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"College ist die Zeit, um Dummheiten zu machen"

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jetzt.de: Colin, bevor wir über deine Jugend sprechen – was heißt das eigentlich, Jugend?
Colin Caulfield: Ich glaube, Jugend ist etwas, das sich ständig verändert, und das sich vor allem im Kopf abspielt. Jugendlich kann man sich in ganz unterschiedlichen Lebensphasen fühlen. Das verstehe ich aber auch erst, seit ich etwas älter bin.

In welche Phasen würdest du denn Jugend unterteilen?
In Amerika dreht sich ziemlich viel ums Schulsystem. Wenn ich darüber nachdenke, wie mein gesamtes bisheriges Leben eingeteilt war, würde ich sagen: Grundschule, High School, College. Für meine Jugend und Entwicklung war aber noch etwas anderes sehr wichtig, nämlich als ich ein halbes Jahr lang in Paris gelebt habe. Das ist jetzt knapp zwei Jahre her. Diese Zeit hat mich geprägt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sänger und Songwriter Colin Caulfield alias Young Man.

Die Zeit davor nicht?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich nicht wirklich schnell entwickelt und wurde erst zum Ende der High School langsam erwachsen. Die ersten 16 Jahre meines Lebens war ich so ziemlich ein und dieselbe Person.

Wie wurdest du dann erwachsener?
Ich habe angefangen, neue Dinge auszuprobieren

Auf deinem Album singst du, du hättest in deiner Jugend immer zu viel nachgedacht. Hat dich das Nachdenken nur davon abgehalten, erwachsen zu werden, oder war es auch mal hilfreich?
Ich glaube, es war genauso hilfreich wie hinderlich. Hinderlich war vor allem die Tatsache, dass ich immer nur über die Zukunft oder über die Vergangenheit nachgedacht habe, und dadurch die Gegenwart gar nicht richtig mitkriegen konnte. Ich habe mich zu sehr von meinen Gedanken stressen lassen, obwohl es oft Gedanken über Dinge waren, die ich gar nicht kontrollieren konnte oder kann.

Gab es noch etwas anderes, das dich vom Erwachsenwerden abgehalten hat?
Meine Ängste in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich habe ständig überlegt, wie mich andere finden. Dieses Problem war natürlich vor allem an die Schul- und Collegezeit geknüpft, in der man immer darum bemüht ist, einen möglichst guten Ruf zu haben. Ich habe mir einfach zu viele Sorgen gemacht, und das hat mich definitiv davon abgehalten, schneller erwachsen zu werden. Ich hätte mich mehr auf mich selbst konzentrieren sollen.

Einmal singst du auf deinem Album: „Lazy standing by the door, feeling wasted, but I want more.” Liebeskummer, Zeitverschwendung oder Partyleben – wovon handelt dieses Lied?
Hier geht es tatsächlich nur darum, auf einer Party zu betrunken zu sein, aber doch nicht weg zu wollen.

Typisch für deine Collegezeit?
Ja, das war es, aber das kennen wir ja alle, wenn wir da stehen und merken, dass wir langsam die Kontrolle verlieren und trotzdem weiter trinken und dadurch noch näher an den Abgrund kommen. Die Hilflosigkeit, die man dann spürt, könnte ganz allgemein als Metapher für meine Collegezeit stehen. Ich wollte die Dinge kontrollieren, konnte es aber nicht.

Was konntest du noch nicht kontrollieren?
Ich hatte während der gesamten Collegezeit eine Fernbeziehung, die gleichzeitig kontrollierbar und kontrollierend war. Einerseits hatte ich dadurch nicht den innerlichen Druck, ständig jemanden kennen lernen zu müssen und konnte auch mal einfach in meinem Zimmer bleiben und Klavier oder Gitarre spielen. Andererseits hat mir die Fernbeziehung auch ein Stückweit meinen Lebensstil am College diktiert.

Würdest du es trotzdem noch mal und genau so machen: College mit Fernbeziehung?
Ich glaube nicht. Denn College ist eigentlich die Zeit, um Dummheiten zu machen. Im College sollte man sich nicht in zu ernste und auch noch zu zeitaufwendige Situationen begeben. Ich versuche aber, nichts zu bereuen. Denn wäre damals alles anders gewesen, würde ich jetzt auch jemand ganz anderes sein. Und das würde womöglich bedeutet, dass ich jetzt auch nicht hier sitzen und über mein Album sprechen könnte.

Ein weiterer Song darauf heißt „21“. Ein wichtiger Geburtstag für dich?
Mit 21 ist man in Amerika ja schon rein rechtlich gesehen erwachsen. Mit 16 kann man den Führerschein machen, mit 17 in R-Rated-Filme gehen, mit 18 rauchen und mit 21 fast alles machen, außer Autos mieten, und das wird sich auch noch ändern. Was aber kommt nach 21? Eigentlich nichts!

Was passierte bei dir ab 21?
Als ich 21 wurde, war ich gerade kurz vor dem Collegeabschluss, und ich und alle um mich herum waren total gestresst vom Lernen und wollten nicht, dass diese Zeit vorbei ist. Alle haben sich ständig über alles beschwert. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass es alles andere als cool ist, sich selbst zu bemitleiden, nur weil man bald nicht mehr so locker leben kann wie bisher.

War der Collegeabschluss dann das Ende deiner Jugend?
Genau so hat es sich angefühlt. Bis dahin war ich 16 Jahre lang immer in irgendeiner Form von Schule. Das ist so lang! Der Collegeabschluss war zwar nicht das Ende der Party, aber das Ende der Jugend schon.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



„Volume 1“ von Young Man erscheint am 25. Mai auf Tom’s Apple Records/Rough Trade.

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