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„Bei mir muss alles seine Ordnung haben“
jetzt.de: Tim, du warst Fußballspieler bei Union Berlin, hast Theologie studiert und als Auto-Auktionator gearbeitet. Jetzt bist du Vollzeit-Musiker. Hängt das alles mehr miteinander zusammen, als es zunächst scheint?
Tim Bendzko: Ich bin ja nicht erst jetzt Musiker geworden. Musiker war ich schon die ganze Zeit. Selbst beim Fußball, da hat mein Trainer immer gesagt: ‚Tim, sing doch mal was!’
Kam eine Karriere als Fußballer für dich nicht in Frage?
Ich habe regelmäßig Versuche gestartet, mit dem Fußballspielen aufzuhören, bin dabei aber nicht an meiner Mutter und meinem Trainer vorbeigekommen. Die waren der festen Überzeugung, dass ich mal ein ganz Großer werde. Und als Kind lässt man sich ja eher mal dazu breitschlagen, etwas weiterzumachen. Natürlich hatte ich auch Spaß am Fußball, aber als ich 16 war und angefangen habe, mehr darüber nachzudenken, habe ich diesen Spaß verloren. Fußball ist doch eher was für Menschen, die nicht so gerne nachdenken. Es gibt ganz wenige Profis, die intelligent sind und es geschafft haben. Matthias Sammer zum Beispiel oder Sebastian Deisler, der dann aber wegen Depressionen mit 27 seine Karriere beendet hat.
In deinem Song „Ich kann das alles sehen“ gibst du vor, in die Zukunft schauen zu können. Hast du denn ein Gespür für den richtigen Karriereschritt zur richtigen Zeit?
Ich habe gewusst, dass es mit der Musik so kommen würde, wie es dann auch kam. Das klingt vielleicht absurd, aber seitdem ich denken kann, weiß ich, dass ich Musik machen und ein Album raus bringen werde. Das war für mich immer klar, ich bin auch ständig durch die Gegend gelaufen und habe das jedem erzählt.
Dafür braucht man wohl ein gesundes Selbstbewusstsein...
Bei mir ist es ein antrainiertes Selbstbewusstsein, das sich mit den Jahren gefestigt hat. Im Unterschied dazu, sich irgendwas zu wünschen, wusste ich, dass es passieren würde. Und dann macht man auch zwangsläufig das Richtige.
Und wie muss man dein Theologie-Studium und die Arbeit als Auto-Auktionator da einordnen?
Nach der Schule habe ich erst mal ein Jahr lang gejobbt und dann das Studium angefangen. Das habe ich nur aus Interesse gemacht und wusste ab dem vierten Semester eigentlich schon alles, was ich wissen wollte. Also habe ich damit aufgehört, musste ja aber irgendwie Geld verdienen. Ein Freund von mir, der als Auktionator arbeitet, hat mich dann als Aushilfe eingestellt, um Autos hin und her zu fahren. Da mich das schnell gelangweilt hat, bin ich zu meinem Chef gegangen und habe ihm gesagt, dass ich gerne auktionieren würde – auch wenn es mir damals noch nicht so leicht fiel, vor vielen Leuten zu sprechen. Er hat eingewilligt, und ich wurde zum Auktionator ausgebildet. Das habe ich so lange gemacht, bis ich eine Stimmbandentzündung bekam. Als Auktionator muss man ja fünf Stunden am Stück sehr laut und sehr schnell sprechen. Kurz danach habe ich dann gekündigt.
Bald darauf solltest du zu deinem ersten Plattenvertrag kommen. Deine Plattenfirma wirbt mit dir jetzt als ‚Musiker der neuen Generation Liedermacher’. Fühlst du dich auch als Teil einer solchen Generation?
Ich zähle mich nicht zu etwas, das schon da ist. Aber auch zu nichts ganz Neuem. In meiner kleinen Welt ist es eher eine alte Tradition, die ich wieder hervorkrame - dieses Grönemeyer-Maffay-Jürgens-Ding. Klar bin ich ein Singer/Songwriter, weil ich meine Songs selbst schreibe und auch Gitarre spiele. Aber ich mache nicht dieses typische Singer/Songwriter-Ding, was gerade total in ist. Spätestens, wenn man mich mal live sieht, wird man das merken.
Nicht selten wirst du mit Xavier Naidoo verglichen...
Stimmliche Vergleiche höre ich tatsächlich öfter. Es hätte mich auch schlimmer treffen können. Schließlich heißt es nicht: ‚Scheiße, der klingt ja wie Xavier Naidoo!’ Sondern: ‚Oh! Der klingt ja wie Xavier Naidoo!’“
Genau wie Naidoos Texte sind auch deine relativ schnörkellos gehalten. Du wählst dafür eine sehr einfache Sprache. Weil du willst, dass dich möglichst viele möglichst schnell verstehen?
Ich habe irgendwann festegestellt, dass ich eigentlich Texte schreibe, um mich selbst zu sortieren. Dementsprechend sind meine Texte am Ende des Tages auch sehr einfach gehalten. Ich versuche, die Dinge, die in meinem Kopf total kompliziert sind, darin zu ordnen.
Ist es in deinen Augen schwieriger, einen runden Popsong zu schreiben, als eine Indie-Nummer mit Ecken und Kanten?
Das kann ich grundsätzlich bestätigen. Für mich trifft es aber nicht zu, denn ich könnte so ein Indie-Ding gar nicht schreiben. Mich macht es wahnsinnig, wenn die Reime und die Wortrhythmik nicht passen. Das geht in meiner Welt einfach nicht, bei mir muss alles seine Ordnung haben.
Bist du genauso strukturiert, wenn es um deine Arbeitsweise geht? Hast du als Musiker so was wie einen geregelten Arbeitstag?
Das habe ich schon oft probiert, aber das hat nur in den seltensten Fällen geklappt. Bei mir funktioniert es eigentlich immer gleich: ich habe irgendeine Idee, meistens einen Refrain. Der schwirrt mir dann ziemlich lange im Kopf herum, bis er rund ist. Wenn dann zum Beispiel ein Konzert ansteht und ich nur noch einen halben Tag habe, um den Song fertig zu schreiben, nutze ich auch den Druck. Meistens ist es irgendein Anlass, der mich dazu zwingt, einen Song zu vollenden.
http://www.youtube.com/watch?v=4BAKb2p450Q&feature=relmfu
Ein Song auf deinem Album heißt „Nur noch kurz die Welt retten“. Worum geht es darin?
Der Song ist in erster Linie spaßig gemeint. Immer wenn der Freund meiner Mutter Computer spielen gegangen ist, meinte er, er ginge mal kurz die Welt retten. Dieser Satz existiert also einfach so in unserer Familie.
Wobei du im Song ja auch einmal singst: „Noch 148 Mails checken, wer weiß, was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel.“ Kritisierst du hier diejenigen, die ihren Job und ihr Social-Networking zu wichtig nehmen?
Man kann den Song auch kritisch sehen, wenn man ihn zum Beispiel auf Dinge wie Facebook bezieht. Da hält man ja auch totalen Schwachsinn für etwas total Wesentliches. Das machen wir alle regelmäßig. Außerdem sind wir alle darauf ausgerichtet, uns möglichst schnell weiterzuentwickeln, groß rauszukommen und Karriere zu machen. Dabei vergisst man vieles, was noch wichtiger ist.
„Wenn Worte meine Sprache wären“ von Tim Bendzko erscheint am 17. Juni auf Columbia/Sony.