- • Startseite
- • Interview
-
•
Die machen’s ohne! In der Küche mit einem Punk-Vegetarier
Joachim, ihr legt in eurem Kochbuch Wert auf fleischlose Kost und unkonventionelle Zubereitungsanleitungen. Beim "Sushi für Uschi" heißt es zum Beispiel „Portion Reis in der Größe eines Hodens formen“ – das ist eine ziemlich ungewöhnliche Maßangabe. Ja, wir sind da auch ziemlich schmerzlos , obwohl: allzu billige Zoten sollten es nicht sein. Unsere Leserschaft nimmt das auch so an. Wen es trotzdem stört, für den ist dann auch das Buch wahrscheinlich eher nichts. Ist ja auch ein Kochbuch für Punks! Genau, und die haben schon ein dickes Fell. Wer mit 16, 17 Jahren mit einem Irokesen durch die City lief, der ist an seine Außenseiterrolle gewöhnt. Übrigens auch eine gute Vorraussetzung, um als Vegetarier auf die gemeinsamen Mittagspausen mit den Kollegen an der Würstchenbude zu verzichten und stattdessen das Gemüsecurry aus seiner Tupperdose aufzuwärmen. Wann lag denn bei dir das letzte Mal ein Würstchen auf dem Teller?! Schon seit über zwanzig Jahren nicht mehr. Ich mochte schon als Kind kein Fleisch, habe immer Knorpel und Fett wegoperiert, so dass meine Eltern mir eine Karriere als Chirurg prophezeiten. Von daher war der Schritt zum Vegetarier für mich ganz normal. Ich würde mich sogar als Gewissensveganer bezeichnen, da ich außerdem darauf achte, vegane Ersatzprodukte wie Sojamilch oder Sahne zu verwenden. Na wenn du schon so weit bist, warum dann nicht den Schritt in ganzer Konsequenz machen? Ich finde schon, dass Sojaprodukte beim Kochen anders sind. Aber wahrscheinlich bin ich einfach zu bequem, diesen Schritt zu machen. Aber ich denke auch, dass es ein Lern- und Einsichtsprozess ist, sich an Dinge zu gewöhnen. Ein absolutes Richtig oder Falsch sollte es deshalb auch nicht geben. Obwohl es sogar Leute gibt, die würden sich nicht mal auf eine Ledercouch setzen. So sind wir natürlich nicht! Da soll jeder seine persönliche Entscheidung treffen. Aber so viel Verständnis, wie du hier gelten lässt, ist Vegetariern früher nicht entgegen gebracht worden. Da war man schon ein Exot. Ja, in den 80ern war man als Vegetarier wie ein Wesen vom anderen Stern. Mit viel Glück hat man im Reformhaus ein paar Sachen gefunden – zwischen den ganzen Produkten für Diäten und Kranke. Allein schon Gemüsebrühe war schwer zu kriegen. Da hat sich in den letzten zwanzig und vor allem in den letzten zehn Jahren viel verändert. Vegetarismus wird mittlerweile akzeptiert. Das ist mit anderen Subkulturen und Lebensarten doch ähnlich: Wer regt sich denn heute noch über Tatoos oder Piercings auf? Auch, wenn es oft noch heißt, Vegetarier belegen sich mit irgendeinem Verzicht. Ich verzichte doch nicht auf etwas, was mir fehlt, ich treffe die positive Entscheidung etwas weg zu lassen. Das ist ein bisschen wie bei den sogenannten Lohas, oder? Die verstehen ihren Lifestyle doch auch als healthy und stustainable, also gesund und nachhaltig. Ach, geh mir mit dieser unseligen LOHAS-Bewegung weg. Die machen doch – polemisch gesagt - mit dem Konsum immer weiter, nur eben in grün. Ich meine, wir wissen doch alle, dass es so, wie wir jetzt leben, auf Dauer nicht gut gehen kann. Und auch, wenn wir alle Elektroautos fahren, ist das ressourcenverbrauchend. Genauso wie der Elektroschrott bei all den Mac-Books anfällt, auf denen man diese ganzen tollen Lohas-Artikel schreibt. Vegetarisches oder veganes Leben bedeutet ja nicht nur, gesundheitsbewusst und ethisch verantwortlich zu leben, sondern beinhaltet auch Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen. Da kommen schon drei oder vier Motive zusammen. Und es ist mir lieber, jemand holt sich jede Woche ein Stück Fleisch beim Biobauern, wenn er nicht darauf verzichten will, als so ein Loha, der durch seinen Dauerkonsum der Umwelt erst recht schadet. Aber ist vegetarischer oder veganer Konsum nicht auch gesundheitlich bedenklich? Nein, denn der Fleischkonsum, genauso wie der übermäßige Verbrauch von tierischen Fetten wie in Milch und Käse, schädigt die Gesundheit mehr als der Verzicht darauf. Es ist ein beliebter Irrtum, dass, wer vegetarisch oder vegan lebt, sich ungesund ernährt. Dabei achtet so jemand doch gerade auf gesunde Ernährung und kümmert sich mehr um das, was er isst, als jemand, der alles Mögliche, am besten noch unterwegs und zwischendurch, in sich reinstopft. Es ist auch drollig, wie Fleischesser sich immer um die Mangelernährung von Vegetariern sorgen, ohne mal ihre eigene Fehlernährung zu überprüfen Wenn das Argument der Mangelernährung nicht greift, wie ist es mit den finanziellen Umständen des vegetarischen Lebenstils? Gute Lebensmittel, vor allem Bioprodukte kosten ja auch mehr, als eine Tiefkühlpizza oder der Burger um die Ecke. Klar, kosten Bioprodukte oder eine Sojamilch mehr, aber man tauscht es gegen ein besseres Lebensgefühl ein. Und man lernt, gewisse Sachen zu schätzen. Ich habe neulich noch mit einem Freund darüber gequatscht. Der spielt in einer Metalband und fährt zu den Auftritten mit einem alten Auto, das sonst in der Garage steht, weil er sein Geld lieber für gute Lebensmittel als einen heißen Schlitten ausgibt. Wer also Geld hat für teure Anschaffungen und Markenartikel, kann sich eigentlich auch hochwertigere Lebensmittel leisten. Laut Studien geben die Deutschen europaweit am wenigsten für Lebensmittel aus. Ja, wobei man natürlich beachten muss, dass sich mit einem Hartz-IV-Satz nicht mal billige Discounterware bezahlen lässt. Schlechte Ernährung ist eindeutig ein Armutsproblem. Und – polemisch gesagt – der Staat unterstützt arme Menschen kaum und dann zwingt er sie noch, sich mit schlechtem Essen zu vergiften.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das Ox-Kochbuch Nr.4 ist wie die anderen Teile auch im Ventil-Verlag erschienen und kostet 9,90 Euro.