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Die Sache mit der Außenwirkung. Calvin Harris im Interview
Das wirkt dann doch obskur: Calvin Harris, dem deutschen Hörer vornehmlich vom Radiohit "Acceptable In The 80s" bekannt, klopft auf den farbverschmierten Händen leicht bekleideter Frauen herum, die in einer Mehrzweckhalle stehen und miteinander und mit irgendwelchen Musikinstrumenten verbunden sind. Ein "Humanthesizer", also ein menschlicher Synthesizer ist das, der mit dem Harris-Song debütierte, was von seiner Plattenfirma mit stolzgeschwellter Brust der Außenwelt kommuniziert wurde. Ihm selbst scheint's eher unangenehm zu sein, darauf angesprochen zu werden. Andererseits ist der 25-Jährige, dessen Album "Ready For The Weekend" in Großbritannien sofort auf die Spitzenposition der Albumcharts schoss, einer, der die Dinge nicht sonderlich ernst zu nehmen scheint.
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jetzt.de: Calvin, eben habe ich mir dieses "Humanthesizer"-Video angeschaut. War das deine Idee? Calvin Harris: Nein, nein. Ich bin eher so etwas wie das kleine Haustier der Erfinder. Die überredeten mich, da mitzumachen. Ich habe nichts mit seiner Erfindung zu tun, auch nichts mit seiner Prämisse. Und vor allem habe ich nichts damit zu tun, dass die Mädchen alle Bikinis tragen. So ganz zufrieden klingst du nicht. Ach, man hätte da viel mehr draus machen können. Ich in einem Laborkittel und mit einer dicken Wissenschaftler-Brille, die Frauen in total seriösen Anzügen, das hätte viel besser gewirkt. So, wie das umgesetzt wurde, sieht das doch aus wie ein verdammtes Eric-Prydz-Video. Und das fällt natürlich auf mich zurück. Als ob ich gesagt hätte: Geil! Frauen in Bikinis! Das ist nicht, worum es bei meiner Musik geht. Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, worum es bei meiner Musik geht.
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Immerhin war "Acceptable In The 80s" Titelsong von "Germany's Next Topmodel", einer Show, die sehr viel mit Frauen in Bikinis zu tun hat. Das stimmt, aber das sind Sachen, die die Plattenfirma entscheidet. Aber so etwas ist im Übrigen völlig in Ordnung. Wenn du einen Song in einer so großen Show platzierst, oder in einem Werbespot oder einem Computerspiel, dann hast du ein paar Tage später einen schönen Scheck in der Post. Es ist so eine Art Prostitution, aber das geht klar. Solange es keine Werbung für Windeln oder Senioren-Unterhosen ist. Allzu wichtig scheinst du die Wahrheit ohnehin nicht zu nehmen: Letztes Jahr verbreitete dein Label die Mitteilung, du hättest dein neues Album im Gepäckchaos am neuen Terminal 5 in London Heathrow verloren. Ein paar Monate später kam raus: alles gelogen! Ja, das war eine sehr kalkulierte Aktion, die aber einen durchaus ernsthaften Hintergrund hatte. Wir flogen nach Miami - der Abgabetermin für das neue Album war acht Wochen später. Ich hatte aber noch nicht einmal damit angefangen. Ich wusste, ich musste die Leute irgendwie auf mich aufmerksam machen. Zeigen, dass ich noch lebe, dass mich mein Label nicht gedroppt hat und ich an der Arbeit für die zweite Platte bin. Ich überlegte mir also diese Geschichte, meine Pressedame bei Columbia fand sie sofort super. Wir stellten sie also in meinen Myspace-Blog, und eine Menge Zeitungen schrieben sie ab. Besitzt die Geschichte wenigstens ein Körnchen Wahrheit? Aber natürlich. Die Koffer, die wir damals eincheckten, die gingen wirklich verloren. Wir hingen eine Woche ohne viel Kleidung in Miami rum. Aber meinen Laptop hatte ich natürlich im Handgepäck. Wer checkt bitte seinen Laptop ein? Trotzdem bleibt's eine Lüge. Hast du so etwas wie ein schlechtes Gewissen? Nein! Die Presse liebt solche Geschichten doch! Jeder liest das und spricht darüber. Ob das jetzt die Wahrheit ist oder nicht, ist völlig irrelevant. Popmusik hat mit der Oberfläche zu tun, mit dem, was im Fernsehen stattfindet, was du im Internet liest. Das, was im Hintergrund passiert, ist entweder langweilig oder so absurd, dass du es unmöglich weiter erzählen kannst. Außerdem erfindet die Presse vermutlich mehr Geschichten als wir Künstler. Was ist die schönste Ente, die jemals über dich in der Zeitung stand? Ich hatte eine ganze Seite in der Boulevardzeitung News Of The World. Da wurde behauptet, dass Kylie Minogue und ich jetzt zusammen wären. Das Problem: Wir waren natürlich überhaupt kein Paar. Ich produzierte Songs für sie, war mit ihr im Studio, das war alles. Es war eine dicke, fette Lüge. Und ich hatte plötzlich meine Mom am Telefon, die sich beschwerte, dass ich ihr gar nichts von meiner neuen Freundin erzählt hätte! Aber das ist doch irgendwie ganz lustig. Ja, nervig sind andere Dinge. Ich mag es beispielsweise nicht, wenn ich falsch zitiert werde. Ich verwende die Worte, die ich verwende, sehr bewusst. Und wenn ich dann irgendwelche Ausdrücke lese, die ich in einem gewissen Zusammenhang einfach nicht sagen würde, nervt es mich einfach. Selbst, wenn der Sinn der gleiche ist, eine andere Wortwahl kann dich wie einen absoluten Idioten wirken lassen, vor allem, wenn das dann noch einmal falsch abgeschrieben wird. Zuletzt fragte mich zum Beispiel eine Zeitung, mit wem ich gerne einmal zusammenarbeiten würde. Das kommt wirklich in jedem Interview. Ich sagte "Robbie Williams", machte aber durchaus klar, dass ich die Frage nicht mag und eben irgendeinen Namen nenne. Und am nächsten Tag stand's überall. Wenn man deinen Twitter-Account folgt, hat man den Eindruck, dass dir Deine Außenwirkung recht egal ist. Zuletzt hast du zum Beispiel das Foto eines leicht aus der Form geratenen Schokobonbons gepostet, vorher ein Hühner-Sandwich, das auf einer Box mit der Aufschrift "Morrisey" liegt. Das war nicht irgendein Schokobonbon, sondern das längste Malteser (englische Süßigkeit, vergleichbar mit M&M, die Red.) der Welt. Und die Sache mit Morrissey war echt total lustig. Wir arbeiteten in diesem Studioraumkomplex, in dem auch Morrissey probte. Und da lag eben unten im Flur dieses Flightcase, auf dem "Morrisey" stand. Also falsch geschrieben, obwohl es definitiv seins war. Ich legte also ein Hühnersandwich drauf, fotografierte es und lud das Bild bei Twitpic hoch. Was glaubst du - bekommt Morrissey so etwas mit? Ich hoffe nicht. Er versteht, was diese Vegetarier-Sache angeht, wohl nicht besonders viel Spaß. Ich denke, er ist der Typ, der dich womöglich verklagen würde. Aber wir bekamen schon kurze Zeit, nachdem wir das Bild hochgeladen hatten, eine Mail von einem entrüsteten Fan. "Ihr seid sogar zu blöd, seinen Namen richtig zu schreiben."
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
"Ready For The Weekend" von Calvin Harris ist letzte Woche bei erschienen