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"Es gibt eine Grauzone"
jetzt.de: Herr Prof. Ohly, werden die Vorträge jetzt, da das Urteil zur Plagiatsaffäre von zu Guttenberg gesprochen wurde, noch einmal schnell umgeschrieben?
Prof. Ohly: Es ist nicht unser Ziel, den Fall zu Guttenberg wieder aufzurollen. Einfach deswegen, weil es wohl keinen Fall des wissenschaftlichen Fehlverhaltens gibt, über den so gründlich diskutiert wurde. Ich nehme aber an, dass der Kollege, der über die Strafbarkeit des Plagiats spricht, sich auch auf die Einstellung des Verfahrens beziehen wird. Davon abgesehen gibt es zu diesem Fall aber wohl nichts Neues zu sagen. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren ausgerechnet in der Woche unserer Tagung einstellt.
Sie werden darüber diskutieren, was wir aus den bisherigen Fällen lernen können. Impliziert das Guttenberg-Urteil nicht, dass Plagiieren letztendlich doch nicht so schlimm ist, wenn man sich dadurch keinen wirtschaftlichen Vorteil verschafft?
Nein, da muss man zwischen der Urheberrechtsverletzung und der Verletzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis unterscheiden. Das Urheberrecht schützt den Urheber und deswegen ist es dort legitim, nach dem wirtschaftlichen Schaden zu fragen. Die Staatsanwaltschaft Hof hat festgestellt, dass den Urhebern, die Opfer des Plagiats waren, kein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Schaden ist hingegen der Wissenschaft insgesamt entstanden. Im Bereich des wissenschaftlichen Fehlverhaltens gibt es aber andere Strafen, da ist die Aberkennung des Doktortitels die Höchststrafe. Und diese Höchststrafe ist gegen Herrn zu Guttenberg verhängt worden.
Wie beurteilen Sie dann persönlich den Fall zu Guttenberg?
Tja, was will man dazu sagen? Das ist ein sehr eindeutiger und sehr ärgerlicher Fall eines massiven wissenschaftlichen Fehlverhaltens.
Wie müsste gute wissenschaftliche Ethik Ihrer Meinung nach aussehen?
Es gibt anerkannte Regeln des guten wissenschaftlichen Verhaltens. Zum Beispiel, dass man nicht aus zahlreichen Quellen viele Seiten abschreiben und als eigenen Text ausgeben darf, wie Herr zu Guttenberg das getan hat. Es geht aber noch vielmehr um die Frage, wie wir es schaffen, dass diese Regeln eingehalten werden. Es geht um Prävention. In den Lehrveranstaltungen an der Universität muss gute wissenschaftliche Praxis eingeübt werden, zum Beispiel wie man zitiert und wie man kritisch mit Quellen umgeht. Es kommt eben nicht nur auf den Inhalt eines Referats, einer Seminararbeit oder einer Doktorarbeit an, sondern auch auf den redlichen Umgang mit Quellen. Und das ist, denke ich, nicht allen Studenten und erst recht nicht allen Schülern klar.
Was bedeutet es konkret, wenn Sie bei Ihrer Tagung die ethischen Rahmenbedingungen auf den Prüfstand stellen wollen?
Es stellt sich die Frage, wo das Plagiat eigentlich anfängt. Der Fall zu Guttenberg war sehr eindeutig, aber es gibt eine Grauzone zwischen dem, was eindeutig ein Plagiat ist und dem, was die erlaubte Übernahme fremder Ideen ist, die man zitiert. Von den naturwissenschaftlichen Kollegen auf der Tagung werden wir vermutlich hören, dass dort nicht das Plagiat das Hauptproblem ist, sondern das Fälschen von experimentellen Ergebnissen. Man muss also nochmal über die verschiedenen Grauzonen reden und gegebenenfalls die ethischen Regeln weiter verfeinern.
Darüber hinaus werden Sie über den Umgang mit Plagiaten im deutschen und ausländischen Hochschulrecht reden. Werden Plagiate in anderen Ländern stärker geahndet und bestraft?
Ich weiß es nicht, deswegen sind wir sehr gespannt, das zu hören. Wir haben einen Referenten, der an der Universität Oxford für die Ahndung wissenschaftlichen Fehlverhaltens zuständig war. Aus den Vorgesprächen weiß ich, dass es dort einige Fälle gegeben hat. Wie das aber im Einzelnen abgelaufen ist, das wollen wir eben lernen. Die Tagung dient nicht dazu zu bestätigen, was wir schon wissen, sondern in eine Diskussion miteinander zu treten und neue Dinge zu erfahren.
Gehen Sie denn an der Universität Bayreuth seit der Guttenberg-Affäre mit der Prüfung von Plagiaten bereits anders um?
Unsere Promotionsordnung wird dahingehend geändert, dass die Doktorarbeit als Datei eingereicht werden muss. Das ermöglicht die Prüfung mithilfe von Plagiatssoftware und war in der Vergangenheit zum Teil gar nicht möglich. Im Übrigen hängt es aber eben auch an jedem Professor selbst. Die meisten Plagiate habe ich persönlich entdeckt, weil ich die Vorlage kannte. Wenn ich bei einer studentischen Arbeit oder bei einer Doktorarbeit Plagiatsverdacht habe, dann erwacht in mir fast eine Art Jägerinstinkt, diesen Plagiatsvorwurf zu überprüfen und die Studentin oder den Student ggf. auch zu überführen.
Die Tagung „Plagiate, Wissenschaftsethik und Geistiges Eigentum“ findet am Freitag und Samstag statt und wird vom Bayreuther DFG-Graduiertenkolleg „Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit“ sowie dem Zentrum für angewandte Rechtswissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie ausgerichtet.
Text: dorothee-klee - Foto: dpa