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Dieser Mann muss 50.000 Euro spenden

Foto: Alexander Urban

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Am vergangenen Samstag veröffentlichte der Autor, Poetry Slammer und Kabarettist Thomas Spitzer folgenden Post auf seiner Facebook-Seite:

Innerhalb kürzester Zeit hatte der Post mehrere hundert Likes und fast hundert Kommentare. Thomas hat dann beschlossen, bei 500 Likes und 100 Kommentaren vorerst einen Schnitt zu machen – immerhin bedeutet das, dass er 50.000 Euro an wohltätige Zwecke spenden muss. Damit hat er bereits angefangen: Auf seiner Webseite gibt es eine Liste mit allen Organisationen, die jetzt Spenden bekommen, sowie die Möglichkeit, ihm etwas von der Summe abzunehmen und sich an den Spenden zu beteiligen. Als Beleg veröffentlicht er die Spendenquittung oder Screenshots der Bestätigungsseite oder -mail der Organisation. 

Wir wollten wissen, wieso er das eigentlich gemacht hat und ob er eigentlich auch kurz mal sauer auf die ganzen Like-Klicker war. Und haben ihn darum angerufen.

JETZT: Thomas, du musst jetzt 50.000 Euro spenden. Wird dich die Aktion finanziell ruinieren?

Thomas Spitzer: So wie es grade aussieht, eher nicht, weil ich viel Unterstützung bekomme, viele übernehmen 250 oder 500 Euro. Es hätte aber natürlich auch anders kommen können.

Ja eben! Warum hast du den Facebook-Aufruf trotzdem gestartet?

Ich wollte einfach mal schauen, was passiert. Es war reine Neugierde. Klar, ich habe mir schon vorstellen können, dass das auf große Resonanz stoßen wird – aber dass so viele Leute das liken und kommentieren, und mich bisher schon so viele beim Spenden unterstützt haben, das hat mich überrascht und gefreut.

Warst du nicht auch ein bisschen sauer auf die Leute oder dachtest: „Jetzt wollen sie mich aber reinreiten“? 

Das war ja das Interessante an der Aktion: dass ich am Anfang nicht wusste, ob die Menschen das aus Häme liken werden, um zu beobachten, wie ich mich in die Scheiße reite, oder weil sie die Sache an sich unterstützen wollen. Diese Zweischneidigkeit hat einen besonderen Reiz ausgemacht. Ein paar Freunde haben mich sogar angerufen und gefragt: „Bist du verrückt geworden? Bis du gerade manisch oder so?“ Einige haben auch gesagt, dass sie überlegt haben, den Aufruf zu teilen – aber es dann nicht gemacht haben, weil sie mich nicht in die Pleite treiben wollten.

Und du hast irgendwann die Reißleine gezogen und gesagt: „Bei 500 Likes und 100 Organisationen ist erst mal Schluss.“

Ja. Nach einer halben Stunde war klar, dass der Post ein Hit ist, und dann war die Frage: Was mache ich jetzt damit? Ich hätte es auch weiterlaufen lassen und dann irgendwann sagen können: „Das war eine Kunstaktion! Gut, dass wir mal drüber geredet haben, tschüß, schönen Abend noch.“ Dann wären die Leute, die die Idee gut fanden, angepisst gewesen, und die, die eh dachten, dass ich ein schlechter Mensch bin, hätten sich bestätigt gefühlt. Aber lieber wollte ich das Versprechen einhalten – und dafür musste ich es einfach begrenzen. 50.000 Euro sind immerhin mehr Geld als ich jemals hatte.

"Ich hoffe, dass das Menschen dazu inspiriert, sich auch mal was zu trauen, was unbequem ist"

Du hast jetzt eine Liste mit allen Organisationen erstellt, die in den Kommentaren genannt wurden, und arbeitest die von oben nach unten ab – und du bietest an, dass man eine Organisation „nach oben voten“ kann, indem man eines deiner Bücher kauft. Ist das Ganze also auch eine Werbe-Aktion für dich?

Als Person, die in der Öffentlichkeit steht, läuft man immer Gefahr, dass man scheinbar Werbung für eine Spendenaktion macht, aber eigentlich macht die Spendenaktion Werbung für einen selbst. Darum fand ich so was bisher immer schwierig und habe die Finger davon gelassen. Aber jetzt habe ich, glaube ich, ein ganz gutes Maß gefunden. Ich nenne es ja immer noch nicht „Die große ‚Spitzer hilft‘-Aktion“, sondern habe versucht, dass so dezent wie möglich zu machen. Dass die Hilfe im Vordergrund steht und nicht mein Name.

Du hast auf deiner Webseite einen langen Erklär-Text zu der Aktion geschrieben. Die Botschaft darin lautet vor allem: „Hab keine Angst!“ Wieso?

Den Facebook-Post habe ich abgesetzt, ohne zu wissen, was passieren wird, und mit dem Wissen, dass das für mich ein sehr langes, sehr nervenaufreibendes Nachspiel haben könnte. Ich hoffe, dass das Menschen dazu inspiriert, sich auch mal was zu trauen, was unbequem ist, oder sich was vorzunehmen, was sie eigentlich gar nicht schaffen können.

Du hast ja schon angefangen zu spenden. Wie fühlst du dich damit?

(lacht) Gestern hatte ich mal so einen Moment, da lief ich durch die Stadt, die Sonne kam raus und ich habe so was wie Glück in meiner Brust gespürt. Das war ein cooler Moment. Andererseits war ich aber auch irritiert, dass Leute den Post mit dem Kommentar geteilt haben, dass ich ein „guter Mensch“ sei. 

Ist doch schön, oder nicht?

Ja, klar hat mich das gefreut. Aber das war für mich jetzt keine spektakuläre Erkenntnis. Ich weiß ja, wie ich bin.

Wie lange wird es dauern, bis deine Spenden-Schulden abgetragen sind?

Das hat natürlich auch damit zu tun, wie viele sich melden und mitmachen. Aber es wäre natürlich toll, wenn wir es bis Freitag schaffen, 50.000 Euro zusammen zu kriegen. Das wäre doch eine schöne Botschaft für Weihnachten: Schau mal, was man mit einem einzelnen Facebook-Post schaffen kann! Und dass man nur mit gutem Beispiel vorangehen muss, und dann kommen die Leute schon und machen einfach mit.

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