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„Es muss eine klare Zuordnung geben“

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Die Doktoranden an deutschen Hochschulen haben es nicht leicht. Obwohl sie einen wichtigen Bestandteil des Universitätsbetriebs bilden und gute Arbeit leisten, sind sie in den Landeshochschulgesetzen nicht als gesonderte Gruppe erfasst. Dadurch kann ihre soziale Rechtslage je nach Universität sehr unterschiedlich sein. An manchen sind sie Teil des akademischen Mittelbaus, an anderen haben sie den Status eines Studenten, in manchen Grundordnungen wiederum werden sie gar nicht erst genannt.

Deswegen sind die Promovierenden  als Gruppe nur schwer fassbar zu machen und haben dementsprechend auch kein Mitspracherecht in Form einer demokratischen Vertretung. Sie sind untereinander nur leidlich vernetzt und werden so je nach Hochschule völlig unterschiedlich behandelt, in vielen Fällen ungerecht.  

Obwohl die Probleme schon lange offensichtlich sind und die Hochschulkonferenz bereits 1996 auf die schwierige Lage der Doktoranden hinwies, hat sich bisher so gut wie nichts getan. Die von der Tatenlosigkeit der Politik mittlerweile frustrierten Doktoranden  haben sich nun zusammengetan und einen offenen Brief an die Landesregierungen verfasst. Ein Interview mit Andreas Hartmann, Mitglied der Promovierenden-Initative. Er selbst promoviert in Hydrologie an der Uni Freiburg.  

Welche Forderungen stellt ihr in eurem offenen Brief?
Hartmann: Wir fordern die Einführung eines eigenen Status für Promovierende in den Landeshochschulgesetzen. Bisher herrscht da ein absolutes Durcheinander, wir werden entweder dem akademischen Mittelbau, den Studierenden oder gar keiner Gruppe zugerechnet. Daraus entstehen die Probleme wie fehlendes Mitspracherecht oder sozialversicherungs- und arbeitsvertragstechnische Schwierigkeiten, es muss eine klare Zuordnung geben.  

Wie wirkt sich diese Situation zwischen den Stühlen auf deinen Alltag als Doktorand aus? Ich bin Stipendiat und zahle bisher keine Steuern und kein Geld in die Arbeitslosenversicherung oder Rentenkasse ein. Außerdem muss ich mich selbst um meine Krankenversicherung kümmern. Die stuft mich wegen des fehlenden Status für Promovierende als „freiwillig versichert“ ein. Deshalb muss ich jeden Monat 180 Euro an die Versicherung abgeben und falle damit unter die Armutsgrenze, was einem Promovierenden mit Arbeitsvertrag sicher nicht passieren würde. Wenn ich nach meinem Stipendium nicht sofort eine Arbeit finde, würde ich sofort in Hartz IV fallen, weil ich nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe. Promovierende, die sich nicht über ein Stipendium oder Arbeitsvertrag finanzieren gelten sogar schon während ihrer Promotion als arbeitslos.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Andreas Hartmann (32), Promovierender an der Universität Freiburg

Die Probleme wurden immer wieder thematisiert und die Lösungsansätze scheinen umsetzbar, warum passiert aber seit Jahren offensichtlich nichts? Meiner Meinung nach weiß einfach niemand genau, wie viele Promovierende es in Deutschland überhaupt gibt. Die Promovierenden werden zu Beginn ihrer Arbeit nicht automatisch registriert, nur eingeschriebene Promovierende, oder solche mit Arbeitsvertrag. Da es  deshalb keine Daten über die tatsächliche Zahl der Promovierenden gibt ist den Politikern nicht klar, welche Wählerstimmen oder Gruppe überhaupt hinter den Forderungen steht. Wir werden also bisher einfach nicht wahrgenommen. Das liegt auch daran, dass die Promovierenden bisher nur schlecht vernetzt sind. Es gibt keine  Vertretung, weder auf Fakultäts- oder Uniebene, noch landes- oder bundesweit.  

Lohnt es sich für die finanziell oder ähnlich, diesen Zustand der Doktoranden zwischen den Stühlen aufrecht zu erhalten? Hier in Baden-Württemberg ist die Landesregierungen sind so zaghaft, weil sie Angst haben, dass andere Gruppen nun bald auch einen eigenen Status verlangen könnten, was auch immer Zeit und Geld kostet. Es hat allerdings wohl kaum eine Gruppe ähnliche Probleme wie wir. Manche Rektoren sehen auch zusätzliche Arbeit auf sich zu kommen oder wollen ihre Grundordnung nicht überarbeiten.  

Sind die Rektoren und Professoren auf Seite der Promovierenden? Unser Rektor hier in Freiburg hat uns Unterstützung zugesichert, der Dekan hat den offenen Brief persönlich an seine Mitarbeiter weitergeleitet und beworben. Für sie hat das durchaus Vorteile, die Qualität der Promotionen würde ja durch einen besseren Informationsaustausch und klarere Regelungen verbessert. An anderen Unis aber befürchten die Professoren dass mit einer Registrierung aller Doktoranden auch die hohen Abbruchrraten wegen der übermäßig hohen Promovierenden pro Professor ans Licht kämen. Wegen der Kürzungen im akademischen Mittelbau sind die Professoren aber auf viele Promovierende angewiesen, die sie allerdings nur unzureichend betreuen können.  

Die Forderungen richten sich an die Landesregierungen, gibt es an den Universitäten schon eigene Ansätze zur Verbesserung der Lage? In einigen Städten haben sich bereits Promovierendenvertretungen gegründet, die Mitsprachrecht an den Universitäten fordern. Das sind aber meistens selbstorganisierte Parallelstrukturen. Ob die dann wirklich mitreden können, hängt allerdings von der Sympathie der Hochschulleitung ab. Langfristig muss also eine verbindliche Regelung im Landeshochschulgesetz her.

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