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"Es ist tatsächlich richtige Arbeit"
jetzt.de: Ivo, in welche Länder bist du schon gereist?
Ivo Gorisch: Aktuell war ich in Kolumbien, dann in Brasilien, in den USA, in Nigeria, in China. Die letzten vier Tage war ich innerhalb Europas unterwegs, in Dänemark, Irland, Belgien und viel in Deutschland.
Hattest du eine bestimmte Vorstellung vom Job des Flugbegleiters, bevor du damit angefangen hast?
Ich hatte in meiner Jugend einen Bekannten, der Flugbegleiter war und immer sehr viel erzählt hat. Da bleibt natürlich viel hängen, was man so macht, wo man hinkommt, welche Menschen man trifft. Das hat ein bestimmten Bild in meinem Kopf erzeugt, das mich nicht mehr losgelassen hat, bis ich es gemacht habe.
Deckt sich deine Arbeit denn mit diesen Vorstellungen?
Es sind natürlich sehr romantische Vorstellungen. Dass man mal eben zum Shoppen nach New York fliegt, während man dafür bezahlt wird, oder dass man in seiner Arbeitszeit in Kenia am Strand liegt. Es stimmt schon, dass man sehr viele fremde Länder sieht, viele Kulturen kennenlernt und viel mit Menschen in Kontakt ist, aber der Alltag ist schon ein anderer. Es ist tatsächlich richtige Arbeit, anders, als viele sich das vielleicht vorstellen.
Wie sah deine Ausbildung aus?
Die Ausbildung ging über drei Monate. Es gab Service-Bestandteile für die Arbeit an Bord, aber der sehr viel größere und wichtigere Teil bestand aus Emergency-Training. Wir brauchen für jedes Flugzeug, in dem wir fliegen, eine Lizenz, darauf wurden wir trainiert und mussten auch eine Prüfung ablegen.
Die reguläre Ausbildungszeit beträgt nur drei Monate?
Es ist ja keine Berufsausbildung, weil Flugbegleiter kein Beruf ist, sondern leider nur eine Tätigkeit.
Was bedeutet das?
Ein Beruf setzt eine vom Gesetzgeber anerkannte Ausbildung über zwei oder drei Jahre voraus. Die drei Monate und auch die Zeit, die wir danach arbeiten, reicht dem Gesetzgeber nicht aus und Flugbegleiter ist darum nicht als Beruf im klassischen Sinne anerkannt.
Früher wurde bei Flugbegleitern viel Wert auf das Äußere gelegt, man musste eine bestimmte Größe und eine bestimmte Figur haben. Wie ist das heute?
Ganz grob gibt es diese Vorgaben immer noch. Die dürfen natürlich auf Grund des Gleichbehandlungsgesetzes und Artikel drei des Grundgesetztes nicht mehr so sehr angewandt werden. Das wird dann in der Stellenausschreibung einfach etwas netter formuliert, da steht dann "Größe und Auftreten müssen zueinander passen".
Ein klassischer Frauenberuf ist es aber nicht mehr, oder?
Ich würde sagen, wir sind 60 Prozent Frauen und 40 Prozent Männer. Wenn man sich allerdings die Chefflugbegleiter anschaut, kehrt sich das Verhältnis eher um. Die Vorgesetzten in der Kabine sind in der Regel Männer.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ivo Gorisch
Was ist der größte Vorteil an deinem Job und was der größte Nachteil?
Man ist sehr flexibel und kann sich für den Einsatzplan bestimmte Flüge oder Ziele wünschen, aber auch bestimmte Tag, an denen man Zuhause sein möchte, weil jemand Geburtstag hat oder heiratet. Das macht uns sehr unabhängig. Das ist gleichzeitig aber auch ein großer Nachteil, weil wir immer einsetzbar sind und auch schon mal Weihnachten fliegen müssen.
Wirkt sich das auf dein Privatleben aus?
Ja. Freundschaften müssen wirklich gepflegt werden, damit sie erhalten bleiben. Und Beziehungen sind bei uns Mangelware.
Wie viel Zeit hast du jeweils an den Zielen?
Das kommt darauf an, ob es eine Langstrecke oder eine Kurzstrecke ist. Wenn man Sonntagabend in Dublin aussteigt, fährt man ins Hotel und Montagfrüh geht es weiter. Auf Langstrecken kommt es darauf an, wie lang der Flug konkret ist und wie viel Zeitverschiebung es gibt. In São Paulo zum Beispiel bleibt man zweieinhalb Tage.
Und du bist trotz der Zeitverschiebung fit genug, dir am Ziel etwas anzuschauen?
