Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

"Es ist kein Pferdefleisch-Skandal, sondern ein Deklarations-Skandal"

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

jetzt.de: Herr Riedl, wie haben Sie als Pferdemetzger den Skandal um das Pferdefleisch in Rindfleisch-Tiefkühllasagnen verfolgt?
Josef Riedl: Ich habe ein Problem mit dem Begriff „Pferdefleisch-Skandal“. Es ist kein Pferdefleisch-Skandal, sondern ein Deklarations-Skandal. Am Anfang kam das in den Medien so rüber, als ob Pferdefleisch schädlich wäre, als könnte man das gar nicht essen, dabei ist Pferdefleisch ein hochwertiges Fleisch.  

Das Fleisch in den Tiefkühllasagnen war aber nicht so hochwertig.
Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass dafür in Rumänien Sportpferde geschlachtet worden sind und im Fleisch womöglich gefährliche Medikamentenrückstände enthalten sind. In Deutschland würden wir Sportpferde gar nicht zum Schlachten bekommen, hier hat jedes Pferd einen Pass, in den jede Medikamentengabe und jede Impfung eingetragen wird. In dem Pass steht auch, ob das Tier zur Schlachtung freigegeben ist oder nicht. Wenn das Tier krank wird und der Tierarzt es behandelt, weiß er, welche Medikamente er einsetzen darf. Im Sportbereich werden viel mehr, zum Teil sehr starke Medikamente eingesetzt. Darum steht bei den Sportpferden automatisch „nicht für die Schlachtung“ im Pass. Private Pferdebesitzer sind viel kritischer. Bevor ein Freizeitreiter seinem Pferd starke Medikamente verabreichen lässt, sucht er nach Alternativen. Außerdem bekommen Freizeitpferde das beste Futter.    

Solche Pferde werden aber nicht für eine Zwei-Euro-Tiefkühllasagne verarbeitet.
Die Verbraucher wollen immer noch billiger einkaufen, irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem das nicht mehr geht. Ich musste so lachen, als ich im Rahmen dieses Skandals in den Zeitungen gelesen habe, dass Pferdefleisch 80 Prozent weniger als Rindfleisch kosten soll. Wenn ich als Pferdemetzger sehe, dass Pferdefleisch so billig angeboten wird, weiß ich sofort, dass da etwas nicht stimmen kann. Für ein ordnungsgemäß kontrolliertes Pferdefleisch zahle ich mindestens genauso viel wie für Rindfleisch. Ich würde jetzt auch nicht sagen, dass man Pferde aus Rumänien nicht essen kann, es müssen nur die Richtlinien eingehalten werden, die in Deutschland gelten. Dafür müssen die Kunden aber auch bereit sein, mehr zu zahlen. Tiefkühllasagne für zwei Euro ist da nicht drin.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wie reagieren Ihre Kunden auf den Skandal?
Im Laden wird viel darüber gesprochen, die Leute fragen natürlich, welche Pferde bei uns verarbeitet werden. Meine Kunden sehen das - im Moment zumindest - locker, die wissen, was sie bei mir bekommen. Ich schlachte seit ein paar Jahren nicht mehr selbst, aber ich habe einen Lieferanten, dem ich absolut vertraue.  

Es gab keine Ladenbeschmierungen oder Beschimpfungen?
Als Pferdemetzger hat man allgemein einen schweren Stand. Es gibt nur noch etwa 100 Pferdemetzger in Deutschland, Schweinemetzger sind es mehr als 20.000. In der Stadt oder in der Ortschaft, in der man zu Hause ist, ist es kein Problem. Wir haben aber jedes Jahr einen Stand auf dem Gäubodenvolksfest, viele auswärtige Besucher kennen das nicht, dass Pferde überhaupt gegessen werden. Da kommt es öfter vor, dass man als Pferdemörder beschimpft wird.  

Weil Pferde bei uns mehr als Haustiere wahrgenommen werden?
Viele Leute, die keinen Pferdemetzger vor Ort haben, vergleichen ein Pferd mit einem Hund, ein Pferd ist für sie wie ein Haustier, dabei sind Pferde schon immer gegessen worden. Ich habe auch viele Kunden, die selbst Pferde haben.  

Woher kommt dann dieser zweifelhafte Ruf?
Wahrscheinlich noch aus Kriegszeiten, da war das Pferdefleisch am billigsten. Nach dem Krieg war es dann als Essen der armen Leute verschrien. Mittlerweile hat es eher den Status einer Delikatesse. Einen kleineren Boom gab es zur BSE-Krise, da hatte ich viel Zulauf, da haben viele auf einmal mit Pferdefleisch gekocht, das hat sich aber schnell wieder gelegt. Viele schätzen es, weil es gesund ist.  

