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„Die BILD bietet uns eine Steilvorlage“
Der Springer-Konzern plant zum 60-jährigen Jubiläum der BILD-Zeitung ein Gratisexemplar der Zeitung an alle 41 Millionen deutschen Haushalte zu verteilen. Die Protestorganisation „Campact" und die Gruppe „Alle gegen Bild" wollen unter dem Motto „Wer austeilt, muss auch einstecken können" dagegen vorgehen und rufen dazu auf, die Zustellung der Gratis-BILD zu widerrufen. Susanne Jacoby ist Kampagnerin bei „Campact" und leitet die Aktion. Im Interview erklärt sie, was die Ziele des BILD-Boykotts sind, wie man widerrufen kann und warum ein „Keine Werbung"-Aufkleber auf dem Briefkasten leider nicht ausreicht.
jetzt.de: Mal im Wortlaut der Zeitungs-Kampagne gefragt: Deine Meinung zu BILD, Susanne?
Susanne Jacoby: Vorneweg muss man erst einmal sagen, dass BILD die auflagenstärkste Zeitung in Deutschland ist, mit rund 2,7 Millionen verkauften Exemplaren, und dadurch spielt sie natürlich eine wichtige Rolle bei der Meinungsbildung. Was wir als problematisch ansehen, ist die Art und Weise, wie die BILD-Zeitung berichtet. Es gibt sehr viele Beispiele, in denen sie rücksichtslos agiert und sensationsheischend auf Kosten anderer berichtet. Es werden zum Beispiel regelmäßig Persönlichkeitsrechte der dargestellten Personen verletzt oder die Menschenwürde wird missachtet. Es wird auch nicht davor zurückgeschreckt, Tatsachen zu verdrehen und zu verfälschen. Gestern zum Beispiel wurden im großen Aufmacher der BILD HartzIV-Empfänger diskriminiert und herabgesetzt.
Und ihr wollt die BILD-Jubiläumsaktion boykottieren, um darauf aufmerksam zu machen?
Die Jubiläumsaktion ist ja in erster Linie eine gigantische Werbemaßnahme für BILD und ihre Anzeigenkunden. Wir wollen mit unserer Aktion einerseits diese Werbepläne durchkreuzen, andererseits wollen wir eine Debatte anstoßen, über die Art und Weise, wie die BILD berichtet. Die Jubiläumsausgabe soll an alle 41 Millionen Haushalte in Deutschland verteilt werden.
Hast du Informationen darüber, wie viel das den Springer-Konzern kostet?
Nein, das weiß ich natürlich nicht. Die Werbeaktion wurde in einem PDF angekündigt, mit dem um Anzeigenkunden geworben wurde und eine ganze Seite in dieser Gratisausgabe soll vier Millionen Euro kosten! Die BILD lässt sich das also in jedem Fall teuer bezahlen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die BILD-Zeitung hat eine aufwändige Jubiläumsaktion geplant. Damit sind nicht alle einverstanden.
Die BILD-Kampagne mit Prominenten zeigt, dass die Zeitung auch aus der Kritik an ihrer Arbeitweise Kapital schlägt, denn die Protagonisten werden nicht nur mit positiven Zitaten dargestellt. Wäre dann nicht ignorieren die bessere Methode, weil eure Aktion gegen die Jubiläumsausgabe noch mehr Aufmerksamkeit auf die BILD lenkt?
Natürlich haben wir uns diese Frage auch gestellt. Aber wir fanden es dann schwierig, nur aus Angst vor der Gegenreaktion der BILD diese Kampagne nicht zu machen. Und wir fanden es wichtig, auf die Methoden der BILD aufmerksam zu machen. Das ist zwar schon in vielen Menschen bewusst, aber mit ihrer Jubiläumsaktion bietet die BILD uns natürlich auch eine Steilvorlage, ihr klar und deutlich zu sagen, was wir von ihren Methoden halten.
Wie ist denn die Rechtslage auf Seiten der BILD? Darf sie überhaupt an alle Haushalte Gratisausgaben verteilen?
Ja, das darf sie. Auch wer einen „Keine Werbung"-Aufkleber an seinem Briefkasten hat, bekommt eine BILD, weil die sich darauf berufen kann, dass dieser Aufkleber nicht für Gratiszeitungen gilt. Darum muss man wirklich explizit der Zustellung dieser Gratis-BILD oder von Gratiszeitungen generell widersprechen.
Wie genau kann man denn widerrufen?
Die Idee von „Alle gegen Bild" war: Wir wollen etwas dagegen machen und wir wollen es vielen Leuten ermöglichen, auf einfachem Wege Widerspruch einzulegen, wenn sie kein Gratisexemplar der BILD zugestellt haben möchten. Darum kann man das zum Beispiel ganz einfach mit wenigen Klicks über das Formular auf unserer Seite oder auf der von „Alle gegen Bild" machen. Wir leiten dann die Nachricht mit den Daten und dem Widerspruch an den Springer-Konzern weiter. Man kann auch selbst eine Mail, ein Fax oder einen Brief schicken und sich an unserem Schreiben orientieren. Die BILD ist rechtlich dazu verpflichtet, die Zustellung an die widerrufende Person zu unterlassen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Susanne Jacoby
Die größte Hemmschwelle ist dabei wahrscheinlich, dass man seine Daten an die BILD weitergeben muss, oder?
Ja, das stimmt, und das kann ich auch persönlich sehr gut nachvollziehen. Aber wenn man Widerspruch einlegen möchte, dann muss man natürlich seine Daten, sprich seinen Namen und seine Adresse an den Springer-Konzern weitergeben, sonst können die das nicht bearbeiten. Ich selbst habe das heute Morgen gemacht. Eine andere Variante ist, einen Aufkleber auf seinem Briefkasten anzubringen, auf dem der Gratis-BILD oder Gratiszeitungen widersprochen wird, das wird höchstwahrscheinlich auch funktionieren. Der größte Effekt kommt aber natürlich zustande, wenn möglichst viele Menschen im Vorhinein Widerspruch einlegen. Denn dann hat Springer wirklich die Mühe, zu schauen, wo sie die Lieferung unterlassen müssen. Das ist eine logistische Herausforderung.
Kann man auch auf einen wirtschaftlichen Schaden spekulieren, also darauf, dass Anzeigenkunden zurückschrecken, wenn die Aktion gut läuft, sehr viele Menschen die Gratis-Ausgabe ablehnen und das die Reichweite einschränkt?
Darüber kann man wirklich nur spekulieren. Natürlich steigen für die BILD der Aufwand und die Kosten, je mehr Leute mitmachen. Was es konkret für die Anzeigenkunden bedeutet, wird man sehen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich das Ganze entwickelt, wie viele Leute mitmachen und wie die BILD darauf reagiert.
Habt ihr einen Überblick darüber, wie viele Personen bereits an der Aktion teilgenommen haben?
Auf unserer Seite kann man laufend sehen, wie viele schon mitgemacht haben. Seit dem Start der Aktion am Donnerstagmorgen haben fast 20.000 Menschen das Formular abgeschickt (Zeitpunkt des Interviews: Do., 14 Uhr; Anm. d. Red.). Das ist schon ziemlich viel.
Bis wann sollte man denn seinen Widerspruch eingelegt haben?
Die Aktion der BILD ist für den 23. Juni 2012 geplant. Das ist zwar noch eine Weile hin, aber wenn man Widerspruch einlegen möchte, sollte man das natürlich rechtzeitig tun, damit die BILD-Zeitung die Möglichkeit zur Bearbeitung hat.
Text: nadja-schlueter - Fotos: Collage; campact.de