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Die Rettung der Poesie. Und Blödsinn.
jetzt.de: Im Vorwort zu deinem Buch schreibst du, dass es dir wichtig sei, darauf hinzuweisen, dass du das Buch nicht ausschließlich aus Eitelkeit und Selbstdarstellungssucht veröffentlichst. Warum ist dir dieser Hinweis wichtig?
Bjarne Mädel: Das Wort „ausschließlich“ gehört in diesem Zusammenhang betont, denn wenn ich überhaupt keine Eitelkeit besäße, hätte ich das Buch gar nicht erst zu veröffentlichen brauchen. Natürlich freue ich mich, wenn es ein paar Leute lesen. Aber wenn der einzige Grund für die Veröffentlichung darin gelegen hätte, bekannter zu werden und Geld zu verdienen, wäre das ein bisschen wenig gewesen.
Du hast auch gereimt: „Es ist doch wirklich wie ein Fluch/jeder Promi schreibt ein Buch.“ Dir scheint dieser Umstand also durchaus ein bisschen unangenehm zu sein.
Ja, ist es auch – deshalb findet sich das Gedicht „Selbstertappung“ auch direkt hinten auf der Buchrückseite wieder, denn ich nehme das durchaus selbstironisch wahr. Aber ich fände es schade, deshalb sofort in eine Schublade gesteckt zu werden. Mir ist natürlich bewusst, dass es etwas mit meinem Bekanntheitsgrad zu tun hat, dass dieses Buch veröffentlicht wird.
Geht mit dieser Veröffentlichung nun ein Traum für dich in Erfüllung, nachdem du während deiner Studienzeit tatsächlich mal vorhattest, Schriftsteller zu werden?
Damals hatte ich natürlich etwas anderes im Kopf, aber klar: Ich bin schon stolz auf die Gedichte. Und wenn jetzt jemand daherkommt und sagt: „Pah, so blöde Vierzeiler – das kann ich auch“, dann finde ich das gut und sage: „Mach doch!“ Ich würde es toll finden, wenn Leute wieder anfangen, mehr über Sprache nachzudenken oder mit ihr zu spielen. Man sollte das aber nicht unterschätzen. Als ich mit dem Schreiben angefangen habe, hatte ich immer den Satz im Hinterkopf: Lakonie ist machbar. Es soll ja immer alles ganz leicht wirken. Aber das ist manchmal verdammt schwer.
Hast du ein Beispiel dafür?
Ich hatte tagelang das tolle Wort „Kaulquappen“ im Kopf und wollte gerne ein Gedicht dazu schreiben. Aber mir ist absolut nichts wirklich Brauchbares dazu eingefallen, alles klang total krampfig. Allerdings habe ich dann ein Gedicht über diese Schmach geschrieben, und das wiederum hat es ins Buch geschafft. Es lautet: „Der Reim, der noch beim Schreiben gut war/ist beim Lesen unzumutbar.“ Und wenn mir so etwas einfällt, verspüre ich wirklich Glücksgefühle. Es ist einfach, klingt gut und hat auch noch eine Aussage, die sich auf andere Lebensbereiche übertragen lässt.
Die Einleitungsüberschrift deines Buches lautet: „Die Rettung der Poesie im Blödsinn.“ Wieso muss die Poesie denn gerettet werden? Und inwiefern kann Blödsinn zu dieser Rettung beitragen?
Poesie hat in der heutigen Gesellschaft keinen besonders großen Stellenwert mehr. Und wenn Blödsinn dazu beitragen kann, Poesie mal wieder ein bisschen in den Fokus zu rücken, dann wäre das toll. Ein großes Vorbild in dieser Hinsicht war mein Opa. Der war Schuldirektor in Hamburg und sehr belesen. Eine absolute Respektsperson, der bei jeder Gelegenheit Wilhelm Busch zitiert hat. Das hat mir imponiert, denn durch die sprachliche Quatschmacherei konnte ich auch das Schöngeistige von ihm ernst nehmen.
Es geht also um die Balance?
Genau. Ein lustiger Spruch auf der Kneipentoilette hat für mich genauso viel Berechtigung wie Kafka, solange es eine Aussage hat oder mich unterhält. Und im besten Fall sogar beides.
Wie viel von dir selbst steckt in den Gedichten? War es dir beim Schreiben wichtig, einen persönlichen Bezug herzustellen?
Ja, aber den möchte ich nicht erklären müssen. Es gibt zum Beispiel ein Gedicht, in dem es heißt: „Lachen ist gesund/denke ich und heul mich wund“. Das habe ich in einer Situation geschrieben, in der ich extrem viel geweint habe, in der es mir nicht gut ging. Warum das so war, geht aber niemanden etwas an. Wichtig ist, dass sich die Leute in solchen Situationen wiedererkennen.
Das klingt, als wärst du ein sehr emotionaler Mensch. Ist eine solche Sensibilität wichtig für einen Schauspieler?
