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Die weibliche Art des Snowboardens

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Ein bisschen klein vielleicht, aber sonst sah Nicola Thost, erste Snowboard Halfpipe Olympiasiegerin der Welt, immer aus wie ein Junge. Weite Hose, dicker Anorak, die Skibrille tief über die Mütze gezogen und dazu einen Fahrstil, bei dem die Mädels in den Liegestühlen erschrocken die Luft anhielten und die Jungs erstaunt ihre Snowboardmagazine sinken ließen. Drei Typen Mädchen gab es damals am Berg – und die Nicola. Es gab die Bettys, echte Brettsportlergroupies, die sich in Unterhemden am Pipeende sonnten, gut aussahen, nicht fahren konnten und am Abend den Jungen knutschten, der tagsüber am höchsten gesprungen war. Es gab Mädchen, die gern gut Snowboardfahren wollten, aber meistens ängstlich oben an der Pipe auf ihr Drop-In warteten, während die Jungs von hinten mit viel Schwung über ihre Boards bretterten. Und es gab die Frauen auf den Boards und in den Snowboardmagazinen, in Lack und Leder gepackte Pornofiguren mit viel Busen, Po und Lust, die die Jungs für ihr Bad-Boy-Image brauchten. Im Grunde war Snowboarden ein Männersport, mit Frauen am Rand und auf der Party. Nur die Nicola, die fuhr wie ein Junge und deshalb außer Konkurrenz. Lustig also, dass gerade die, die nie eine klassische Mädchenposition im Snowboardzirkus eingenommen hat, sich nun um ebendiese kümmert. Nach ihrem verletztungsbedingten Karriereende ist Nicola seit eineinhalb Jahren im Women-Marketing bei Burton beschäftigt und organisiert seit diesem Winter Mädchen-Snowboard-Camps. In Mayerhofen, Oberstdorf und in Schweden finden von Ende Januar bis März jeweils eine Woche lang die so genannten „All Girls Camps“ statt. Camps nur für Mädchen „als Plattform, für einen neuen, weiblichen Weg, zu Snowboarden“, sagt Nicola. Schon seit einigen Jahren hat der Snowboardmarkt Frauen entdeckt. Fast jede Firma hat mittlerweile ihre eigene Mädchenkollektion, es gibt Wettkämpfe, wie „Chicken Jam“ oder „Candy Jam“, bei denen nur Frauen starten, und der Marktanteil von Frauen im Snowboardgeschäft ist von 21 Prozent im Jahr 2001 auf 42 Prozent 2005 gestiegen. Nach Jahren, in denen sich in der Pipe bei den Frauen nur wenig verbesserte und die immense Leistungskluft zu den Jungs immer weiter wuchs, wird bei den Olympischen Spielen im Februar in Turin eine ganz neue, starke Mädchengeneration zeigen, dass auch Frauen richtig Pipe fahren können. Die neuen Stars der Szene, vor allem die jungen Amerikanerinnen wie Gretchen Bleiler oder Hannah Teter, werden mit schwierigsten Tricks wie 900er oder McTwists die Jungs zum Staunen bringen. Doch auch bei Freizeitfahrerinnen greift das neue Selbstbewusstsein. „Mädchen lernen leichter mit Mädchen, sie trauen sich einfach untereinander mehr“, erklärt Nicola das Konzept der Mädchencamps. Mit speziellen Coachingmethoden in kleinen Gruppen wird versucht, ohne Druck zu lehren. „Sätze wie: ‚Jetzt komm schon, stell Dich nicht so an’ mögen bei Jungs den Draufgänger rauslocken, Mädchen blockieren sie oft nur“, meint Nicola. Und auch das Abendprogramm unterscheidet sich von gewöhnlichen Camps. Statt immer nur Playstation mit Bier werden Wellnessbäder besucht, statt Pornoheften auch mal die Gala gelesen. Doch keine Angst, Bier wird natürlich auch in Mädchencamps getrunken. Und vielleicht sogar zwischendrin, auch mal kurz über Jungs gequatscht ... Nicola, warum braucht man Snowboardcamps nur für Mädchen? Man braucht sie nicht, aber sie machen für viele Mädels das Snowboarden lustiger. Ich selbst hatte zwar nie ein Problem mit den Jungs und konnte es früher oft nicht verstehen, dass manche Mädels den ganzen Tag nur vor der Pipe saßen und sich nicht getraut haben, reinzudroppen, aber ich hatte halt auch zwei Brüder daheim. Und die hat schließlich nicht jeder ...

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

... Du meinst, die Jungs in der Pipe schüchtern viele Mädchen ein? Ja, das gibt es oft. Deshalb müssen wir Frauen uns gemeinsam stark machen. Mit den Camps wollen wir einer neuen, weiblichen Art zu Snowboarden eine Plattform geben. Was ist das: die "weibliche Art“Snowboard zu fahren? Mädchen sind insgesamt und auch beim Snowboarden eher zurückhaltend und „elegant“ als übermütig, Vollgas , kraftvoll. Desweiteren ist es Mädels eher wichtig, wie sich sich selbst beim Snowboarden fühlen und nicht, ob sie den „approved“-Stempel von den Jungs haben. Es geht nicht permanent um Competition - höher stylischer weiter krasser, sondern um Spaß im Schnee und das Gesamterlebnis am Berg an sich. Stören Dich die vielen nackten, in sexistischen Posen gezeigten Frauen und der ganze Pornowahn, der die Snowboardmagazine immer noch dominiert? Das ist natürlich eine riesen Herausforderung im Women-Marketing, es mit diesen Frauenbildern aufzunehmen. Selbstverständlich werden viele Mädchen davon abgeschreckt, weil sie sich in so einer Szene einfach nicht richtig ernst genommen fühlen. Aber im Ende liegt es an uns Frauen, gegen diese billigen Bilder einfach den Mund aufzumachen. Woran liegt es, dass Mädchen insgesamt immer noch so viel schlechter Snowboardfahren als Jungs? In den letzten Jahren hat sich das Mädchenniveau wahnsinnig verbessert. Aber es gibt natürlich physische Unterschiede und psychologische. Die meisten Mädchen sind einfach ängstlicher als Jungs generell. Ängstlicher und unsportlicher. Was ist aus der alten Betty geworden? Ach, die gibt’s schon auch noch. Ich konnte das noch nie nachvollziehen, was an dem „an der Pipe rumstehen“ , Board durch die Gegend tragen und Jungs anhimmeln so interessant ist – aber das ist Snowboarden - jeder einfach wie er gern mag. Am Sonntag startet das zweite Camp, in Mayrhofen (Österreich). Mehr über Nicola gibt es auf ihrer Webseite nicolathost.de

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