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„Da draußen wartet jemand auf euch“
jetzt.de: Die zentrale Botschaft eures Videos lautet „Nature misses you“. Tut sie das wirklich oder wäre sie ohne uns nicht vielleicht besser dran?
Steffen Wilhelm: Vielleicht wäre die Natur ohne uns sogar sehr viel besser dran. Aber diese Frage hilft niemandem weiter und stellt sich auch gar nicht, weil wir Menschen eben existieren und damit ja auch Teil dieser Natur sind. Wir können uns ja nicht in Luft auflösen, also müssen wir versuchen, miteinander auszukommen. Und das hat ja früher auch mal ganz gut funktioniert. Aber wir leben mittlerweile nun mal in Städten und haben dadurch automatisch den engen Bezug zur Natur verloren. Darum ist es bei WE MISS YOU die Natur selbst, die den ersten Schritt auf uns zu macht und die uns daran erinnert, wie nahe man sich einmal war.
http://www.youtube.com/watch?v=NHEpnc5sdvk
Kannst du in einigen Sätzen zusammenfassen, worum es euch mit eurer Kampagne geht?
Es geht uns darum, die Natur mit einem positiven, mit einem schönen Gefühl zu verbinden und nicht mit dem Zwang, unbedingt etwas tun zu müssen. Das Zitat „Man schützt nur, was man liebt“ bringt es ganz gut auf den Punkt. Wir sehen das ja an uns selbst: Man ist einfach faul. Und nur weil ich weiß, dass alles den Bach runter geht und mir ständig mit dem Ende gedroht wird, fange ich noch lange nicht an, etwas dagegen zu tun. Im Gegenteil: ich fühle mich eher gedrängt und überfordert und tue gar nichts. Wenn mir aber etwas am Herzen liegt, kümmere ich mich gerne darum. Darum wollten wir den Zuschauern die Natur wieder ans Herz legen. Es geht auch nicht darum, dass wir alle unsere Handys und Laptops verschrotten sollen, die Koffer packen und zurück aufs Land ziehen. „Nature misses you“ ist vielmehr eine Botschaft nach dem Motto: „Hey, da draußen wartet jemand auf euch! Also geht ab und zu raus, schaut euch um und habt keine Angst, dass euch jemand böse ist. Lernt euch einfach wieder kennen und lieben.
Wie unterscheidet sich eure Kampagne von anderen Umweltkampagnen?
Die meisten Umweltkampagnen sagen uns ja direkt, was wir konkret tun oder lassen sollen, um unser Verhalten zugunsten der Natur zu verändern. Und das ist auch gut so. Doch es hat auch immer den Beigeschmack, als würde jemand den Zeigefinger heben. Also wollen wir den Menschen nichts vorschreiben, sondern erreichen, dass sie eine persönliche Emotion mit der Natur verbinden. Sie sollen freiwillig und von sich selbst aus darauf kommen, was ihnen wichtig ist und wofür sie sich eventuell einsetzen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ein Still aus "We miss you".
Das Video ist fast schon hollywoodreif inszeniert und sieht sehr teuer aus. Wie viel Planung steckt in diesem Konzept?
Danke, der Vergleich mit Hollywood freut uns natürlich! Und für studentische Maßstäbe war dieser Film auch wirklich sehr teuer. Der Dreh hat uns 20.000 Euro gekostet. Davon wurde ein Grundbudget von unserer Filmakademie Baden-Württemberg gestellt und der Rest durch Spenden und leider auch privat finanziert. Trotzdem reicht dieses Geld natürlich hinten und vorne nicht, und darum war die Planung sehr viel länger und aufwendiger als unter professionellen Umständen. Man muss ja sehen, dass bei einem Studentenprojekt niemand bezahlt werden kann. Man ist also vom Team bis hin zu den Schauspielern und Komparsen auf freiwillige Hilfe und Mitarbeit angewiesen. Für diese zwei Tage, an denen der Film gedreht wurde, mussten wir ja eine Hauptstrasse in der Frankfurter Innenstadt sperren, sie in New York verwandeln und 30 amerikanische Autos auftreiben, die sich das komplette Osterwochenende in unseren künstlichen Stau stellen. Die Vorbereitungen dafür haben vier bis fünf Monate gedauert. Und ohne unser großartiges Team wäre dies niemals möglich gewesen. Aber es war unglaublich, zu sehen, was alles möglich ist, wenn man wirklich dafür brennt.
Wie du sagst, habt ihr als Schauplatz des Videos New York gewählt. Ist das auch eine politische Botschaft?
Nein, auf keinen Fall. Wir sind keine Politiker, sondern Filmemacher, die den richtigen Weg finden müssen, ihr Thema umzusetzen. Wir hätten auch eine deutsche Großstadt wie Berlin als Schauplatz wählen können. Aber wir wollten unseren Film und damit die Botschaft international verständlich machen. Und da bietet sich New York als eine der bekanntesten Städte der Welt natürlich an. Auch weil diese Stadt mit ihrer Architektur und der ganzen Hektik als Symbol für eine menschliche Zivilisation steht, aus der die Natur ausgeschlossen wurde.
