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Brauchen wir den Beruf des Fotografen noch? Ein Interview
Herr Demuth, fast alle haben wir eine Digitalkamera, eine Handykamera, Menschen hängen sich Poster ihrer selbstgemachten Bilder in die Wohnung, Leserreporter fotografieren für Zeitungen – brauchen wir den Beruf des Fotografen noch? Ja. Ab einem gewissen Qualitätsstandard trennt sich nach wie vor die Spreu vom Weizen. Wenn es um den richtigen Einsatz von Licht geht, um gekonnte Still Lifes oder um Großbildaufnahmen, dann ist nach wie vor der Beruf des Fotografen gefordert. Aber sicherlich ist der zu verteilende Kuchen kleiner geworden: Viele Grafiker machen heute mit ihrer Digitalkamera und Photoshop Aufträge selber, die früher an Fotografen rausgegeben wurden. Finden Sie es gut, dass jeder überall alles festhalten kann? Es ist sicherlich gut, wenn jeder die Technik zur Verfügung hat. Aber ich persönlich muss sagen, die große Gefahr der Digitalisierung sehe ich in der wahllosen Knipserei und der sofortigen Löschbarkeit. Das ist der Unterschied zum analogen Bild – da musste man einen Film kaufen und hat sich beim Fotografieren in der Regel mehr Mühe gegeben. Es kostete schließlich alles Geld: Entwickeln lassen, Abzüge machen und und und. Aber der Qualität eines Bildes tut es auch gut, wenn man sich vorher Gedanken macht, was man für ein Bild machen will. Und nicht einfach sinnlos drauf hält. In Ihrem Studiengang muss man sich mit Mappen bewerben, oder? Ja. Was fotografieren Ihre Bewerber? Was halten die Bewerber für den Fotodesign-Studiengang für gut? Naja, so lässt sich das nicht sagen. Die Bewerber sind teilweise sehr junge Leute. Die haben gerade Abitur gemacht und … wir haben dann auch Mappen, in denen ein Familienfoto, ein Gartenbild … Ja? … ein Sammelsurium von allen möglichen Sujets vorkommt, das das heimische Flair widerspiegelt. Bei manchen Mappen denkt man dann schon: ‚Ei ei ei, da wäre es gut, wenn sie mal ein Praktikum vorher machen würden!’ Solche Mappen haben wir auch - und es sind gar nicht so wenige, bei denen eben noch gar nichts ausgeprägt ist. Spiegelt sich das Interesse am Fotografieren in den Bewerberzahlen wider? Schon. Aber wir hatten immer extrem hohe Bewerberzahlen – letztes Jahr waren es etwa 400. Aber das heißt nicht, dass die Mappen heute besser sind.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Knipsen, dauernd. Wieviele werden genommen? Aufnehmen können wir zwischen 40 und 50. Wie mache ich Sie bei der Auswahl am besten auf mich aufmerksam? Ich rate immer noch jedem, vorher ein Praktikum zu machen. Geh zu einem Fotografen, zu einer Filmproduktion oder in ein Labor und schau dir an, was der Beruf bedeutet. Die wenigsten können schließlich von ihrer Fotokunst leben und nicht jeder wird ein Gursky oder ein Tillmanns. Der Rest verkauft zwar ab und zu Bilder im künstlerischen Bereich, aber deine Brötchen verdienst du eigentlich mit Auftragsarbeiten. Und da ist es nicht unbedingt leichter geworden. Was muss ich heute tun, um von meinem Fotograf-Sein leben zu können? Sie müssen sich stärker eine Nische suchen und da eine eigene Handschrift entwickeln. Fotografen, die sehr gut mit Licht umgehen können und gestalterisches Potenzial haben, die kriegen auch gute Aufträge. Daran hat sich nichts geändert.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Knipsen, immer. Welcher Art sind diese Aufträge? Das ist Werbung, Architekturfotografie, Peoplefotografie für Journale, Illustrierte, Wohnjournale und und und. War es vor zehn Jahren für ihre Absolventen leichter, sich auf dem Markt durchzusetzen? Ja. Es ist schwieriger geworden. Eben mit der zunehmenden Digitalisierung. Wenn jeder so einen Apparat meint bedienen zu können, spart er sich einen Fotografen. Wird der Beruf des Fotografen aussterben? Glaube ich nicht. Nein. Er wird sich wandeln, vielleicht muss ein Fotograf künftig mehr anbieten. Das machen manche ja schon, dass sie für den Kunden gleich die Gestaltung des Folders mitmachen - grafische Sachen eben. Das Feld wird breiter werden und der Beruf des Fotografen stirbt mit Sicherheit in absehbarer Zeit nicht aus. Weil ich hoffe – und manche Anzeichen deuten darauf hin, wenn man mit Fachleuten spricht – dass das Qualitätsbewusstsein wieder steigt. Für die Digitalknipser, die nur draufdrücken, wird es dann wieder schwerer. Weil sie die Qualität nicht liefern können.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Klaus Demuth
Und wenn die Amateure aufholen? Die Kameras nehmen mir viel Arbeit ab, ich kann mir mittels Internet leichter als früher die entscheidenden Techniken beibringen …
Natürlich gibt es sehr ambitionierte Amateure, die hat es aber auch früher gegeben. Klar, der Standard hebt sich vielleicht. Aber wo sich die Spreu vom Weizen ganz schnell trennt, das ist nach wie vor die Mittelformat-Fotografie und dann der Großbildbereich. Da gehört Know-How dazu, egal, ob man analog oder digital fotografiert. Wenn du da von Gestaltung keine Ahnung hast, bist du ganz schnell am Ende.
Sagen Sie mir zwei Fotografen, die in Ihren Augen heute für Qualität stehen.
Wer für experimentelle Fotografie steht und mit der Camera Obskura eine künstlerische Karriere gemacht hat und vorher Auftragsfotograf war, das ist der Günther Derleth in Fürth.
Der war bei Ihnen an der Schule?
Nee. Das ist nur ein Fotograf, der irgendwann gesagt hat, er will diesen Digitalisierungswahnsinn nicht mitmachen. Er hat sich dann auf die Camera Obscura verlegt, hat auf der Biennale in Venedig ausgestellt - dem ist der Sprung gelungen (hier eine Auswahl seiner Bilder). Und ansonsten würde ich sagen: der Hubertus Hamm in München. Das ist ein ausgesprochen toller Still Lifer, der sicherlich auch nach wie vor gut im Geschäft ist.
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Warum eine Fotopause nicht schaden würde: Hier liest du Dirk von Gehlens Plädoyer gegen das sinnfreie, ständige Fotografieren.
Text: peter-wagner - Fotos: dpa, afp, privat