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„Eine Verkäuferin mit Kopftuch ist für manche Chefs ein Problem“
jetzt.de: Ramzi, du hast die Seite muslimjobs.de gegründet. Brauchen Muslime wirklich eine eigene Jobbörse?
Ramzi Brini: Es gibt viele sehr islamspezifische Jobs in Deutschland. Eine Moscheegemeinde sucht zum Beispiel einen Imam – wohin soll sie sich wenden? An die Arbeitsagentur? Oder eine Fleischerei, die einen Metzger braucht, der Fleisch so herstellt, dass es halal ist, also den islamischen Reinheitsgeboten entspricht. Der Halal-Markt boomt im Moment. Und es gibt noch eine Reihe anderer Jobs, die nicht direkt mit der islamischen Religion zu tun haben, für die aber ebenfalls speziell Muslime gebraucht werden. Als Bademeisterin zum Beispiel.
Als Bademeisterin?
Ja genau. Manche Schwimmbäder veranstalten Extratage für muslimische Frauen und Mädchen. Mittlerweile gibt es in Köln sogar ein Fitnessstudio speziell für muslimische Frauen. Solche Jobs sind natürlich die Ausnahme, aber das zeigt, dass es ziemlich viele Stellen gibt, für die gerade Muslime in Frage kommen. Meine Seite soll ein zentraler Anlaufpunkt dafür sein.
Gibt es einen Bereich, in dem besonders viele muslimische Bewerber gesucht werden?
Jobangebote haben wir in allen möglichen Kategorien, vom Pizzafahrer bis zum Software-Entwickler. Aber besonders viele Anzeigen gibt es im Bereich Erziehung und Pädagogik. Vor einiger Zeit hat zum Beispiel eine deutsche Schule in Kairo inseriert, weil sie jemanden brauchten, der auf Deutsch unterrichten kann, aber eben auch die ägyptische Kultur kennt und sich für sie interessiert. Es gibt in Deutschland einige islamische Kindergärten, die immer wieder bei muslimjobs.de nach Erziehern suchen. Oder Eltern, die eine Tagesmutter oder eine Arabischlehrerin für ihre Tochter brauchen.
Gibt es Jobs, die Muslime nicht machen dürfen?
Ich will nicht für alle Muslime in Deutschland sprechen. Aber es gibt einige, die großen Wert darauf legen, bestimmte religiöse Vorgaben einzuhalten. Zum Beispiel Alkohol zu vermeiden. Das heißt für diese Menschen nicht nur, dass sie keinen Alkohol trinken, sondern auch, dass sie keinen Alkohol servieren oder in irgendeiner Form am Verkauf oder an der Herstellung beteiligt sein möchten. Schweinefleisch, Waffen oder Pornografie wären andere Beispiele für Dinge, mit denen gläubige Moslems bei ihrer Arbeit nicht in Berührung kommen möchten.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die medizinisch-technischen Assistentinnen Gökce Simali (links) und Betül Caliscan tragen bei ihrer Arbeit in einem Lübecker Krankenhaus auf der Radiologie ein Kopftuch. Nicht jeder Arbeitgeber toleriert das. Mit muslimjobs.de sollen sich gläubige Muslime leichter tun, einen Job zu finden, in dem ihre Herkunft oder ihr Glaube respektiert wird oder gleich Einstellungsvoraussetzung ist.
Gab es für dich auch ein Tabu bei der Jobsuche?
Ich bin Informatiker und habe mich nach dem Studium bei einer Firma beworben, die unter anderem Programme für Banken entwickelt. Zinsen sind aber im Islam verboten. Als Moslem nehme ich keine Zinsen und will mich von diesem Bereich fernhalten. Das zweite Bewerbungsgespräch habe ich abgesagt, nachdem ich erfahren hatte, was diese Firma genau machte.
Und jetzt?
Jetzt arbeite ich bei einer anderen Firma als Software-Entwickler, die sehr tolerant ist und wo ich meine Arbeitszeiten flexibel gestalten kann. Als gläubiger Moslem betet man fünfmal am Tag, drei Gebete fallen meistens mitten in die Arbeitszeit. Im Winter liegen die Tagesgebete nahe beieinander. Eines ist um 12 Uhr, eines gegen 14.30 Uhr und noch einmal eines, wenn die Sonne untergeht, so gegen 16.30 Uhr. Ich gehe dann kurz raus zu einer Moschee, die hier ganz in der Nähe ist. Ich darf mich auch für das Freitagsgebet ausklinken. Das Freitagsgebet ist Pflicht für jeden muslimischen Mann. Das macht nicht jeder Arbeitgeber mit.
Man kann ja auch argumentieren, dass Religion Privatsache ist und am Arbeitsplatz nichts zu suchen haben sollte.
Die meisten Arbeitgeber erlauben ihren Mitarbeitern doch auch, zwischendurch Zigarettenpausen zu machen, und das mehrmals am Tag. Warum sollte sich ein Moslem während der Arbeit nicht kurz eine ruhige Ecke zum Beten suchen dürfen? Ich finde nicht, dass man die Arbeitgeber dazu verpflichten sollte, aber es stört ja auch nicht. Man kann sie ruhig höflich darum bitten.
Ist es schwer, einen Arbeitgeber zu finden, der sich darauf einlässt?
Es sieht manchmal so aus. Ursprünglich war meine Jobbörse ja für spezifisch islamische Jobs gedacht wie Imam oder Islamlehrer. Das war die Intention. Aber viele Stellensuchende wollten eigentlich nur einen Job, bei dem sie die Gebetszeiten einhalten oder als Frau das Kopftuch während der Arbeitszeit tragen können. Manche Firmen möchten solche Frauen nicht einstellen, vor allem bei Stellen mit viel Kundenkontakt. Eine Verkäuferin mit Kopftuch ist für manche Chefs einfach ein Problem.
Es gibt Studien, die zeigen, dass Bewerber mit türkischem Namen wesentlich seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden – auch wenn sie genauso gut qualifiziert sind wie andere Kandidaten. Werden Muslime auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt?
Ich persönlich habe diese Erfahrung nicht gemacht, und Diskriminierung war nicht der Grund, warum ich die Seite gestartet habe. Mir gefällt es nicht, diese Opferrolle anzunehmen. Man neigt dann dazu, sich immer und überall diskriminiert zu sehen.
Trägt eine Jobbörse für Muslime nicht zur Abschottung bei, weil Muslime dann vor allem innerhalb ihrer Community nach Arbeit suchen?
Es wäre sehr traurig, wenn das passieren würde. Ich bin total gegen Abgrenzung. Deswegen habe ich die Seite vom ersten Tag an eine „Jobbörse für Muslime und Freunde“ genannt. Jeder kann sie nutzen, völlig umsonst. Es dürfen und sollen auch Nicht-Moslems Jobs anbieten und damit zeigen, dass sie offen sind für muslimische Mitarbeiter. Das ist es ja, was wir uns wünschen.
Text: bernd-kramer - Foto: dpa