Schauspiel-Studenten protestieren: Christiane Boehleke, Dominik Lindhorst, Alexander Scala und Johanna Fülle (von links). (Fotos: oh)
Eure Boykott-Gemeinschaft basiert also nur auf Vertrauen?
Im Grunde schon. Wir sind nicht unübersichtlich viele wie an den großen Unis, die mit der Vereinzelung der Studenten einen ganz anderen Ausgangspunkt für die Boykottversuche haben als wir: Wir kennen uns sehr gut untereinander. Deshalb können wir Neuigkeiten rasend schnell an alle verbreiten und ständig miteinander sprechen und so dafür sorgen, dass alle zusammenbleiben und das Vertrauen nicht verlieren. Der Solidaritätsgedanke geht so weit, dass wir uns im Notfall gegenseitig mit Geld aushelfen oder mal für ein paar Wochen ein Zimmer teilen können. Dieser Zusammenhalt ist uns wichtig und die Voraussetzung für einen Boykott ohne Absicherung durch ein Treuhandkonto.
Darüber hinaus haben wir aber auch abgemacht: Falls einer Muffensausen bekommt und seine Studiengebühren nun doch an die Uni überweisen möchte, muss er sich vorher melden. So steht es in der Absichtserklärung, die wir alle unterschrieben haben, damit etwaigen Wankelmütigen ein Schriftstück unter die Nase gehalten werden kann, damit sie ihre Meinungsänderung noch mal am Papier überprüfen können. Trotzdem können wir natürlich niemanden zwingen mit zu boykottieren, oder den ganzen Weg bis zum Ende mitzugehen.
Wie groß ist Eure Angst vor Exmatrikulation?
Natürlich haben wir Angst – aber nicht zu große. Schließlich haben wir das Hochschulgesetz auf unserer Seite. Danach kann kein Student, der eine Semesterbescheinigung für das laufende Semester hat, vor dem Semesterende am 30. September exmatrikuliert werden. Zudem muß er oder sie sofort nach Einzahlung der fälligen Gebühren wieder immatrikuliert werden. Juristisch sind wir also ordentlich immatrikulierte Studenten, obwohl wir die Studiengebühren für das aktuelle Semester zurückhalten. Dass der Hamburger Wissenschaftssenator Dräger, wie wir gehört haben, jetzt eine Art Eil-Exmatrikulation aller Nichtzahler durchsetzen möchte, ist deshalb rechtswidrig und könnte ihm große Schwierigkeiten bereiten.
Warum muss die Künstlerausbildung umsonst sein? Und was hat Monica Bleibtreu mit dem Protest zu tun? Teil zwei des Gesprächs auf der nächsten Seite.
Wie positioniert sich Eure Hochschulleitung zu Eurem Vorhaben?
Professor Lampson, der Präsident der HfMT, befürwortet die Studiengebühren. Uns ist unerklärlich, warum, denn die Gebühren der meisten Studenten an unserer Schule gehen sowieso nicht an die HfMT, sondern an die Universität, wo viele von uns zusätzlich zum HfMT-Studium sind. Deshalb würde die HfMT aus den Studiengebühren nur etwa 300.000 Euro im Semester bekommen – das reicht gerade mal aus, um der Musikhochschule einen neuen Flügel zu kaufen. Dass Herr Lampson die Freiheit der Kunst einfach opfert, anstatt die 300.000 Euro vom Senat zu verlangen, ist allerdings bemerkenswert.
Warum muss die Ausbildung von Künstlern gebührenfrei sein?
Weil die Zahlen schon jetzt zeigen, dass in den Studiengebührenländern die Studentenzahlen an Kunsthochschulen zurückgegangen sind. Die hohe Verschuldung, die ein solches Studium bedeutet, schreckt ab. Wir Schauspielstudenten sind dazu angehalten bis verpflichtet, in unserer Freizeit an regulären Kunstproduktionen mitzuarbeiten. Zum Beispiel spielen wir im Thalia-Theater, werden aber nicht bezahlt dafür. Diese vielen Projekte müssten entweder entlohnt werden oder auf eine freiwillige Basis gestellt – denn nach einem 20-Stunden-Tag kann ich nicht noch zusätzlich für Studiengebühren jobben. Ein Stipendiensystem für Schauspieler gibt es nicht. Die Studienkredite sind auch keine guten Angebote. Zum einen bekommt man sie nur für ein Erststudium – aber beispielsweise für das Regiestudium an der HfMT ist ein abgeschlossenes Erststudium Aufnahmebedingung. Zum anderen: Schon ohne die Gebühren muss ich für mein Studium 17.000 Euro Kredit aufnehmen. Mehr ist angesichts der Aussicht auf ein Einstiegsgehalt von 1550 brutto nicht zumutbar, zumal ich als Schauspielerin sowieso ganz klar mit Phasen zukünftiger Arbeitslosigkeit rechnen muss.