Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Ausweitung der Lernzone

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Frau Prof. Schworm, der Begriff E-Learning ist ein alter Hut. Der Ausdruck „Blended Learning", der in letzter Zeit gehäuft auftaucht, ist gemeinhin nicht so bekannt. Was ist Blended Learning?
Prof. Schworm: Unter Blended Learning versteht man die Kombination von Präsenzlehre mit virtuellen Lehreinheiten.

Nutzen Sie an der LMU diese Kombination bereits?
Ich denke, an der LMU ist das Blended Learning weit verbreitet, kann hier aber nur für meine eigene Fakultät aussagen. An der Fakultät für Psychologie und Pädagogik werden zahlreiche Vorlesungen videographiert und sind dann in einem Videoportal abrufbar. Wir versuchen, auf verschiedene Weise die Präsenzlehre durch virtuelle Aufgabenstellungen zu unterstützen. Ich selbst arbeite immer mit Online-Lernplattformen in meinen Veranstaltungen. Dieses Semester sind die Studenten z.B. in einem Kurs zu kognitiven Grundlagen zum Lernen mit Neuen Medien aufgefordert, virtuelle Lehrveranstaltungen zu gestalten. Ich unterstütze und vermittle die didaktischen Möglichkeiten. Bei mir gehört das zum gängigen Programm. 

Blended Learning ist auch das Konzept von Alfons Rissbergers virtueller Universität. Nach Rissberger sollen 90 Prozent der Vorlesungen online abgerufen werden können. Für Seminare und Prüfungen treffen sich die Studenten drei Mal im Semester zu dreiwöchigen Intensivphasen. Ist das eine sinnvolle Gewichtung zwischen Präsenz- und Onlinelernen?
Es ist letztlich schwer zu sagen, was eine günstige Gewichtung ist. Das didaktische Konzept ist sehr bedeutsam für diese Verzahnung, das ist schwer in einer zeitlichen Dimension zu erfassen. Bei meinen regulären Präsenzveranstaltungen verlaufen die Vor- und Nachbereitungen oft online. In Foren wird vieles diskutiert, einige Inhalte werden auch mal als Onlineveranstaltung organisiert und wir treffen uns dann nicht persönlich. Es verläuft aber weniger nach dem Motto: ein Block online, ein Block face-to-face.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Grenzen einer virtuellen Uni?
Wir sind gerade sehr stark dabei, die Potentiale zu entdecken und aufzuarbeiten, die Grenzen werden sich noch zeigen. Eine Grenze, die man jetzt schon erkennen kann, besteht darin, dass die Lernenden unterschiedlich geeignet sind, mit virtuellen Veranstaltungen umzugehen. Externe Kontrollmechanismen gehen online teilweise verloren. Die Fähigkeit, eigene Lernprozesse zu planen und sich selbst zu kontrollieren, wird wichtiger. Eine andere Grenze liegt in der Akzeptanz der Studierenden: Viele meiner Studenten sehen Vorteile darin, sich zu Diskussion persönlich zu treffen. Solange die Akzeptanz fürs virtuelle Lernen nicht da ist, ist eine hohe Effektivität auch schwer erreichbar.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Gehören solche Bilder bald der Vergangenheit an?

Wie wichtig ist die soziale Komponente am Lernen, díe Anwesenheit im gleichen Raum?
Eine große Bedeutung hat die soziale Komponente des Lernens, das muss aber nicht zwingend zusammen im selben Raum passieren. Gruppendynamik ist wesentlich davon abhängig, wer Teil der Lerngruppe ist, wie der Dozent interagiert, wie der persönliche Bezug ausfällt. Der persönliche Bezug ist auch beim Blended Learning ausgesprochen wichtig. Ich muss mich dazu nicht im selben Raum aufhalten, das geht ebenso über Videokonferenzen oder äquivalente Tools. Dort kann ich auch Off-Topic-Gespräche zulassen und andere kennenlernen.

Ja, aber ist es nicht eine andere Form der Gesprächskultur, eine andere psychologische Situation, ob ich mit anderen Studenten in einem Raum sitze oder sie nur online treffe?
Ja, es ist eine andere Situation, aber anders bedeutet eben nicht besser oder schlechter. Auch Tools wie Facebook ermöglichen eine persönliche Beziehung zwischen den Studierenden, eine eigene Gruppendynamik. Das Positive an face-to-face ist, dass man sich dem Ganzen weniger entziehen kann – in Abhängigkeit der Größe der Veranstaltung kann der Dozierende direkt aktiv auf die Beteiligung Einzelner einwirken. Im negativen Sinne kann das aber auch sozialen Druck bedeuten. Teilnehmer in Gruppen erhalten im sozialen Prozess häufig auch verschiedene Rollen. Solche Rollendifferenzierungen entwickeln sich in virtuellen Veranstaltungen anders und man muss anders mit ihnen umgehen.

Kein WG-Casting, keine Mensa. Fachlich ist man als virtueller Student vielleicht auf dem Laufenden, wie sieht es aus mit Soft Skills und Selbstständigkeit?
Auch ein Studierender, der online arbeitet, wird kooperativ arbeiten müssen. Bei gutem Blended Learning wird es notwendig sein, dass sich die Studierenden absprechen. Soft Skills werden hier anders zu entwickeln sein, werden aber auch in der virtuellen Lehre essentiell bleiben. Dasselbe gilt für die Selbstorganisation: Die eigenen Schritte im Lernprozess zu planen und zu kontrollieren kann eine größere Herausforderung sein als in einer klassischen Veranstaltung, wo mehr externale Kontrolle durch beispielsweise Zeitpläne oder auch den Dozierenden gegeben ist. Mit der räumlichen und zeitlichen Unabhängigkeit der virtuellen Uni kommt auch mehr Eigenverantwortlichkeit.

Glauben Sie, der Student der Zukunft hockt allein vorm Rechner?
Nein, glaub ich nicht. Ich denke, das netzbasierte Lernen ist gut geeignet, die vorhandenen Lehrmöglichkeiten zu ergänzen und zu verbessern. Aber es wird nie so weit kommen, dass die klassische Form der Lehre durch die virtuelle ersetzt wird. Der Mensch ist viel zu sehr ein soziales Wesen, das auch persönlich kommunizieren und interagieren möchte. Ich sehe den Studenten der Zukunft nicht ausschließlich vorm Rechner sitzen.

Anders gefragt: Ist das der Anfang vom Ende der klassischen Universität?
Das denke ich nicht. Die Uni lebt und entwickelt sich weiter im Kontext der Gesellschaft. Wenn jemand offen sein sollte für Wandel, dann sollte das in jedem Fall die Universität sein.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Prof. Dr. Silke Schworm

Text: jurek-skrobala - Bilder: dpa, LMU München

  • teilen
  • schließen