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Die Musik und die Technik: ein Kongress in Wien
Nicht mehr zeitgemäss: Musik im Musikalien-Handel einkaufen Was passiert bei Ihrer Konferenz in Wien? Die Tagung ist Teil des EU-geförderten Projekt „dmet“. Da geht es darum, ein Kurrikulum zur Ausbildung zum digitalen Musikmanager zu erstellen. Diese Fortbildung soll Musikern und kleinen Verlagen oder Agenturen dabei helfen, die Möglichkeiten der digitalen Welt zu nutzen, und alles rund um die Musikvermarktung selbst in die Hand zu nehmen. Ein Grund ist, dass die Musikindustrie eine starke Auslese macht, zum Teil Verträge diktiert, die für die Künstler sehr ungünstig sind. Bei der Konferenz geht es um den aktuellen Stand im digitalen Musikgeschäft aus der Sicht der selbstvermarktenden Künstler. Wir wollen ihnen Möglichkeiten aufzeigen, autonomer und weniger abhängig von der Musikindustrie zu agieren. Was sind denn die neuen Herausforderungen im Zeitalter des Internets? Es gibt die ganzen Social-Networks wie „myspace“ oder „youtube“, zu denen man ohne Barrieren Zugang hat. Dadurch hat ein Künstler die Möglichkeit, sich Netzwerke aufzubauen und mit Fans direkt in Kontakt zu treten. Das Problem oder die Herausforderung für den Künstler ist dabei die Sichtbarkeit. Wenn viele Menschen das machen, dann geht man leicht unter. Nur die, die mit den neuen Möglichkeiten professionell umgehen, können davon profitieren. Und da gibt es ein paar einfach Tricks: Zum Beispiel kann man sich selbst in Blogs promoten, sich um seine Community kümmern und neue Vermarktungsmethoden ausprobieren. Man kann dafür sorgen, leicht von Google gefunden zu werden, und so weiter. Viele Musiker bieten zum Beispiel auch einen Teil ihrer Musik gratis zum Download an, um auf sich aufmerksam zu machen. Das Geld verdienen sie dann mit anderen Dingen. Beispielsweise durchs Touren oder durch Merchandise. Das ist vor allem für sogenannte Nischenkünstler interessant, die nicht auf den breiten Markt zielen. Für die es aber trotzdem einen Markt gibt? Das ist das Neue am Netz: Lagerhaltung spielt heute keine Rolle mehr, das heißt: man kann alles anbieten. Auch Musik, die nur von Wenigen gehört wird. Die so genannte „Long Tail-Theory“ besagt aber, dass im Endeffekt diese Nischen-Produkte einen Großteil des Geschäfts ausmachen. Und erst durch die neuen Möglichkeiten des Internets haben viele dieser Indie-Musiker die Chance, ihre Produkte zu verkaufen. Da sie vorher vom Musikmarkt annähernd ignoriert wurden.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Gutes Beispiel für den Umgang mit dem Netz: die Einstürzenden Neubauten Gibt es Künstler, die Ihrer Meinung nach besonders gut mit der neuen Lage umgehen? Ein gutes Beispiel sind für mich die „Einstürzenden Neubauten“. Die haben mit ihren Fans eine Art Supporter-Vereinbarung. Sie lassen sich von ihren Fans die Produktion einer neuen Platte vorfinanzieren. Und im Gegenzug bekommen die Fans dafür besondere Zugänge: Das ist dann eine Luxusausgabe der neuesten Platte, oder sie können per Webcast bei den Proben zusehen. Dieses Modell lohnt sich laut Aussage der Neubauten, ist aber natürlich dann leichter, wenn man schon eine größere Fanbasis hat. Der Musiker muss also eigentlich alles machen und wird zur eierlegenden Wollmilchsau. Das ist eben die andere Seite der Medaille. Der Musiker muss auf einmal auch noch seine Website betreuen, mit den Fans kommunizieren, sich um neue Vermarktungsstrategien kümmern. Aber dahingehend tut sich schon auch einiges auf dem Markt. Es gibt immer mehr Dienste, die den Musikern diese Arbeit auch abnehmen können. Zum Beispiel ein Dienst namens „Ioda“, der Produkte von unabhängigen Künstlern sammelt und den großen Plattformen anbietet. So haben auch die Künstler eine Chance, bei iTunes unterzukommen, die keine Plattenfirma im Rücken haben. Diese sogenannten Aggregatoren verlängern die Wertschöpfungskette dann wieder. Aber im Prinzip gilt momentan schon, dass Musiker eigentlich alles können und sich um alles kümmern müssen. War die Radiohead-Strategie in Ihren Augen ein Erfolg? Radiohead haben den Preis dem Konsumenten überlassen, die dann angeblich durchschnittlich fünf Euro pro Platte gezahlt haben. Das war ein gutes Geschäft, vor allem, weil es ganz ohne Zwischenhändler funktioniert hat. Mit solchen Aktionen setzen Künstler Zeichen, dass sie die Gesetze der Musikindustrie nicht mehr akzeptieren. Auch so jemand wie Madonna sagt, dass sie nicht angewiesen ist auf die großen Händler. Das sind Zeichen einer großen Veränderung, die auch passieren muss. In den großen Plattenfirmen gibt es anscheinend sowohl Überlegungen, sich diesen Veränderungen anzupassen, als auch großen Widerstand dagegen. Der Kongress findet am Montag und Dienstag (12./13. November) in Wien statt. Die Teilnehmerzahl ist auf 80 beschränkt, einige wenige Plätze sind noch frei. Die Teilnahme ist kostenlos. Hier kannst du dich informieren. Bilder: AP