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Ein Australier in Berlin: „Ich kam mit nichts nach Europa“

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jetzt.de: Michael, in einem deiner Songs singst du „I know my star will shine“. Hattest du diese Zuversicht auch, als du Australien für Europa verlassen hast? War keine Angst mit im Spiel? Michael: Schon in Australien bin ich manchmal ziellos herumgezogen, habe oft in den Wohnungen von Freunden auf dem Boden geschlafen. Auch als ich nach Europa kam, hatte ich keine konkreten Pläne, nur die Möglichkeit, ein paar Mal aufzutreten. Ich habe Australien also nicht mit dem Vorhaben verlassen, schon bald meinen Platz in der Welt zu finden. Das einzige, was ich wusste, war, dass ich nicht zurück wollte. Klar hatte ich auch Angst, aber aus dieser Angst entstand eine angenehme Aufregung. Ich glaubte, auf dem richtigen Weg zu sein. Das glaube ich immer noch, und das ist es auch, was ich in dem Lied meine. Jetzt wohnst du in Berlin. Haben sich deine Erwartungen an die Stadt erfüllt? Ich war als Kind schon mal in Europa, weil Teile meiner Familie in England und Italien leben. Deutschland kannte ich noch nicht. Als ich mit meinen Mitmusikern ankam, war gerade die Fußballweltmeisterschaft, und wir haben auf der Fanmeile gespielt. Als die anderen später zurück nach Australien geflogen sind, bin ich einfach in Berlin geblieben. Mich hat die Geschichte der Stadt fasziniert, und natürlich die Freiheit, die man hier hat, gerade als Künstler. Hier kann ich mich für eine halbe Stunde in die Bahn setzen, und schon bin ich mitten in der Natur - nahe Berlin gibt es ja viele schöne Seen. Ich hatte in Australien das Glück, immer nah am Wasser zu wohnen und genieße es natürlich auch hier, wenn ich am Fluss oder an den Seen sein kann. In deinem „Travelling Song“ gibst du den Ratschlag: „I heard your money is up – so put some love in your cup“. Hat dich diese Wandersmannromantik in bestimmten Situationen weitergebracht? Ich kam ja mit nichts nach Europa. Am Anfang war es schon manchmal hart, da hat man dann gemerkt, wie viel die ganz kleinen Dinge im Leben eigentlich bedeuten. Wenn jemand mich offenherzig aufgenommen hat, dann war das für mich viel mehr wert als ein paar Euro mehr auf dem Konto. Ich lebe auch jetzt noch ein einfaches Leben, schlafe mit derselben Gitarre neben meinem Bett, die ich aus Australien mitgebracht habe. Anstatt materiellen Dingen sammle ich lieber Lebenserfahrungen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Michael, im Gras. Auf einigen Radiosendern läuft bereits die Single "Try, try, try" - und dauernd heißt es, das sei der neue Sommerhit. Naja. Mal sehen. Was kann denn jemand, der die australische Tiefenentspannung mit sich bringt, von den gestressten Berlinern lernen? überlegt lange, sagt nichts, lächelt verlegen … also sollten sich die Berliner eher ein Stück von deiner Lockerheit abschneiden? Nein, das wäre unfair, so was zu sagen. Ich meine, wenn das Leben in Berlin nicht so spannend, schnell und bunt wäre, würde ich ja nicht mehr hier sein. Berlin ist im Vergleich mit anderen europäischen Großstädten auch gar nicht so stressig. Selbst in Deutschland gibt es stressigere Orte, Frankfurt zum Beispiel. Wenn man in Berlin flexibel bleibt, kommt man immer gut zurecht. Ich finde sogar, dass Berlin an sich ziemlich relaxt ist. Ich gehe manchmal durch die Straßen und frage mich: Wie können all diese Leute nur überleben? Sobald mal ein bisschen die Sonne raus kommt, sitzen gleich alle im Park und trinken Kaffee - so kommt es mir zumindest vor. In diesen Momenten ist es, als würde in Berlin überhaupt nichts passieren, weil niemand wirklich etwas tut. Das bin ich gar nicht gewohnt. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, morgens um halb acht waren bei uns alle aus dem Haus und kamen erst abends wieder. Vorher kamen wir auch nicht an den Strand oder zum Footballspielen. Du hast mal gesagt, du würdest einem Learning-by-Doing-Prinzip folgen, das jungen Menschen in Europa oft eher fremd wäre. Hier geht’s nach der Schule direkt zur Uni, danach in den Job. Wie war das bei dir? Bei mir war es so, dass ich nach der Schule ein Jahr auf Reisen war und danach zur Uni gegangen bin. Ich habe ein bisschen studiert, dann für einige australische Magazine gearbeitet und später meine eigene Grafikdesign-Agentur aufgemacht. Meine Freunde und ich haben immer alles selbst gemacht und uns nicht von einem vorgegebenen Lebensmuster leiten lassen. Wenn wir zum Beispiel kein Label für unsere Musik gefunden haben, dann haben wir eben unser eigenes gegründet. Wir hatten immer den Drang, unabhängig zu sein. Das ist so eine „Wenn du was willst, hol’s dir selbst“-Attitüde. Was ich zum Beispiel gar nicht machen könnte, ist, sieben Jahre lang zu studieren. Auf der anderen Seite: Wenn man länger studieren kann, dann kann man natürlich auch mal reisen und was von der Welt kennen lernen. Das können australische Studenten meistens nicht. Die müssen drei Jahre ackern, dann sind sie mit der Uni fertig. Aber in dieser Zeit machen sie auch fast nichts anderes, so wie die Bachelor-Studenten. So oder so – es scheint, als würde man in den meisten Studiengängen hauptsächlich bloße Theorien gelehrt bekommen. Den späteren Job lernt man erst dann, wenn man ihn anfängt. „Your Love Grows In The Sunshine“ von Michael Squire erscheint am 25. Juni auf Universal Domestic/Vertigo. Die erste Single „Try Try Try” gibt es ab dem 14. Mai - dann vermutlich auch auf Michaels Website.

Text: erik-brandt-hoege - Fotos: Universal

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