Ja, das ist Training. Inzwischen kann ich immer schlafen, egal, ob es draußen hell oder dunkel ist. Am Anfang war das schwieriger. Die erste Zeit war ich sehr viel in China und bin da nachts um drei aufgewacht und saß bis morgens um neun wach. Wenn ich Pech hatte, musste ich dann anfangen zu arbeiten.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Die Crew, die den Flug macht, trifft sich ungefähr zwei Stunden, bevor er stattfindet. Dann besprechen wir uns, reden über Besonderheiten und sicherheitsrelevante Themen: Auf welchem Flugzeugmuster bin ich, was kann da passieren, wie müsste ich im Falle eines Falles reagieren? Dann bereiten wir das Flugzeug vor, da wird noch mal eine Sicherheitscheckliste abgearbeitet, ob alles an Ausrüstung da ist und wir bestücken unsere Trollis, mit denen wir später durch den Gang ziehen. Und dann kommt all das, was man auch sieht, wenn man als zahlender Gast in einem Flugzeug sitzt.
Gibt es oft Konflikte mit Fluggästen?
Ja, wenn wir Verspätung haben, sind die Gäste teilweise schon sehr ungehalten, obwohl wir oft gar nichts dafür können, zum Beispiel wenn das Wetter schlecht ist und wir nicht starten dürfen. Aber man gewöhnt sich an, so etwas nicht so ernst zu nehmen. Ein Gast hat sich mal beschwert, warum es keine Bildschirme an den Sitzen gibt und ich habe ihm gesagt ‚Das brauchen Sie doch gar nicht, schauen Sie einfach uns an, wir sind Ihre Unterhaltung auf diesem Flug'. Als er ausgestiegen ist, hat er gesagt: ‚Eigentlich haben Sie Recht, was soll ich mir einen blöden Film angucken. Ich hatte so viel Spaß dabei, Sie zu beobachten, ich glaube, das mache ich auf dem Anschlussflug auch.' Man kriegt halt ein Händchen dafür, wie man mit den Leuten umgehen muss.
Hattest du jemals Angst im Flieger?
Beim Fliegen selber nicht, dafür habe ich zu viel Vertrauen in die Technik. Angst habe ich zum Beispiel, wenn es Gästen sehr schlecht geht. Vor zwei Monaten ist eine Frau einfach umgefallen und hatte einen Herzstillstand. Wir hatten zum Glück Hilfe eines Passagiers, der medizinische Vorkenntnisse hatte, und haben sie wiederbelebt.
Und wie ist es mit der Angst vor Anschlägen, die seit dem 11. September im Flugverkehr ja größer geworden ist?
Passieren kann so was immer, da mache ich mir einfach nicht so viele Gedanke drüber. Klar, wenn man in Regionen fliegt, wo die Sicherheitslage eine andere ist, dann geht man schon mit einem anderen Gefühl durch den Flieger und schaut, ob sich jemand merkwürdig verhält. Das sollen keine Vorurteile sein, aber ich glaube, davon ist einfach keiner befreit. Wir hatten neulich auch einen Fluggast, der am Boden schon sehr betrunken war, sich mit einer Kollegin ein Wortgefecht geliefert hat und ihren Anweisungen nicht folgen wollte. Da haben wir mit der Crew entschieden, dass wir ihn nicht mitnehmen müssen, weil er in der Luft zu einer Gefahr für uns hätte werden können.
Im anstehenden Streik soll auch das Ende der Leiharbeit an Bord von Lufthansa-Maschinen gefordert werden. Worum geht es da genau?
In Berlin sollte zur Eröffnung des neuen Flughafens ein Unternehmenszweig entstehen, der Flüge zwar mit Lufthansamaschinen durchführt, aber nicht mehr mit Lufthansa-Personal. Eine Zeitarbeitsfirma wurde beauftragt, Flugbegleiter zu suchen, die nur noch für zwei Jahre fest beschäftigt sind, danach jederzeit gefeuert werden können und die zehn Prozent mehr fliegen als der klassische Flugbegleiter. Das Ganze wird in Berlin gerade ausprobiert und soll dann auch an anderen Stationen nach diesem Verfahren laufen, komplett mit Leiharbeitern und einer neuen Billigtochter der Lufthansa. Da soll eine günstigere Kostenstruktur geschaffen werden.
Haben die Billigairlines das Berufsbild des Flugbegleiters verändert?
Das Berufsbild an sich erstmal nicht, weil die Menschen, die sich dort bewerben, das aus den gleichen Gründen tun wie alle anderen Flugbegleiter. Und die machen auch einen großartigen Job. Aber wenn Lufthansa sagt, wir möchten euch billiger beschäftigen und eure Arbeit ist nicht mehr das wert, was ihr gerade bekommt, dann führt das in der Bevölkerung zu einem schlechteren Ansehen des Jobs.
Was würdest du in deinem Job gerne ändern, wenn du könntest?
Ich hätte gerne Planungssicherheit, dass ich weiß und es auch von Lufthansa gewollt ist, dass ich meinen Job bis zu meiner Rente machen kann und soll. Und ich würde mir sehr wünschen, dass man von dem Einstiegsgehalt, das man bei Lufthansa bekommt, ohne Nebenjob leben kann, was gerade nicht unbedingt der Fall ist.