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Die Angst vor dem Kochen verlieren
Seit kurzem gibt es in Berlin-Schöneberg ein „begehbares Rezeptbuch“. So nennen jene fünf Freunde ihr Geschäftskonzept, die den Lebensmittelladen "Das Kochhaus" eröffnet haben. Dabei handelt es sich im Grunde um einen Supermarkt, in dem der Kunde die abgemessenen und abgewogenen Zutaten zu 20 vorgegebenen Gerichten findet. Wer sich zum Beispiel für "Knusprige Entenbrust mit gebackenem Hokkaidokürbis und Ingwer-Orangen-Soße für vier Personen" entscheidet, legt vier Entenbrüste, einen halben Hokkaidokürbis, zwölf Grenaille-Kartoffeln, vier Orangen, zwölf Zuckerschoten, zwei Bund Petersilie, 50 Gramm Ingwer, zwei Teelöffel Curry, 40 Gramm Butter, zwei Teelöffel Zucker, 150 Milliliter Olivenöl und Salz und Pfeffer in seinen Einkaufskorb. Nebenbei gibt es in dem Laden noch die nötigen Küchenwerkzeuge und den passenden Wein zu kaufen. jetzt.de hat mit Kochhaus-Mitgründerin Dorothée Stöber über die Neugründung gesprochen. jetzt.de: Dorothée, wie seid ihr auf die Idee gekommen? Dorothée: Die Idee entstand, weil wir am eigenen Leib erfahren haben, wie es ist, wenn man beruflich stark eingespannt ist, aber gleichzeitig auch leidenschaftlich gerne kocht. Bei einem gemeinsamen Essen haben wir dann gesagt, dass es zu aufwändig ist, regelmäßig um zehn vor acht im Supermarkt zu stehen und nicht zu wissen, was man kochen soll oder es zu wissen und die Zutaten nicht zu finden. Nur um ein Rezept zu kochen braucht man häufig zwei Stunden für den Einkauf. Mit dem Kochhhaus wollen wir den Einkaufsprozess optimieren und das "Von Supermarkt zu Supermarkt und zum Feinkostladen rennen" verhindern. Wie habt ihr das dann umgesetzt? Und wie lange hat es gedauert? Wir haben es geschafft, trotz der Wirtschaftskrise private Investoren zu finden. Anfang des Jahres begannen wir mit der Standortsuche, der Rezeptentwicklung und dem Umbauen des Ladenlokals. Innerhalb von acht Monaten war alles fertig.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Seht ihr euch dem Trend zum bewussteren Essen verpflichtet? Nein, eigentlich gar nicht. Wir sehen uns eher als Bereicherung des Angebots. Wir wollen auch keine Konkurrenz zu normalen Supermärkten oder Restaurants sein, wir besetzen eigentlich einen ganz neuen Platz. Unser Ziel ist es nur, das Kochen wieder zurück in die Küchen zu bringen. Häufig ist es ja so, dass man lieber schnell essen geht oder den Lieferservice anruft, anstatt zu Hause zu kochen. Dabei finden in der Küche oft die schönsten Partys statt. Unser Kunde soll merken: Ich kann selber kochen, es ist beherrschbar. Momentan haben wir zum Beispiel ein pochiertes Rinderfilet im Angebot. Wenn ich so etwas im Kochbuch lese, würde ich mich da gar nicht heranwagen. Aber diese Angst soll dem Kunden genommen werden. Erprobt ihr die Gerichte gemeinsam? Ja, definitiv. Jedes Gericht wird, bevor es auf den Markt kommt, mehrfach gemeinsam erprobt. Wir haben zwei feste Köche im Team und die entwickeln die Rezeptideen, die dann mit den restlichen Team-Mitgliedern verfeinert werden. Wir gucken dann, wie es auf der Lieferseite aussieht und was der Kunde momentan wünscht. Wenn das Rezept dann entwickelt ist, muss es immer probegekocht werden.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Dorothée
Wer sind die Kunden eures Ladens? Die typischen Gutverdiener vom Prenzlauer Berg?
Wir haben die Zielgruppe vorab definiert und sie relativ breit gefasst. Wir wollten uns nicht auf eine Gruppe festlegen, sondern wollten alle Alters- und Einkommensgruppen ansprechen und das klappt bisher sehr gut. Natürlich sind ein Großteil der Kunden Leute, die beruflich relativ stark eingebunden sind und abends noch schnell etwas einkaufen möchten, aber genauso kauft bei uns auch eine ältere Dame ein die sagt: „Oh, diese Suppe wollte ich immer mal ausprobieren, aber habe es mich nicht getraut“. Und der Student, der seine Freundin verwöhnen möchte und ihr ein Drei-Gänge-Menü kocht. An den Wochenenden kommen ganze Familien oder unter der Woche Mütter, die viel zu tun haben.
Seid ihr durch die kleinen Mengen nicht teurer als der Supermarkt?
Dadurch, dass wir passgenaue Mengen anbieten, ist es am Ende etwa genauso teuer, wenn nicht sogar günstiger. Bei uns bekommt man wirklich den Teelöffel Koriander oder Curry den man für das Rezept braucht und muss keine ganze Packung kaufen, die im Regal einstaubt und dann weggeworfen wird. Darum ist es in der Summe sogar weniger teuer als im Supermarkt.
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Mehr zum Kochhaus liest du hier.
Text: marie-charlotte-maas - Fotos: privat