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"Die Clubszene wird nicht ernst genommen"

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Vor etwas mehr als einer Woche hat das Maria am Ostbahnhof, der berühmte Club an der Spree, seine letzte Party gefeiert. Nach der Bar 25, die im vergangenen Herbst dicht machte, war das ein weiteres Indiz für das Clubsterben in der Hauptstadt. Die Berliner Interessenverbände Club Commission und Label Commission wehren sich jetzt mit einer Kampagne. Ihr Sprecher Lutz Leichsenring erklärt, was sich dahinter verbirgt

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de Warum braucht die Berliner Clubszene Lobbyisten?
Lutz: Weil die Clubszene bisher noch nicht als Teil der gesamten Musik-Branche und Wirtschaft der Stadt wahrgenommen wird. Und weil unsere Branche in den letzten Jahren sehr viel investiert hat, von dem alle profitieren – allen voran die Tourismusbranche, aber der Arbeitsmarkt. In der Musikwirtschaft gibt es 13000 sozialversicherungspflichtig Arbeitsplätze. Bisher haben die Akteure der Branche – vom Künstler über den Club-Betreiber bis zum Label – agiert, ohne wirklich gute Rahmenbedingungen zu haben. Darauf wollen wir aufmerksam machen und die Forderungen und Handlungsempfehlungen der Szene an die Politik gebündelt vorbringen.

Was genau meinst du mit den mangelhaften Arbeitsbedingungen?
Wir sehen zum Beispiel, dass das Clubsterben um sich greift. Es werden Bauplanentwürfe zu Bauplänen umgewandelt, es werden Wohngebiete ausgewiesen, die eigentlich Misch- oder Kerngebiete sein sollten, wo es also auch Clubs geben dürfte. Dabei werden die Bedenken der Clubszene und der Musikwirtschaft nicht wirklich ernst genommen. Wir sehen das mit sehr großer Besorgnis. Und es ist ungerecht, dass von der Szene auf der einen Seite Verbindlichkeit, Nachhaltigkeit und Investitionsbereitschaft gefordert wird, auf der anderen Seite aber gar nicht die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.  

Kannst du dafür ein Beispiel nennen?
Das Yaam am Stralauer Platz wäre eines. Die betreiben jetzt schon seit 14 Jahren ein soziales Projekt mit Nachwuchsarbeit und so weiter, und mussten in dieser Zeit acht mal umziehen. Momentan hat der Club nicht mal einen aktuellen Mietvertrag, sondern ist nur geduldet. Das muss man sich mal vorstellen! Wenn ich mit solchen Vorraussetzungen zu einer Bank gehe, bekomme ich damit natürlich kein Darlehen.

Wie schlimm ist denn das Clubsterben?
Da geht es zunächst mal um den Spree-Raum – wobei wir diesen Kampf offensichtlich schon verloren haben. Es ist ja offensichtlich, dass die „Media-Spree“ keine Club-Spree mehr ist und sein wird. Wir sehen aber mit Erstaunen, dass Clubs wie das Maria oder die Bar 25, seit Jahren erfolgreiche wirtschaftliche Betriebe sind, es aber trotzdem nicht schaffen, eine geeignete Folge-Location zu finden. Die Bar 25 hat mit ihrem Nachfolgeprojekt, dem Kater Holzig, gerade mal zwei Jahre Mietvertrag bekommen. Das ist keine Planungssicherheit, wie sie für eine Marke, die schon einen internationalen Ruf aufgebaut hat, angemessen wäre.

Was steht der Planungssicherheit im Weg?
Es ist sehr entscheidend, wie die sachbearbeitenden Behörden das handhaben. Die Vorgaben, die da gemacht werden, sind sehr bezirksabhängig, und es kann ziemlich schnell über das Bestehen oder das Nichtbestehen kultureller Institutionen entschieden werden. Das sollte eigentlich nicht so willkürlich passieren dürfen.

Waren das Ende von Maria und der Bar 25 der Auslöser für Eure Kampagne?
Nein, Auslöser war ganz klar die Tatache, dass 2011 in Berlin Wahljahr ist. Und wir sind ja nicht nur auf die Clubs fokussiert. Wir sehen das Thema Popkultur generell nicht genug anerkannt in der Stadt. Es gibt vergleichsweise riesige Töpfe für die sogenannte Hochkultur: Ein Opernticket wird mit 200 Euro bezuschusst, der Eintritt in einen Club aber nur mit 24 Cent. Das sind ganz andere Dimensionen, die hier zur Anwendung kommen. Und da muss man sich überlegen, welchen Stellenwert die Popkultur und die Clubs haben – gerade in Berlin, einer Stadt, die ja weltweit auch als Labor für solche Kultur angesehen ist und als großer Vorreiter im Bereich der elektronischen Musik diese Anerkennung verdienen würde.

Wollt ihr also etwas von dem Subventions-Kuchen abhaben, den die Hochkultur bekommt?
Es geht nicht darum, anderen etwas wegzunehmen. Es geht darum, das Augenmerk erstmal stärker auf diese Problematik zu lenken und begreifbar zu machen, dass sich etwas ändern muss. Es muss ein anderes Bewusstsein für die Clubszene und die Popkultur Berlins entstehen. Und wir wollen natürlich auch, dass die Parteien im Wahlkampf zu unseren Thesen Position beziehen.  

Gab es schon Reaktionen aus der Politik?
Wir haben unser Thesenpapier schon vor der Veröffentlichung mit hochrangigen Vertretern abgestimmt. Das heißt, wir haben vorher schon Einschätzungen gehabt, und sind eigentlich überall mit offenen Armen empfangen worden. Man muss ja auch sagen, dass sich schon viel getan hat. Die Beachtung, die wir als Clubszene jetzt kriegen, die hatten wir vor 10 Jahren nicht. Wir waren ja irgendwo zwischen Rotlichtmilieu und Kriminalität angesiedelt. Aber mittlerweile geht es ja auch um Summen, die der Politik nicht ganz egal sein können: Die Musikwirtschaft in Berlin setzt mehr als eine Milliarde Euro im Jahr um. Das bedeutet in etwa 100 Millionen Euro Steuereinnahmen – und da kann man mit einiger Berechtigung fordern, dass etwas reinvestiert wird.

Was fordert ihr konkret von der Politik?
Im Fokus stehen drei Politikfelder: Kulturpolitik, Stadtentwicklung und Wirtschaftspolitik. Für jedes dieser Felder haben wir Forderungen. Zum Beispiel sollte die Kulturpolitik die Popmusik als eigenständiges Kulturgut anerkennen und entsprechend handeln – mit Kultur- und Projektförderungen.  In der Stadtentwicklung müssen Flächennutzungspläne überarbeitet werden, das Land Berlin muss Ausweichstandorte für Clubs bereithalten. Wirtschaftlich geht es uns um die langfristige Sicherung der Branchennetzwerke und dass es hier eine institutionelle Absicherung gibt und auch internationale Marketingmaßnahmen für den Standort Berlin gefördert werden. Das sind jetzt mal so ein paar Maßnahmen, die wir fordern.

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