Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

„Als Käufer muss man sich verarscht vorkommen.“

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

„Schädlinge in erheblichem Umfang“ sollen Lebensmittelkontrolleure in der Großbäckerei Müller-Brot gefunden haben. Erst nach einer grundlegenden Sanierung darf der Betrieb wieder aufgenommen werden. Wie kann so was unter den heutigen Produktionsbedingungen passieren? Leidet der Ruf der ganzen Bäckerbranche? Wir haben mit Joel Akwuba, 17, einem Auszubildenden in der Brotmanufaktur Schmidt in München, über die Auswirkungen des Skandals gesprochen.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Hygieneskandal bei der Großbäckerei Müller-Brot hat viele verunsichert.

jetzt.de: Wie redet ihr in der Arbeit über den Skandal bei Müller-Brot?
Joel Akwuba: Als Konkurrenzbetrieb sehen wir das nicht als Grund, den Betrieb fertig zu machen, sondern als Fehler, den die gemacht haben. Daran merkt man, dass man allgemein besser aufpassen muss. Ich frage mich schon, wenn die Kontrolleure zu uns kommen, wird dann geschlossen? Das heißt nicht, dass es bei uns aussieht wie die Hölle. Die Angst ist eher, dass man was übersehen hat. Gestern in der Berufsschule war das Thema ganz groß, auch unter den Lehrern.

Was sagen deine Lehrer zu der Geschichte?
Dass das eigentlich nicht sein kann bei einem so großen Betrieb, den es schon so lange gibt. Die werben mit einer langen Tradition und einer guten Produktion – und dann kommt so was in die Zeitung. Das ist ja fast Betrug! Als Käufer muss man sich verarscht vorkommen.  

Bei Müller-Brot sollen die Kontrolleure schon öfter gemeckert haben. Warum wird das nicht besser überwacht?
Wenn ein Betrieb auffällig war, wird er normal schon verschärft kontrolliert. Ich kann nur sagen, was bei uns die Konsequenz gewesen wäre. Wir hätten uns zusammengesetzt und Änderungen besprochen. Da ist ja nicht nur der Betrieb gefährdet, sondern vielleicht auch die Kunden. Wir hätten gleich beim ersten Mal was unternommen und würden es nicht zur Schließung oder einem Produktionsstopp kommen lassen.  

Wie viel sind solche Kontrollen eigentlich wert, wenn solche Mängel gar nicht verfolgt werden?
Die Änderungen sind kein Befehle, sondern Empfehlungen. Größere Sachen kann man auch nicht von heute auf morgen ändern, das braucht seine Zeit. Wenn nichts passiert, ist die Konsequenz ein Betriebsstopp.  

Bei Kakerlaken muss aber doch gleich was passieren, oder?
Ja, das ist nichts, wo man sich rausreden könnte oder wo man sagen könnte, dass man es nicht gesehen hat. So was muss sofort geändert werden.  

Angeblich sind Kakerlaken in jedem Restaurant und Mehlwürmer in jedem Bäckerbetrieb normal. Stimmt das?
Nein. Das darf in keinem Lebensmittelbetrieb sein, egal welcher Art. Bei uns im Betrieb haben wir in den Mehlsilos Filter, für den Fall, dass es Mehlwürmer geben sollte. Aber die Filter sind nicht dazu da, dass die immer alle Mehlwürmer auffangen, sondern eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass es vorkommen sollte. Das darf nicht die Regel sein, so wie es anscheinend bei Müller der Fall war, da schien das ja nichts Ungewöhnliches zu sein.  

Dir sind also noch keine untergekommen?
Nein, zum Glück nicht.  

Wie oft wird bei euch kontrolliert?
Wir haben einen Großabnehmer, Dallmayr, da kommen stichprobenartig die Chefs bei uns vorbei und sehen sich um. Das ist quasi eine Art Zusatzüberwachung. Schnell alles putzen, weil man weiß, die Kontrolleure kommen, ist auf jeden Fall Quatsch. Es sollte immer egal sein, ob ein Kontrolleur oder der Firmenchef vorbeischaut. Wenn dann eine Kleinigkeit nicht passt, kann man die schnell beheben. Aber Kakerlaken, Mehlwürmer oder Schimmel kann es nicht geben, wenn der Betrieb sauber geführt wird.  

Wie sollten die Produktionsbedingungen sein?
In einem großen Betrieb kann man natürlich nicht jeden Mehlhaufen sofort wegkehren. Aber eine Grundhygiene sollte da sein. Man kann nicht alles verdrecken lassen und sich dann darüber wundern. Normalerweise gibt es einen Plan, dass zum Beispiel immer nach Produktionsschluss oder bei einem 24-Stunden-Betrieb einmal am Tag zu einer bestimmten Zeit alles sauber gemacht wird, die Mischerei, die Öfen, die Semmelproduktion. Innerhalb eines Tages sollte alles einmal gereinigt werden, sonst ist es logisch, dass da irgendwelche Tierchen kommen oder es anfängt zu schimmeln. Da kann man nicht mehr sagen, man wusste das nicht. Wenn man regelmäßig alles sauber macht, kommt so was gar nicht vor.  

Glaubst du, dass durch den Skandal bei Müller-Brot das Image aller Bäcker leidet?
Ein bisschen schon. Stammkunden bei anderen Bäckereien bleiben vermutlich, aber ich denke, dass alle vorsichtiger werden und nur noch bei denen kaufen, bei denen man noch nichts Schlechtes gehört hat. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sich viele denken, wenn bei Müller schon so was passiert, dann kauf’ ich gleich beim Discounter. Das ist aber auch keine Lösung, die Semmeln macht ja auch ein Bäcker.  

Sind vorgefertigte Teiglinge, wie sie in einer Großbäckerei wie Müller verwendet werden, anfälliger für so einen Befall?
In der Theorie haben Schädlinge keine Chance bei tiefgefrorenen Sachen, die überleben im Gefrierschank nicht. Bei Müller ist es darum umso schlimmer und verwunderlicher, dass so was überhaupt passieren kann. Ich will damit aber nicht sagen, dass es besser ist, alles tiefgefroren zu kaufen.  

Hat Müller als Großbäckerei vielleicht einfach die Kontrolle über den Betrieb verloren?
Je größer der Betrieb ist, desto leichter ist es auf jeden Fall, den Überblick zu verlieren. Aber ich finde, es sollte denen nicht so einfach gemacht werden, sich rauszureden. Da kann ja jeder sagen, dass sein Unternehmen so groß ist und er darum die Kontrolle verliert. Das sollte man nie als Vorwand vorschieben können. Man muss schon wissen, was alles in seinem Betrieb los ist.

Text: kathrin-hollmer - Foto: dpa

  • teilen
  • schließen