Inwiefern gesund?
Es ist fett- und cholesterinarm und enthält viel Eisen. Den größten Vorteil sehe ich darin, dass Pferde nicht zum Schlachten gezüchtet werden. Bei einem Tier, das zur Schlachtung gezüchtet wird, ist im Hintergrund immer der Druck, möglichst schnell und billig zu produzieren. Es gibt durchaus große Reitställe, aber da ist es nicht so, dass jeden Tag zehn Pferde abgeholt werden, da kommen nur einzelne Pferde aus verschiedenen Gründen zum Schlachter.  

Welche Pferde kommen zum Schlachter?
In Deutschland werden überwiegend Freizeitpferde geschlachtet, die sich zum Beispiel den Fuß gebrochen haben oder altersbedingt zu schwach geworden sind. Ein Pferd ist ein Luxushobby, es kommt oft vor, dass man völlig gesunde Pferde kriegt, weil es sich die Besitzer nicht mehr leisten können. Man kann ein Pferd auch einschläfern lassen. Ich kenne allerdings viele, die das einmal gemacht haben und es nie wieder tun würden, weil es ein langer Prozess ist. Viele sagen auch, dass sie es lieber schlachten lassen, bevor sie es verkaufen und es dann bei den neuen Besitzern schlecht behandelt wird.  

Wie ist das mit dem Pferdeessen in anderen Ländern?
In Frankreich und Italien ist es ganz normal, Pferdefleisch zu essen, allerdings wird dort überwiegend das Fleisch verkauft, nicht so sehr die Wurstwaren wie hier in Straubing. Aber das ist auch in Deutschland ganz unterschiedlich. Ich kenne einen Kollegen aus der Mainzer Gegend, der mich mal besucht hat. In Niederbayern werden vom Pferd überwiegend die Rossknackwürste verkauft, ich mache meinen größten Umsatz damit, verkaufe dafür aber sehr wenig Fleisch. Mein Kollege war ganz schockiert, bei ihm ist es genau umgekehrt, er macht viele Fertiggerichte, auch den Rheinischen Sauerbraten, der traditionell mit Pferdefleisch gemacht wird.  

Welche Pferde isst man eigentlich?
Die Rasse ist beim Pferd eigentlich völlig egal, nur beim Wurstmachen macht es einen Unterschied, weil ein Kaltblut einen höheren Fettanteil als zum Beispiel ein Araber hat. Weißwurst wird aus Fohlenfleisch gemacht, älteres Fleisch wird grau, das würde sich im Laden nicht verkaufen.  

Was macht man noch mit Pferdefleisch?
In allen Rindfleischgerichten kann man statt Rind Pferdefleisch verwenden, Sauerbraten, Gulasch, Rouladen, man muss nur ein bisschen mehr würzen und vor allem mehr salzen. Pferdefleisch ist etwas süßlich, hat aber den großen Vorteil, dass es von der Faserung des Fleisches genau zwischen Rind und Schwein ist, Pferdefleisch wird immer weich beim Kochen.  

Was kann man alles vom Pferd essen?
Vom Pferd kann man das meiste essen, wie vom Rind, auch beim Pferd ist das Filet das beste Stück. Im Sommer kann man es zum Grillen nehmen. Hackfleisch, um das es jetzt bei dem Skandal geht, haben wir noch nie gemacht, da gibt es auch keinen Bedarf. Die Innereien werden für die Hundefutterproduktion verwendet.  

Als Sohn eines Pferdemetzgermeisters gab es bei Ihnen bestimmt auch zu Hause oft Pferdefleisch. Hatten Sie als Jugendlicher nie Mitleid mit den Tieren? 
Bei uns gab es schon auch andere Sachen, aber immer auch Gerichte mit Pferdefleisch. Ich glaube, wenn man damit groß wird, oder auch, wenn man in einem Ort oder einer Stadt mit einem Pferdemetzger aufwächst, stellt man das Essen von Pferdefleisch nicht in Frage. Später ändert sich das auch nur selten. Ich mache mein Geschäft zu 90, wenn nicht 95 Prozent, mit meinen Stammkunden. Pferdefleisch ist so ein Produkt, das man entweder isst - oder eben nicht. 

Text: kathrin-hollmer - Foto: Getty Images

  • teilen
  • schließen