ist. Auf diese Art kann neben der Unsicherheit ein ziemlicher Groll in der Bevölkerung entstehen. In Ländern wie Spanien oder Griechenland ist die Verbitterung aufgrund der enorm hohen Arbeitslosigkeit verständlich. Aber auch in Deutschland oder Österreich findet man vielerorts eine diffuse Wut und die Rückbesinnung auf das Eigene, gegen die Anderen. Es geht uns eigentlich verhältnismäßig gut, trotzdem haben wir scheinbar Angst, etwas abgeben zu müssen – in Form von Sozialleistungen etwa.
Mit welchem Programm schaffen es die Rechtspopulisten, neue Wähler für sich zu gewinnen?
Oft sind es recht platte Sprüche, mit denen Rechtspopulisten auf Wählerfang gehen. Eine allgemeine Kritik an „denen da oben“ kommt immer gut an und lässt Protestwähler aufhorchen. Neben Angst- und Protestwählern orientieren sich aber auch Bürger aus der Mittelschicht nach rechts. Das liegt zum einen daran, dass Parteien wie etwa die Front National mittlerweile nicht mehr ganz so rabaukenhaft rüberkommen und mit respektablen Führerfiguren wie Marine Le Pen mit gutem Gewissen wählbar erscheinen. Zum anderen sind Vorurteile gegenüber der EU, Asylsuchenden und Flüchtlingen ja kein Phänomen, das nur die unteren Gesellschaftsschichten betrifft. Solche Vorurteile bestehen teils auch im ängstlichen Kleinbürgertum und haben die Mitte der Gesellschaft erreicht.
Sind Jungwähler aufgrund ihrer unsicheren Lebenslage besonders „gefährdet“, den Rechtspopulisten ihre Stimme zu geben?
Ja, das liegt zum einen daran, dass sie in Schulen und Ausbildungsstätten oft direkt mit Zuwanderern zusammentreffen und sie als unliebsame Konkurrenten sehen. Zum anderen sind viele der charismatischen rechtspopulistischen Führer selbst relativ jung. Sie präsentieren sich sportlich und abenteuerlustig, veröffentlichen Bilder beim Bungee Jumping und senden so ein Signal an ihre jugendlichen Wähler.
Welche Aspekte aus dem Alltagsleben sind es sonst noch, die gerne von den Parteien aufgegriffen werden?
Feindbilder spielen eine große Rollen und lassen sich auf jeden Fall sehr leicht, im Falle rechtspopulistischer Parteien beinahe beliebig auf alle möglichen Gruppen übertragen. Auf Frauenrechtler, Homosexuelle oder Sinti und Roma zum Beispiel. Im Prinzip lassen sich aber wirklich alle Themen von Rechtspopulisten ausschlachten. Es wird sogar versucht, typisch grüne oder soziale Themen mit einzubeziehen, um mehr Wähler zu ködern. Besonders interessant ist es außerdem, wie rechte Parteien sich immer wieder den Aufregerthemen annehmen, die die Boulevardpresse ihnen vorgibt. Auf diese Art und Weise entsteht ein ganz seltsames Amalgam voller Widersprüche.
Können Sie mir ein Beispiel nennen?
Die österreichische Rechte zum Beispiel ist traditionell anti-katholisch eingestellt, präsentiert sich nun aber plötzlich als Verteidiger des christlichen Abendlandes gegen die vermeintlich drohende Islamisierung Europas. Alle Mittel sind recht, wenn es darum geht, in der Wählergunst zu steigen, denn: Erfolg ist wichtiger als die Existenz einer echten Überzeugung. Neben der Islamphobie besteht vor allem in Osteuropa auch der Antiziganismus und Antisemitismus ganz offen weiter.
In Frankreich führt der Erfolg der Front National zu der Sorge, die Zweiparteienherrschaft sei in Gefahr. Ist diese Sorge berechtigt? Ist der Erfolgskurs rechtspopulistischer Parteien diesmal etwa von Dauer?
Es handelte sich natürlich nur um eine regionale Wahl, aber Rechtspopulisten in Frankreich wie auch in anderen europäischen Ländern dürfen auf keinen Fall unterschätzt werden. Wie sich bei den Wahlen in Österreich gezeigt hat, ist es auch hier immerhin eine Wählergruppe von 30 Prozent, die tendenziell rechte Parteien wählt. Angesichts solcher Zahlen sollten sich die etablierten Volksparteien durchaus fragen, wie sie die vielen Angst- und Protestwähler wieder zurück gewinnen können. Die Rechtspopulisten werden ansonsten weiterhin gute Ergebnisse einfahren und bei den EU-Wahlen vermutlich triumphieren. Man darf aber nicht vergessen, dass rechte Parteien oft scheitern, sobald sie tatsächlich ins Parlament einziehen und die Erwartungen ihrer Wähler enttäuschen. Der Grund dafür ist denkbar einfach: Hinter den charismatischen Führerfiguren steckt oft nichts weiter als inhaltslose Parolen.
Text: lisa-freudlsperger - Foto: dpa