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Der Wikipedia-Erklärer

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jetzt.de: In Deutschland sind Dozenten sehr skeptisch, wenn man sich bei wissenschaftlichen Arbeiten auf Wikipedia beruft? Bei euch auch? 
Wenn ich die Hausarbeit von jemandem korrigieren würde, würde ich ihm Punkte abziehen, wenn er an wichtigen Stellen als Beleg Wikipedia zitiert hätte. Das hat wenig damit zu tun, dass Wikipedia offen bearbeitet wird – es liegt daran, dass es eine Enzyklopädie ist. Ebenso würde ich jemanden schlechter bewerten, wenn er die Encyclopedia Britannica gebraucht hätte. Enzyklopädien sind gut zur Orientierung, aber man sollte nicht bis zum Schluss damit arbeiten. Ich hoffe sehr, dass sich daran nichts ändert. 

Trotzdem scheint Berkeley die Wikipedia zu schätzen, sie hat mit dir einen Wikipedian-in-Residence eingestellt. Deine Aufgabe: Du sollst Studenten und Professoren lehren, wie sie ihre neuesten Erkenntnisse in die Enzyklopädie eintragen können. Wie bist du an den Job gekommen?  
Ich habe in Berkeley meinen Abschluss in Geografie gemacht und arbeite schon seit vielen Jahren an der Wikipedia. Zu dem Job kam ich, weil ich die Leute von der Uni überzeugen konnte, dass es gut wäre, einen Wikipedianer zu haben und dass ich die nötigen Fähigkeiten dafür mitbringe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Kevin Gorman, Wikipedia-Versteher und -Erklärer

Was genau machst du?
Zum einen arbeite ich mit Galerien, Büchereien, Archiven und Museen der Uni zusammen. Ich versuche Teile von deren Sammlungen im Internet zu veröffentlichen. Unter einer offenen Lizenz, so dass sie weltweit nutzbar sind und nicht nur für diejenigen, die sie sich die Bestände vor Ort ansehen können. Zum anderen helfe ich Dozenten und Studenten bei Wikipedia-Projekten. Die meisten dieser Projekte drehen sich um Themen wie das Gefängnissystem in den USA oder Umweltprobleme, also Themen, die bei Wikipedia tendenziell weniger gut abgedeckt sind. Das mag daran liegen, dass die meisten unserer Mitarbeiter eher anderweitig interessiert sind. Wikipedia-Autoren zu 90 Prozent männlich und haben einen technischen Hintergrund, 35 Prozent beherrschen mindestens eine Programmiersprache...  

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es so schwierig sein kann, etwas auf Wikipedia zu veröffentlichen. Warum brauchen die Leute deine Hilfe? 
Viele Leute sind an einen Editor gewohnt, der nach dem Prinzip "What you see is what you get" arbeitet. In solche Editoren gibst du deine Änderungen ein und sie erscheinen  genauso. Unglücklicherweise hat Wikipedia keinen solchen Editor – wir haben einen in einer Beta-Version, aber der funkioniert nicht gut. "Wikisyntax" – der Pseudo-Code in dem Wikipediaartikel geschrieben sind – unterscheidet sich stark von dem, was die Studenten sonst gewohnt sind. Wikipedia hat auch eine Reihe sozialer Normen und Grundsätze, die anders sind als die an der Hochschule. 

Was sind das für soziale Normen?  
Die Studenten können Teil einer Gemeinschaft sein, in der sie gezwungen sind, ihre Anschauungen zu verteidigen. Sie sind dort der Sicht anderer ausgesetzt, die nicht immer ihre Meinung teilen. In den unteren Semestern einer Uni ist das hierzulande nicht selbstverständlich.    

Glaubst Du, andere Unis könnten sich deinen Job als Beispiel nehmen und auch eigene Wikipedianer anstellen? 
Ich hoffe es und auch wenn es noch zu früh sein mag, so etwas zu wissen, gehe ich davon aus. Ich kann sie auch unterstützen, denn ich habe vor, meine Anleitungen und eine Evaluation meiner Kurse zu veröffentlichen. Drei oder vier Unis haben mich schon kontaktiert und gefragt, wie man so eine Stelle einrichtet. Wenn sich bewährt was wir machen, wird das große Auswirkungen haben. Die Uni Berkeley hat 35.000 Studenten – die englischsprachige Wikipedia nur 30.000 feste Bearbeiter.

Text: charlotte-haunhorst - Übersetzung: Anne Kratzer; Cover: soulcore / photocase.com; Foto Kevin Gorman: oH

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