- • Startseite
- • Interview
-
•
Akkord-kopierende Vorzimmer-Wissenschafts-Kraft
[b]Kopieren bis der Daumen abfällt – das ist das Klischee der Hiwi-Tätigkeit. Auf der Homepage eurer Aktion „Tarifini“ schreibt ihr aber, dass studentische Mitarbeiter an den Unis oftmals sehr anspruchsvolle Tätigkeiten ausüben. Was denn zum Beispiel?[/b] Die Arbeiten sind sehr unterschiedlich. Ich hatte zum Beispiel bis vor Kurzem einen Hiwi-Job, bei dem ich die Umstellung auf Bachelor und Master mit vorbereitet habe. Ich habe Sitzungen protokolliert, Anträge geschrieben usw. Meine Freundin arbeitet als Hilfskraft in einem wissenschaftlichen Projekt mit, das sich mit der „Geschichte der Sozialarbeit in Köln“ befasst. Sie interviewt Zeitzeugen und schreibt Texte, die dann teilweise auch in einem Buch erscheinen sollen – das ist eine richtig wissenschaftliche Tätigkeit, bei der sie sehr viel von dem anwendet, was sie im Studium gelernt hat. Aber sie kriegt dafür unter fünf Euro pro Stunde.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
[b]Warum lässt man sich auf so was ein?[/b] Oft wird einem erklärt, dass eine Hiwi-Tätigkeit ein prima Einstieg in die Wissenschaft sei – wer an die Uni wolle, müsse da eben durch und so weiter. Das mag ja sein, aber andererseits machen die Studenten zum Teil ihre eignen künftigen Arbeitsplätze kaputt: Viele Arbeiten, die Hiwis fast umsonst machen, sollten eigentlich von Absolventen gemacht werden, die ordentlich bezahlt werden. Aber studentische Hilfskräfte sind nicht gerade in der perfekten Situation, um sich zu wehren: Ihre Arbeitgeber, die Profs, sind meist zugleich auch ihre Prüfer. Da will man es sich dann nicht verderben und stellt besser mal keine Forderungen. Und natürlich sind Hiwi-Aufgaben oft auch interessant und lehrreich. Aber wer hat eigentlich gesagt, dass man für interessante Arbeiten kein Geld fordern darf? Das ist so ein absurdes Gerücht, das in unserer prekären Generation herumgeistert. [b]Hat sich die Situation der Hilfskräfte in den letzten Jahren weiter verschlechtert? Es wurde ja viel gespart an den deutschen Unis...[/b] Definitiv! Gehaltserhöhungen gab es seit Jahren nirgends mehr – dabei steigt das Preisniveau und nach und nach kommen auch noch die Studiengebühren, die sich viele selbst verdienen müssen. In manchen Bundesländern wurde der Hiwi-Stundenlohn sogar gekürzt: In Bayern gibt es seit 2004 statt sieben Euro nur noch 6,20. In einer teuren Stadt wie München ist das schon sehr wenig. Auch bei uns in Köln haben sie eine absurde Sparmethode gefunden: Hier werden jetzt viele Hiwis vor den Semesterferien entlassen und nach den Semesterferien wieder neu eingestellt. Dass viele Leute auf das Hiwi-Geld angewiesen sind und auch von was leben müssen, wenn sie in der Vorlesungspause Hausarbeiten schreiben, bedenkt offensichtlich niemand. Und auch anderen Studenten schadet das: Es bedeutet nämlich, dass manche Bibliotheken in den Semesterferien kaum mehr geöffnet sind. [b]Welche Möglichkeiten gibt es, die Lage der Hiwis zu verbessern?[/b] Die Kölner Bibliotheks-Hiwis haben zum Beispiel spontan einen Streik ausgerufen und damit auf ihre Lage hingewiesen. Unsere Aktion Tarifini kämpft außerdem dafür, dass Studentische Hilfskräfte im TVÖD, dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, berücksichtigt werden. [b]Wie könnte so ein Tarifvertrag für Hiwis aussehen? [/b] In Berlin gibt es so etwas schon: Da wird ein Mindestlohn festgeschrieben und auch Mindest-Laufzeiten für die Hiwi-Verträge. Hier in Köln kriegen Hiwis meist nur einen Vertrag über drei Monate. Dadurch sind sie ihrem Arbeitgeber sehr ausgeliefert und können zudem schlecht planen. Ich finde sechs Monate Vertragslaufzeit sollten Standard sein, obwohl es natürlich für spezielle Projekte Ausnahmen geben kann. Wir kämpfen auch dafür, dass die Hiwis im Personalrat vertreten sind. Bisher werden sie oft gar nicht wie Personal behandelt. Meine Hiwi-Stelle wurde zum Beispiel aus einem „Sachmitteltopf“ bezahlt. Ich finde es nicht zu viel verlangt, dass anerkannt wird, dass studentische Hilfskräfte qualifizierte junge Menschen sind und keine kurzfristig verwendbaren Sachmittel. Weiter Infos zur Aktion Tarifini. Illu: dirk-schmidt