- • Startseite
- • Interview
-
•
"Auch U2 machen Soul!"
"Die Abwehr gegen Pathos ist ein Schutzmechanismus." Michael Vajna und Daniel Stoyanov alias Malky gelten als deutsche Soul-Entdeckung des Jahres.
jetzt.de: Die meisten Künstler gehen nach Berlin, um sich selbst zu verwirklichen. Warum seid ihr stattdessen nach Leipzig gezogen?
Daniel Stoyanov: Ich bin jedes Mal sehr überrascht und überwältigt von Berlin. Mir ist es irgendwie zu viel. Du lebst dort nah am Abgrund. Wenn ich dort auf den Straßen oder in der S-Bahn unterwegs bin, erlebe ich ständig krasse Szenen, die mich total schockieren und mitnehmen. Vielleicht bin ich einfach nicht der richtige Typ dafür. Hier gibt es zwar ein paar düstere Ecken, aber eigentlich ist Leipzig sehr gediegen und angenehm.
Ihr stammt beide aus Bulgarien. Kennengelernt habt ihr euch in der Nähe von Mannheim, wo ihr als Songschreiber für Künstler wie Xavier Naidoo oder Roman Lob gearbeitet habt. Warum wolltet ihr da weg?
Uns hat gefehlt, etwas Eigenes zu kreieren und die Zügel in der Hand zu haben. Viele Musiker sprechen ständig darüber, endlich ein eigenes Ding zu machen, während die Zeit grausam vergeht. Michael war mit seiner Freundin bei einer Städtereise nach Leipzig gekommen. Den beiden hat es gefallen und sie sind hergezogen. Mich hat dann im Süden nichts mehr gehalten und so bin ich ihnen ein Jahr später hinterher.
Dort habt ihr Malky gegründet...
...und entschieden, unser eigenes Album zu machen. Die Situation war etwas paradox, weil wir im Netzwerk unserer Kontakte mit Leipzig plötzlich völlig am Rand waren. Da wurde uns klar: Das Leben hatte uns einen ruhigen Flecken auf der Erde gezeigt, als wollte es sagen, "macht jetzt mal eure Musik. Keiner jagt euch."
War es auch eine Rückkehr Richtung Heimat?
Darüber haben wir viel gesprochen, aber es fällt mir selbst schwer, das zu verstehen. Die hundertprozentige Heimat habe ich hier noch nicht gefunden. Die suche ich in Bulgarien, wo ich geboren bin. Aber die Richtung stimmt. Wir haben einen Drang nach Osten in der Gefühlswelt und auch in der Musik. Bei der Arbeit am Album haben wir diese melancholische und düstere Stimmung eingefangen.
http://youtu.be/fSKCAvU0eDw
Eure aktuelle Single, „History Of Broken Hearts“, klingt wie ein fröhlicher Song - hat aber einen traurigen Text. Er handelt von der Sehnsucht nach dem fehlenden Teil im Leben und davon, dass man dieses Stück vielleicht nie findet. War die Zwiespältigkeit beabsichtigt?
Es ist gut, dass der Song so glücklich zu sein scheint. Es ist ein einfaches kleines Liedchen mit einem traurigen Kern, der davon handelt, dass man bei dieser Geschichte der gebrochenen Herzen dabei ist. Dass man gelangweilt ist, von der Liebe, aber irgendwann wird das schon hinhauen. Und, naja, dieses „schon hinhauen“ ist ja eigentlich auch traurig, wenn man das so sagt.
Woher kommt diese Traurigkeit?
In der Liste unserer Lieblingssongs sind bestimmt mehr als die Hälfte eher langsame Lieder, worried Blues und solche Sachen. Wir finden diese tiefen Nummern sehr tröstlich. Natürlich hören wir auch gerne Musik, die einen aufbaut. Da stelle ich mir beim Hören vor, dass ich der große Chef bin, das ist auch schön. Aber wenn wir uns hinsetzen und Musik machen, wird es auf natürlichem Weg eher melancholisch. Irgendwie denke ich, das hängt mit unserer Herkunft zusammen.
Wie meinst du das?
Die bulgarische Nationalhymne ist zum Beispiel in Moll geschrieben. In Deutschland finden Leute schnell, ein Lied in Moll ist pathetisch. Auf dem Balkan nicht. Michi und ich sind auch Typen, die bei traurigen Liedern heulen können.
Genießt ihr die Melancholie?
Ja, da steckt auch ein gewisser Stolz dahinter. Michi und ich haben Tiefen durchlebt und ich bin stolz darauf, dass diese Zeiten Narben hinterlassen haben. Wir machen traurige Lieder nicht, damit unser Publikum traurig wird. Es soll schon ein Genuss sein, einen Song zu hören.
Das Video zu eurer ersten Single „Diamonds“ zeigt viele Szenen aus Leipzig. Spiegelt das Lied euer Gefühl der Stadt wieder?
Im ganzen Album steckt viel Leipzig. Es gibt hier einfach so viel Raum, die Stadt lässt Platz. Sie hat nicht so eine starke Rotation wie etwa Berlin, Hamburg oder Frankfurt. Die Stadt wirkt ja auf dein Gemüt. Im Optimalfall gehst du mit dieser Stimmung ins Studio und dann passiert relativ wenig mit dem Kopf, sondern mehr mit dem Herz.
http://youtu.be/c0x5KuLw8HU
Ist Leipzig eine melancholische Stadt?
Das ist schwer zu sagen, ich kenne ja nicht alle Facetten. Es ist nur wichtig, dass die Stadt nicht gerade das totale Kontrastprogramm bietet. Ich habe zuvor in Stuttgart gelebt und wenn ich da durch die Fußgängerzone gelaufen bin, hat sich oft ein Wutgefühl entwickelt: Wenn ich eher traurig war, hat die Stadt häufig so gestrahlt. Die Menschen dort wirkten so zufrieden. Leipzig hat schon mehr Blues in der Hinsicht.
Wo ist eigentlich die Grenze zwischen guter Melancholie und Kitsch?
Man sollte keine Grenze ziehen. Wichtig ist nur, dass das Gefühl echt ist. Ich glaube, die Abwehr gegen Pathos ist ein Schutzmechanismus. Unsere Arbeitswelt hier funktioniert so, dass man traurige Momente besser für sich behält. Man lacht stattdessen, wenn man beispielsweise zufällig eine krasse Situation beobachtet, wenn etwa zwei Leute auf der Straße heftig miteinander streiten. Ich krieg diese Lockerheit nicht hin.
Ihr spielt Soul, von dem ja oft gesagt wurde, kein weißer Sänger komme je an die schwarzen Urväter heran. Wie siehst du das heute?
Es gibt mittlerweile weiße Sängerinnen und Sänger, die von den schwarzen verehrt werden. Amy Winhouse, Adele... Man muss wissen, die Weißen haben auch Soul. Die Leute rasten auch zu der Musik von U2 aus, also ist es Soul.
Ist Soul offener geworden?
Das ist ein sensibles Thema. Wenn du versuchst, als Weißer Soul-Musik für eine offene Sache zu erklären, trittst du damit jemandem auf die Füße und kriegst eine gescheuert. Das ist auch ok, denn Soul gehört erst einmal den Schwarzen. Dann aber es ist ein Geschenk an die Welt, zu tanzen und zu fühlen. Wichtig ist, dass man Soul als Trost versteht. Wenn ich zu Hause leise vor mich hersinge, trösten mich diese Vibrationen. Wenn man es so macht, ist man immer nah dran an der Wahrheit.
Text: clemens-haug - Foto: Max Parovsky