Ja, ich denke schon. Ich werde ja immer schnell in die humoristische Ecke gesteckt, doch gerade bei der Komik, die mich anspricht, ist es wichtig, auch die Tragik dahinter zu verstehen. Es ist tatsächlich so, dass mein Körper darauf reagiert, wenn einem anderen Menschen etwas Schlimmes zustößt. Und dieses Hineinfühlen-Können gehört bestimmt zu einem Schauspieler dazu. Aber zum Mensch-Sein auch. Denn wenn man nicht mehr spürt, was in anderen Menschen vorgeht, ist man bloß noch ein egozentrisches Arschloch.
Der ungarische Schriftsteller George Tabori hat mal gesagt: "Hinter jedem guten Witz steckt eine Katastrophe." Würdest du dem zustimmen?
Ja, hundertprozentig. Aber auch der Umkehrschluss ist richtig: Manche Situationen sind nur mit Humor zu ertragen. Ich mag diese Momente, in denen man über Komik an ein tragisches Gefühl herankommt. Wenn man im Kino sitzt und etwas Tragisches passiert, lehnt man sich gerne zurück, weil man das Gefühl hat, es beträfe einen nicht. Aber sobald man lacht, ist man emotional involviert – und dann trifft dich auch die Tragik umso härter. Es wird oft unterschätzt, was man mit Humor alles erreichen kann.
Dann stimmt also der Satz von Max Herre, den er in Anlehnung an zwei Aussagen von Mark Twain und James Thurber im Stück „A.N.N.A.“ weitergesponnen und gesagt hat: „Komik ist Tragik in Spiegelschrift“?
Ja, absolut. Genauso wie der tolle Satz von Charlie Chaplin: „Stolpern ist die einzige Möglichkeit, der Welt einen Tritt zu verpassen.“ Das ist genial. Da steckt eine komplette Weltanschauung dahinter. Missgeschicke machen einen erst menschlich.
Eignen sich sämtliche Situationen und Lebenslagen dazu, ein Gedicht daraus zu machen?
Ja, ich glaube schon. Wobei aus Gründen der Geschmacklosigkeit auch das eine oder andere Gedicht von mir nicht ins Buch gekommen ist. Ich habe zum Beispiel gereimt: „Ein Zebra, das hat Streifen/ein Mann mit Lepra höchst selten einen Steifen/zu seinem eigenen Entsetzen/hängen da meist nur Fetzen.“ Ich fand das sehr böse, aber eben auch lustig – der Verlag jedoch nicht so. Es gibt also offensichtlich Humorgrenzen. Ich selbst stecke die zwar nicht so eng, aber über Fukushima zum Beispiel würde ich keine Witze machen. Das Recht dazu haben nur die Betroffenen selbst.
Im Gedicht „Le Geant“ geht es ums Furzen. Es lautet: „Heute musste ich so pupen/man dacht, ein Auto würde hupen/Meine Freundin fand das peinlich/ich das von ihr ein bisschen kleinlich/Denn zu einem Furz wie diesem/gratuliert man einem Riesen.“ Es gäbe Leute, denen wäre die Veröffentlichung eines solchen Gedichtes unangenehm. Dir offensichtlich nicht.
Nein, warum? Furzen in der Öffentlichkeit ist doch immer für einen Lacher gut – vor allem, wenn man es auf jemand anderen schieben kann. Letztens bin ich mal nachts mit einem Kumpel durch die Hamburger Fußgängerzone gelaufen, und der musste wahnsinnig doll furzen, so dass es sogar von den Häuserwänden zurückgehallt hat. Der war richtig amtlich. Ich habe daraufhin recht erstaunt geguckt, und er meinte dann ganz trocken: „Du, den habe ich mir jetzt einfach mal gegönnt.“ Das sind einfach ehrliche Momente unter Männern (lacht). Frauen hingegen pupsen ja erst, wenn sie zuhause sind und die Tür endlich zu ist.
Du hast in einem Interview gesagt, dass du mal den großen Wunsch gehabt hast, im deutschen Fernsehen den Satz „Ich muss mal groß“ zu sagen. In deiner Rolle als Ernie in „Stromberg“ hast du dir diesen Traum erfüllt. Woher kam dieser Wunsch?
Ach, das ging gar nicht explizit um diesen bestimmten Satz. Ich hatte bei unserem Drehbuchautoren und Produzenten Ralf Hussmann bei der zweiten Staffel einen Wunsch frei und durfte mir einen Satz ausdenken, den er dann für mich ins Drehbuch schreiben musste. Ich wollte natürlich einen Satz haben, den noch nie jemand im deutschen Fernsehen gesagt hat und bin dann auf „Ich muss mal groß“ gekommen.
Ja, solange der nicht irgendwann auf deinem Grabstein steht…
Hier ruht Bjarne Mädel – er musste mal groß. Das kann ich mir schon vorstellen (lacht). Obwohl: „Hier ruht Bjarne Mädel – er muss“ fände ich noch schöner.
Das Hörbuch „Böses Ende“ ist bereits im April bei Psychothriller erschienen. „Glück reimt sich nicht auf Leben. Na ja, so ist es eben.“ erscheint am 19. Mai bei Kiepenheuer & Witsch.