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Ein neues altes Bild von Che Guevara
Welches Bild kennt die Welt heute von Che Guevara? Er begegnet einem überall. Natürlich verliert er als Figur auf Merchandising-Produkten seinen revolutionären Anspruch. Wenn in den 70er-Jahren in einem Jugendzimmer ein Che-Poster hing, konnte man das als relativ klare politische Aussage einordnen. Heute ist das Konterfei auf allen Produkten, die man sich vorstellen kann, und dient dabei gleichermaßen positiver wie negativer Betrachtung. Gibt man „Che vive!“ bei Google ein, kommt man auf Solidaritäts-Seiten, die Che als Vorbild der Jugend feiern. Gibt man „Che is dead“ tauchen genauso viele Seiten auf, in denen sein Kopf durchgestrichen ist und beklagt wird, dass aus einem Mörder ein Idol gemacht wird. Er bewegt jedenfalls immer noch Das ist ja noch eine politische Auseinandersetzung, warum ist Che aber auch eine fast neutrale Popikone? Er bietet sich an, es ist ein markantes Gesicht, gleichzeitig ist für viele heute das Problematische seiner Person vom Tisch. Man belastet sich nicht, wenn man ihn auf dem Shirt herumträgt, man ist nicht gleich Kommunist. Trotzdem gibt es eben noch viele Länder, in denen er mehr ist, als nur eine hippe Ikone. Diese tiefe Verehrung in Lateinamerika hat mich berührt. Da werden immer noch Messen für ihn gelesen, es wird für und an ihn gebetet. Diese Verehrung hat Sie als Künstler dazu gebracht, sich mit Che Guevara zu beschäftigen? Es war eigentlich zunächst das Foto von Alberto Korda. Vor achtzehn Jahren etwa habe ich in der Zeitung gelesen, dass dieses Bild das am häufigsten reproduzierte Bild der Welt ist. Also das, wo Che bei einer Gedenkfeier 1960 in Kuba, mit abwesendem Blick und der typischen Baskenmütze in die Ferne schaut. Das hat mich als Künstler fasziniert, ich wollte wissen, was es so besonders macht, warum die Menschen auf der ganzen Welt es kennen. Bei der Auseinandersetzung damit stieß ich auf das Sterbebild von Freddy Alborta. Es hatte die klare Aussage: Che ist tot. Das Bild von Korda mit dem Untertitel "Che lebt" ist die Antwort darauf. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich das Totenbild mit seiner Ausstrahlung nachstellen muss, um zumindest eine Ahnung davon zu kriegen, worin die Faszination dieses Bildes liegt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das Original von Freddy Alborta. Bitte beschreiben Sie doch mal kurz dieses Foto des toten Che. Es wurde vor genau vierzig Jahren im Krankenhaus von Vallegrande in Bolivien von dem Fotograf Freddy Alborta geschossen und hat eine enorme Ausstrahlung. Es zeigt auf einem Waschtisch aufgebahrt, die Leiche des Che Guevara. Drumherum stehen militärisch gekleidete Personen, die als Hintergrund des Bildes der Welt demonstrieren: Che ist tot. Ein Offizier zeigt auf dem nackten Oberkörper das Einschussloch der Patrone. Und was ist so Besonders daran? Es ist, ob absichtlich oder nicht, auf eine sehr berührende Art komponiert, es hat etwas Sakrales und Andächtiges, von dem man nicht genau weiß, woran es liegt. Der Fotograf hat die Szenerie perfekt dargestellt – es war das Bild seines Lebens, von der Agentur hat er 75 Dollar dafür bekommen. Erst vor kurzem wurde mir bewusst, dass die einzige Person auf dem Bild, die auf den Betrachter blickt, Che Guevara ist. Alle anderen schauen woanders hin, der junge Soldat blickt auf den Vorgesetzten, der Vorgesetzte sieht auf eine andere Person die außerhalb des Bildes und erklärt ihr etwas und so weiter. Nur Che sieht einen an.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Eine Che-Performance von Johannes Schreiber im Jahr 2004 Und was passiert also heute Abend in Bamberg? Wir werden das Foto zum vierten Mal nachstellen. Nachdem ich mit dem Fotografen Gerhard Schlötzer einen Raum in der ehemaligen Bamberger Pathologie ausgeleuchtete habe, werde ich die Personen so platzieren, dass sie in den Raum passen. Dann wird das Bild nachgestellt, eine sehr konzentrierte Aktion. Anfangs lag ich selber als Che auf dem Tisch, habe aber gemerkt, dass es besser ist, wenn ich von außen das Bild komponieren kann. Dann belichten wir zwei Filme mit Mittelformatkamera und ich bin gespannt auf das Ergebnis. Was ziehen Sie aus dieser Performance? Wie lange wollen sie dieses Foto noch nachstellen? Irgendwann wird es ein Ende geben, irgendwann werde ich eine Lösung für mich gefunden haben, es verstehen. Aber dazu muss die Aktion sein, ich will mich damit auseinandersetzen und wissen was dieses Bild in den Köpfen auslöst.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Bild von der aktuellen Performance
Text: max-scharnigg - Fotos: Gerhard Schlötzer