Wie kommt man denn als Filmstudenten auf die Idee so viel Zeit und Geld in eine Kampagne für die Umwelt zu investieren?
Letztendlich zwingt einen die eigene Leidenschaft und das Herzblut für ein Projekt dazu, wie die Wahnsinnigen dafür zu arbeiten und teilweise auch Schulden oder Misserfolge in Kauf zu nehmen. Die Frage müsste also eher lauten: wie kommt man überhaupt auf die Idee, Filmstudent zu werden, aber das würde hier zu weit führen...
Du sagst, Ziel ist es, die Menschen wieder dazu zu bringen, sich mit Natur auseinander zu setzen. Wie soll diese Auseinandersetzung aussehen?
Wie diese Auseinandersetzung aussieht, können und wollen wir nicht bestimmen. Wichtig ist, dass sie sich überhaupt mit der Natur auseinandersetzen. Denn das haben wir persönlich vor diesem Projekt nicht getan und alleine dadurch wäre schon eine Menge erreicht. Und es ist wundervoll, an den Reaktionen aus aller Welt zu sehen, dass die Leute genau das tun: sie beschäftigen sich mit der Natur.
Die Menschen, die ihre Gedanken zum Video auf eurer Website posten, zeigen sich sehr berührt. Hast du nicht die Sorge, dass es nach dem bekannten Prinzip laufen könnte: Heute berührt es, morgen ist es schon wieder vergessen?
Natürlich besteht diese Gefahr und natürlich wäre es schöner, wenn es morgen eben nicht schon wieder vergessen wäre. Aber selbst dann würde gelten: einmal ist immer noch besser als keinmal. WE MISS YOU ist eine Idee, ein Gefühl. Und wenn ich mich mit diesem Gefühl einmal auseinander gesetzt habe, wird davon vielleicht zumindest ein kleiner Teil hängen bleiben. Und das ist unsere Hoffnung. Nun müssen wir nur schauen, dass es sich auf der ganzen Welt verteilt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
War Naturschutz schon immer ein großes Thema für dich?
Nein, leider nicht. Und genau darum sind Sebastian Bandel (Produzent, Anm. d. Redaktion) und ich im Nachhinein so begeistert, dass unsere Regisseurin Hanna Maria Heidrich mit dieser Idee zu uns kam. Denn wie schon gesagt: Wir haben am eigenen Beispiel gesehen, dass so was wie Naturschutz plötzlich ein Thema werden kann, wenn man sich auf eine Art und Weise damit auseinandersetzt, die einen berührt und beschäftigt.
Wie engagierst du dich für die Natur?
Bislang beschränke ich mich noch darauf, die Botschaft unserer WE MISS YOU Kampagne in die Welt zu tragen. Aber das ist schon mal ein Anfang und sobald ich danach Zeit für andere Dinge habe, werden wir sehn.
Was läuft denn deiner Meinung nach falsch in diesem Bereich?
Ich weiß nicht, ob ich das beurteilen kann. Ich hatte nur bemerkt, dass mich herkömmliche Umweltkampagnen schlicht und einfach gar nicht erreicht haben. Und das ist doch eigentlich schade, weil sie ja für eine gute Sache kämpfen. Vielleicht stört mich, wie allgemein an das Thema Umwelt herangegangen wird. Es wird uns ein schlechtes Gewissen eingeredet, gegen das wir etwas tun sollen. Dabei wäre es vielleicht besser, in uns die Begeisterung dafür zu wecken, etwas tun zu wollen.
Mit eurem Video habt ihr bei den Filmfestspielen in Cannes in drei Kategorien gewonnen, darunter den Special Jury Award. Hat sich seit dem viel für euch verändert?
Eigentlich nicht. Solche Preise bringen natürlich erstmal eine Aufmerksamkeit und in Cannes Gott sei dank auch Freigetränke. Die Stadt ist so teuer, dass wir uns den Trip dorthin sonst nicht hätten leisten können. Aber sowohl die Freigetränke als auch die Aufmerksamkeit sind ja nur von kurzer Dauer und darum muss jeder schauen, ob und wie er das alles für sich nutzen kann. Unsere Regisseurin bekommt seitdem zumindest noch mehr Jobangebote als vorher. Aber das hat sie sich auch redlich verdient.
Wie geht es für dich persönlich weiter?
So genau weiß ich das noch nicht. Ich habe ja meinen Abschluss jetzt in der Tasche und mache mich auf die Suche nach dem passenden Job. Ich weiß, dass ich weiterhin Geschichten entwickeln und auf die Leinwand bringen will. Ob das nun erstmal in der Werbung oder im Spielfilmbereich ist, das wird sich hoffentlich zeigen.
Text: pierre-jarawan - Fotos: wemissyou.de