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Eskalation an der Elfenbeinküste

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Cote d’Ivoire leidet unter einer Dauerkrise. Seit 2002 ist die ehemalige französische Kolonie in Westafrika gespalten. Im Süden regiert Präsident Lauren Gbagbo, der Norden wird von Rebellen kontrolliert. Zusätzlich zu dem brutalen Bürgerkrieg kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu massiven Ausschreitungen gegen die französische Bevölkerung der Elfenbeinküste. Seit 2004 sind mehrere Tausend Soldaten unter UN-Mandat an der Elfenbeinküste stationiert. Sie versuchen, den Friedensprozess dort zu unterstützen. Im Herbst vergangenen Jahres lief das Mandat der parlamentarischen Abgeordneten sowie der Regierung Gbagbo aus. Auf Grund der Krisensituation verschob Gbagbo, der seine Macht zum großen Teil auf Jugendorganisationen stützt, im Einvernehmen mit der UNO die Wahlen. Seine Anhänger fassten das als Angriff gegen die Regierung auf. Tagelang lieferten sich Jugendliche in Abidjan eine Schlacht mit den Blauhelmen. Seit ein paar Tagen hat sich die Situation wieder beruhigt, unsicher bleibt sie weiterhin.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie bist du nach Deutschland gekommen? Ich war zum ersten Mal 1998 hier. Damals nahm ich an einem Studienprojekt in Bielefeld teil und lernte dabei meinen jetzigen Professor kennen. Mir gefiel die Art und Weise, wie hier gearbeitet wird. Nach meiner Rückkehr nach Abidjan schrieb ich sehr viele Anträge, um hier promovieren zu können. Schließlich bekam ich zuerst ein Stipendium vom Land Thüringen und später vom Deutschen Akademischen Austauschdienst. Bist du froh über deine Entscheidung? Als ich mich entschied nach Deutschland zu gehen, wusste ich natürlich nicht, dass sich an der Elfenbeinküste eine Krise von solchem Ausmaß entwickeln würde. Aber allein schon wegen der Arbeitsbedingungen ist es natürlich gut für mich, hier zu sein. Mir stehen ein eigener Computer und eine riesige Bibliothek zur Verfügung. In Abidjan wäre das anders. Außerdem habe ich hier meine Ruhe. Dafür liest du jeden Tag, dass sich in deiner Heimatstadt die Menschen mit den UNO-Soldaten Schlachten liefern. Und das macht mich sehr traurig. Gerade in der letzten Woche habe ich mich so schlecht wie nie gefühlt. Es ist ein unmögliches Gefühl hier zu sitzen und nichts tun zu können. Woran liegt es denn deiner Meinung nach, dass die Situation so eskaliert ist? Für mich sind das Problem in Côte d’Ivoire die Franzosen. Sie wollen einfach nicht einsehen, dass wir schon lange nicht mehr ihre Kolonie sind. Seit Jahrzehnten leben Zehntausende von ihnen in unserem Land. Alle großen Konzerne und praktisch die gesamte Energieversorgung sind in französischer Hand. Frankreich nimmt massiven Einfluss auf die ivorische Innen- und Außenpolitik. Jetzt haben wir einen Präsidenten, der sich dem entgegen stellt. Deswegen will die französische Regierung ihn natürlich loswerden. Als Gbagbo im Herbst 2005 die Wahlen verschoben hat – wie es das Gesetz in Côte d’Ivoire vorschreibt – war das der gefundene Anlass, seine Politik in Frage zu stellen. Die UN haben deshalb empfohlen, so schnell wie möglich Wahlen abzuhalten. Was hat das mit Frankreich zu tun? Die UNO ist in Cote d’Ivoire da, um den Friedensprozess zu sichern. Dafür sollte sie sich aber unparteiisch verhalten. Stattdessen mischt sie sich in die Innenpolitik ein – nach französischem Interesse. Gbagbo ist international aber auch wegen den Ausschreitungen seiner Anhänger gegenüber Ausländern an der Elfenbeinküste umstritten. Und das ist eine große Ungerechtigkeit. Ja, seine Anhänger haben Franzosen angegriffen. Aber sie sind eben wütend. Es gibt aber keine Beweise dafür, dass Gbagbo dafür verantwortlich ist. Hier in Europa glauben immer alle, dass die Afrikaner wie Kinder sind – unfähig zu eigenen Entscheidungen. In Wirklichkeit sind die Proteste und Ausschreitungen spontane Reaktionen, die ganz unabhängig vom Präsidenten statt finden. In erster Linie geht er der UNO allerdings um die Wahrung der Demokratie. Schließlich geht Gbagbos Regierung ziemlich brutal gegen ihre Gegner vor. Die Rebellen sind aber ungleich grausamer – und sie haben keine Legitimation. Es gab keinen Grund für sie, in die Opposition zugehen und jetzt schlachten sie jeden Tag die Menschen ab wie die Tiere. Ich habe die Bilder gesehen – und ich kann nicht verzeihen, was man den Leuten in meinem Land antut. Deswegen stehe ich nach wie vor zu Gbagbo. Du verstehst also die Leute, die gegen die Vereinten Nationen auf die Straße gehen? Ja. Wäre ich jetzt in Abidjan, würde ich auch protestieren. An sich ist an so einer Empfehlung ja nicht schlimmes. Und es hat schon seinen Vorteil, dass die UN-Soldaten in Cote d’Ivoire sind. Aber nicht, wenn sie sich wie eine Kolonialmacht verhalten. Im Jahr 2004 haben französische Truppen zum Beispiel unsere gesamte Kampfjäger-Flotte zerstört. Man muss sich mal vorstellen, in Deutschland marschieren auf einmal Blauhelme ein und demobilisiert die Bundeswehr – nur weil die französische Regierung es für richtig hält. Gerade damals ging es doch aber um einen konkreten Konflikt. Immerhin hatte die ivorische Luftwaffe die Waffenruhe mit den Rebellen gebrochen. Das war aber mit Frankreich abgesprochen, um die Milizen im Norden zu entwaffnen. Dann hieß es nach ein paar Tagen, dass dabei Franzosen angegriffen worden waren – auch nur ein Vorwand, um die Regierungstruppen zu demobilisieren. Was wäre deiner Meinung nach die richtige Lösung? Das Beste für alle wäre, wenn die internationalen Truppen abziehen würden. Denn wir können uns mittlerweile ganz gut um unsere eigenen Probleme kümmern. Hast du Angst vor deiner Heimkehr? Auf jeden Fall mache ich mir Sorgen, wie es an der Elfenbeinküste weiter gehen soll. Ich will definitiv im Herbst zurückfliegen und habe in Abidjan auch schon ein Stellenangebot. Doch so unsicher wie die Verhältnisse dort sind, ist es sehr schwer, zu planen. An der Elfenbeinküste gibt es viele Probleme. Aber sie bleibt meine Heimat. Deswegen möchte ich wieder dorthin und helfen, die Probleme zu beseitigen.

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