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Das Gulli-Buch: Zehn Jahre aus dem Untergrund des Internet

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Was ist Gulli? Am besten definiert man das wohl so: Gulli.com ist der Einstieg in den Netzuntergrund. Also die erste Anlaufstelle für die Leute, die sich jenseits des offiziellen Internets für die Entwicklung des Web interessieren. Und im Laufe der letzten Jahre ist gulli.com zu einer der größten Communitys in Deutschland geworden, mit zuletzt über 700.000 registrierten Nutzern.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ihr habt dafür nie Werbung gemacht. Wie ist das ganze entstanden? Das ist die Geschichte, die wir auch im Buch beschreiben: Anfangs war das eine Cracks- und Serials-Seite, also ein Angebot, in dem man Hinweise auf gecrackte Software und Seriennummern bekommen hat. Im Jahr 2002 haben wir das ganze übernommen und den illegalen Kram weggenommen. Wir wollten stattdessen einen Einstieg liefern, Informationen und Suchmöglichkeiten bieten. Und von da an ist es vor allem als Community gewachsen und ab 2005 dann auch als Newsportal. Jetzt habt ihr Gulli an einen neuen Betreiber abgegeben und ein Buch über Gulli geschrieben. Wer soll das lesen? Wir wollen einerseits die Leute erreichen, die sich für die Netzuntergrund-Szene interessieren. Andererseits könnte das Buch auch lesenwert sein für Leute, die sich für Communities im Netz interessieren - Mitglieder, Betreiber oder auch einen Kulturwissenschaftler, der eine Fallstudie aus der Praxis sucht.. Du bist seit 2000 als korrupt auf dem Gulli-Board aktiv. Welche Schlüsse ziehst Du aus dieser Zeit? Es ist irgendwann schon deprimierend, wenn man feststellt, dass man machen kann was man will, sich aber am Ende doch auf der Stelle bewegt. Letztens sollten wir eine Stellungnahme abgeben zum Thema Strafverschärfung wegen Internet-Urheberrechtsverstößen und ob das was bringt. Das ist unglaublich frustrierend, dass man immer noch auf dieser Ebene diskutiert wird. Wie meinst du das? Na, diese ganze Debatte läuft schon so lange. Man weiß einfach, dass die höheren Strafen und höhere Geldstrafen oder Schadensersatz-Summen am Ende nichts bringen. Trotzdem geht die Entwicklung in diese Richtung. Auch deshalb weil es eine ganze Menge an Akteuren gibt, die auf diesem juristischen Gebiet ihr Auskommen gefunden haben. Es gibt mehr Kanzleien, die da verklagen, es gibt mehr Unternehmen, die Überwachungsmaßnahmen im Netz durchführen und die brauchen dann auch mehr Opfer, damit sich die Arbeit irgendwie finanziert. Die Akteure versuchen das Problem von Urheberrechtsverletzungen im Netz so einer Lösung anzunähern. Glaubst du, dass das gelingt? Nicht wirklich. Es hat schon vor vier Jahren immer geheißen, das ganze sei ein temporäres Problem, das man löst, wenn man es juristisch bekämpft. Es scheint aber ein bestehendes Problem zu bleiben. Auf der nächsten Seite: Richard spricht über mögliche Lösungs-Ansätze, über Wechselfestplatten und wertige Originale.


Was könnte denn eine Lösung sein? Rein juristisch wird es nicht gelingen. Wer will, dass die Leute ein Originalprodukt kaufen, muss ihnen einen Mehrwert liefern. "Es wird aber das Gegenteil versucht: damit ist man mit dem CD-Kopierschutz schon auf die Nase gefallen, und trotzdem weiß man heute bei einer gekauften Audiodatei nicht, ob sie in fünf Jahren noch auf meinem Rechner, meinem Handy, meinem mobilen Player läuft, und bei der MP3 aus der Tauschbörse weiß man das aber. Das sind meines Erachtens ganz elementare Dinge, die sich ändern müssen: Es kann nicht sein, dass die zahlenden Kunden benachteiligt werden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Aber es gibt auch Leute, die man selbst mit einem guten mehrwertigen Original nicht überzeugen kann. Für die ist es quasi ein Sport, als erster eine Kopie zu haben. Das ist eine relative kleine Gruppe in der so genannten Releaser-Szene. Denen geht es nicht darum, einen Film vor allen anderen zu sehen, die wollen einfach die Datei. Aber man muss schon bedenken: Das sind sehr medienaffine Leute, die sich vielleicht durchaus eine Luxus-DVD kaufen. Denn ein solches Szene-Release muss ja ganz bestimmten Kriterien entsprechen, damit es die maximale Qualität hat. Aber das ist eine sehr kleine Gruppe. Trotzdem wird sie juristisch verfolgt. Das stimmt. Aber man muss sich darüber im Klaren sein: Die Tatsache, dass die digitale Kopie überall verfügbar bzw. sehr leicht zu vervielfältigen ist, wird sich in den nächsten zehn Jahren nicht zurückentwickeln. Im Gegenteil: Die Speicherkapazitäten werden immer höher, die Datenraten werden immer größer. Vor zehn Jahren hat man noch Daten auf einer Diskette durch die Gegend getragen, heute packt man eine Wechselfestplatte in den Rechner. Das heißt: Selbst wenn man im Internet juristisch aufräumt, im rein physikalischen Bereich, wo die Leute ihre Daten unter Freunden tauschen, wird man nichts machen können. Deshalb geht es darum, den Menschen Gründe zu liefern, das Original zu kaufen. Wie wird sich diese Frage in den nächsten Jahren technisch entwickelt? Das Prinzip von One-Click-Hostern wird sich vermutlich noch recht lange halten. Denn selbst wenn es zu juristischen Gegenmaßnahmen gegen Rapdishare als Platzhirsch auf diesem Gebiet kommen sollte, werden einige Konkurrenten in den Startlöchern stehen, die dann das gleiche Angebot haben, aber eben nicht von Europa aus. Das ist aber kein technischer Fortschritt, nur eine Entwicklung, die man auch in der Vergangenheit gesehen hat: Der eine geht, dann kommt der nächste. Da kann man nichts machen. Und technisch? Mich würde es nicht wundern, wenn diese physikalische Geschichte an Bedeutung gewinnt. Das wird zwar wenig in Erscheinung treten, weil man es nicht so mitkriegt, wenn Leute privat einfach ihre Wechselfestplatten tauschen. Vielleicht hat man in fünf Jahren seine gesamte Plattensammlung einfach auf seinem Handy und kann sie dann innerhalb von kurzer Zeit auf ein anderes Gerät kopieren. Darüberhinaus kann ich mir auch vorstellen, dass private W-Lans oder Bürgernetzwerke sich entwickeln. Vielleicht ein bisschen so wie in WGs, wo viele ja ihren Fileserver auf dem Flur stehen haben. Das ganze aber ein wenig größer gedacht. Wir haben übrigens bereits im Jahr 2006 mit Richard gesprochen - damals ging es um die Aktion Wir haben bezahlt, in der Richard sich für Musik ohne Kopierschutz stark macht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Buch kann über Amazon oder Books on Demand als Druckversion bezogen werden. Auf gulliwars gibt es das PDF kostenfrei.

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