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"Eine Teilung Belgiens ist nicht unmöglich"

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Der Rekord ist gebrochen. Mitte Februar war die magische Marke von 249 Tagen erreicht: 249 Tage hat es im kriegszerstörten Irak gedauert um eine neue Regierung zu bilden. Belgien hat diesen Weltrekord gebrochen. Inzwischen ist das Land seit rund 260 Tagen ohne politische Führung. Die Niederländisch sprechenden Flamen im Norden und die französisch-sprachigen Wallonen im Süden Belgiens konnten sich bisher nicht auf eine Koalition einigen. Die Sprachen-Grenze teilt das Land in zwei Gesellschaften. Der Ministerpräsident regiert ohne Mehrheit nur geschäftsführend von Tag zu Tag, der König setzt seit der Wahl im Juni 2010 Vermittler um Vermittler ein. Bisher erfolglos. Manche sagen nun die Teilung Belgiens in zwei Staaten voraus. „Wir schämen uns für unsere Politiker“, sagen Studenten und organisieren Protestmärsche. Sie bringen tausende Menschen auf die Straße, niederländisch- und französisch-sprachige Belgier demonstrieren gemeinsam. Jouwe Vanhoutteghem, Student in Gent und Sprecher der Protest-Organisation Niet in onze naam - pas en notre nom erklärt im Interview, warum die Regierung, so die deutsche Übersetzung der Seite, „nicht in unserem Namen“ handelt.  

jetzt.de: Jouwe, wie lebt es sich in einem Land ohne Regierung?
Jouwe: Wir merken vor allem wie es ist, in einem Land zu leben, in dem versucht wird, die eine Gemeinschaft gegen die andere aufzuhetzen. Im Alltag und durch die Medien wird man ständig konfrontiert mit Klischees über die Menschen auf der anderen Seite der Sprachen-Grenze.  

Der Müll bleibt nicht auf der Straße liegen, die Schulen öffnen - ist eine so lange Zeit ohne Regierung nicht ein Zeichen, dass es eigentlich auch ohne Führung ginge?
Naja, deshalb demonstrieren wir auch nicht für irgendeine Regierung, bloß damit wir eine haben. Wir wollen eine Regierung, die die Interessen des ganzen Landes vertritt, und nicht nur die einer bestimmten Bevölkerungsgruppe.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jouwe

Was sind eure Forderungen?
Mehrere Dinge sind uns wichtig. Wir wollen, dass ein einzelner großer „Wahlkreis“ im ganzen Land eingeführt wird, sodass Politiker sich vor der ganzen Bevölkerung verantworten müssen - und nicht nur „zuhause“. Brüssel, an der Grenze zwischen dem niederländisch- und französischsprachigen Belgien, sehen wir dabei als Vorbild für die Zusammenarbeit zwischen beiden Gruppen. Speziell wir Studenten setzen uns auch dafür ein, dass Schüler beide Landessprachen - sowohl Niederländisch als auch Französisch - lernen müssen.  

Welche Aktionen habt ihr geplant?
Mit einer Kissenschlacht zwischen Tausenden niederländisch- und französisch-sprachigen Studenten auf den Straßen hat im November 2010 alles begonnen. Wir wollten die Absurdität des Streits zeigen. Mitte Februar haben wir dann in mehreren Städten, unter anderem in Gent, Antwerpen und Brüssel, zur „Fritten-Revolution“ aufgerufen. Das war angelehnt an die arabischen Revolutionen - nur eben nicht im Namen eines Jasmin-Strauchs, sondern von landes-typischen Pommes. Tausende Menschen haben mitgemacht. Ende März wollen wir noch mehr Leute auf die Straßen im ganzen Land bringen, ein Höhepunkt soll dann der 8. Mai als „Tag der Solidarität“ werden.  

Denkst du, die Aktionen haben Einfluss auf eine Regierungsbildung?
Wir haben in wenigen Tagen zehntausende Menschen mobilisiert. Das ist ein starkes Zeichen. Außerdem ist es selten, dass niederländisch- und französisch-sprachige Studenten gemeinsame Aktionen starten. Damit sind wir ein lebendes Vorbild, dass eine Zusammenarbeit möglich ist.  

Wie geht es weiter: Kommt bald eine Regierung zustande oder werden aus Belgien zwei Länder?
Inzwischen müssen wir eingestehen, dass eine Teilung nicht unmöglich ist. Es gibt politische Kräfte, die genau das wollen. Aber wir setzen uns für ein anderes Projekt ein: eines mit mehr Solidarität und Zusammenarbeit.

Text: benjamin-duerr - Foto: privat

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