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Can I Get A Right? Studenten trampen an die Grenze der Freiheit
Anna Kogut, 28, studiert Kommunikationswissenschaft in Amsterdam und hat zusammen mit einer Jugendgruppe von Amnesty International "Can I Get A Right" organisiert. Seit dem 6. März trampen junge Menschen aus ganz Europa an die weißrussische Grenze, um gegen die Menschenrechtsverletzungen dort zu demonstrieren und um die Menschen auf dem Weg zur Grenze über die Lage in Weißrussland zu informieren. Am 9. und 10. März waren sie in Berlin zu Besuch. Von wem kam die ungewöhnliche Idee nach Weißrussland zu trampen? Das besondere ist, dass unsere Gruppe in Amsterdam sich das selbst ausgedacht und durchführt hat. Amnesty International an sich stellt nur verschiedene Strukturen zur Verfügung, die wir nutzen können. Bei den aktiven AI-Mitgliedern bestimmt immer das Interesse das Engagement. Andere Gruppen in Holland machen zum Beispiel viele Aktionen zu der Situation in China. Bei mir hat das auch einen persönlichen Hintergrund, da meine Eltern selbst politische Flüchtlinge im damals kommunistischen Polen waren. Wie lange seid ihr schon unterwegs? Seit etwas mehr als einer Woche. Bis heute sind wir knapp 2 000 Kilometer getrampt, aber wir haben auch ein paar Umwege gemacht. Zuerst wollten wir einfach direkt nach Berlin fahren, aber wir haben uns dann kurzfristig entschieden, noch einige Gruppen in Bonn und Hannover zu besuchen. Dort haben sich uns auch noch ein paar Leute angeschlossen. Das Ziel war auch, eine Vernetzung zwischen den einzelnen Studentengruppen zu schaffen. Wie ist die Situation auf der Straße? Ich bin noch nie zuvor getrampt und dachte es wäre sauschwierig. Aber eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Wir hatten bis jetzt noch keine Probleme. Man muss nur immer von Tankstelle zu Tankstelle fahren. Ich glaube, das hat auch einen psychologischen Grund, weil man eben Zeit hat, den Leuten zu erklären, was man eigentlich macht und welchen Hintergrund unsere Aktion hat.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wie reagieren die Leute, die euch mitnehmen? Versucht ihr ein Bewusstsein für die Situation in Weißrussland zu schaffen? Wir machen keine Missionsarbeit, aber das ergibt sich meistens von alleine, wenn man merkt, dass die Leute interessiert sind. Meistens ist das warum auch erst die zweite Frage. Zuerst geht es darum, wohin wir fahren. Es gibt natürlich Leute, vor allem jüngere, die es kein Stück interessiert, was hinter ihrer Grenze passiert, und andere, die sehr gut informiert sind. Letzens waren wir mit zwei Geschäftsleuten im Auto, die ganz gut Bescheid wussten. Als wir ihnen von der aktuellen Situation erzählt haben, zum Beispiel dass oppositionelle Gruppen stark unter Druck gesetzt werden, stieß das bei auch bei ihnen auf großes Interesse. Das war eh erstaunlich, dass die uns überhaupt mitgenommen haben. Ihr seid noch bis Donnerstag unterwegs. Was passiert, wenn ihr an der weißrussischen Grenze ankommt? Die meisten werden einfach Richtung Amsterdam zurückfahren. Eine Einreise ist schwierig, da die Visabestimmungen in Weißrussland sehr restriktiv sind – vor allem für Menschenrechtsaktivisten. Es gibt aber auch Leute, die auf eigene Faust weiter fahren wollen. Die müssen sich aber über die Risiken bewusst sein, die sie in einem quasi-totalitären Staat erwarten. Wir hören dort auf, weil es ja auch eine symbolische Grenze ist – bis dahin sind wir frei, können reisen und auch auf unsere Sache aufmerksam machen, in Weißrussland selbst geht das einfach nicht. Warum endet eure Aktion schon am Donnerstag und nicht erst am Wahltag? Der Donnerstag ist ein symbolisches Datum, ein internationaler Tag der Solidarität mit den Menschen, die im Laufe der Zeit in Weißrussland verschwunden sind, beispielsweise zwei Oppositionspolitiker am 16. März 1999. Dann treffen wir uns mit Leuten von Amnesty International Weißrussland, die illegal über die Grenze kommen und übergeben ihnen eine Petitionsliste. Am Wochenende seid ihr in Berlin gewesen – welche Aktionen hat es dort gegeben? Wir haben versucht in der weißrussischen Botschaft eine Petitionsliste abzugeben, die ausgerollt knapp 50 Meter lang ist. Dort zeigen junge Leute ihre Solidarität mit Nikita Sasim, einem Aktivisten der Jugendbewegung Zubr, der vor einiger Zeit inhaftiert wurde. Nach längerem Hin und Her hat man uns auf das Gelände gelassen. Letztlich abgeben konnten wir die Liste aber nicht, denn das Verhältnis zwischen Amnesty und der weißrussischen Regierung ist sehr schwierig. Da finden kaum noch Gespräche statt. Aber wir werden es weiter versuchen, es liegen ja noch ein paar Konsulate und Botschaften auf dem Weg. All das haben wir auch gefilmt, da der Regisseur Sebastian Heinzel einen Film über unsere Reise plant. Am Ende eurer Reise wollt ihr Fackeln entzünden. Das klingt alles sehr symbolisch – kann diese Form von Protest überhaupt etwas bewegen? Wir versuchen ein Bewusstsein zu schaffen für die Probleme, die es in Weißrussland gibt, obwohl das Land direkt an den Grenzen der EU liegt. Falls wir die Liste nicht an eine offizielle Stelle abliefern können, passiert all das natürlich auf einer symbolischen Ebene. Aber dann geben wir die Rolle eben an die Leute von AI in Weißrussland, die würden sich sicherlich auch darüber freuen. Man muss bedenken, dass die Repressionen vor der Wahl noch schlimmer geworden sind. So ist zum Beispiel der Präsidentschaftskandidat Alexander Kazulin vor zwei Wochen auf offener Straße zusammengeschlagen worden. Wir hoffen, dass unsere Aktion verückt genug ist, dass auch andere Leute anfangen zu denken und zu handeln. Fotos: Nils Panik, canigetaright.org