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Ab 1. Januar Trockenlegung: Freiburg macht ernst mit dem Alkoholverbot
Das ist Freiburg bei Tag. bei Nacht darf ab dem 1. Januar 2008 in der Öffentlichkeit kein Alkohol mehr konsumiert werden. Bild: AP Was war der Grund dafür, Alkoholkonsum an den Wochenenden in Freiburg zu verbieten? Die Körperverletzungsdelikte haben in den vergangenen Jahren einen Höchststand erreicht. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist für die Stadt, aber auch für den benachbarten Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, zwischen den Jahren 1998 und 2006 jeweils eine Steigerung von 100 % aus. Nahezu jede zweite Gewalttat in der Altstadt wird unter Alkoholeinfluß begangen, bei zwei Drittel der Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte waren die Täter stark alkoholisiert. Wie erleben die Freiburger momentan die Situation in der Innenstadt? Die kritischen Zeiten sind die Nächte an den Wochenenden jeweils zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens. Die Täter und Opfer sind in der Regel zwischen 20 und 30 Jahre jung und kommen aus allen Bevölkerungsschichten, aber auch aus der umgebenden Region. Viele Besucher der Szene- und Nachtgastronomie, insbesondere Frauen, wünschen sich eine sichere und lebenswerte Innenstadt. Was, glauben Sie, sind die Gründe für die gestiegenen Gewaltdelikte im Zusammenhang mit Alkohol? Das exzessive Trinken mit anschließenden Gewalttaten sind landes- und bundesweiter Trend und keine örtliche Freiburger Besonderheit. Die Gründe sind vielfältig. Zu nennen sind geänderte gesellschaftliche Wertvorstellungen von Freiheit und Verantwortung, fehlende Fähigkeiten zu Konfliktlösungen ohne Einsatz von Gewalt. Gibt es einen qualitativen Unterschied im Umgang Jugendlicher mit Alkohol zu früher? Wo sind die Gründe dafür zu suchen? Den Konsum von branntweinhaltigen Getränken, also Schnaps, ggf. mit Fruchtsäften gemixt, hat es in dieser Form von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Vergangenheit nicht gegeben. Andererseits zeigen Ergebnisse von Feldforschungen, dass der regelmäßige Alkoholkonsum von Jugendlichen zurückgegangen ist. Diese Befunde sind vorsichtig zu interpretieren. Allerdings kommt der öffentlichen Diskussion in den Medien eine große Bedeutung zu. Das hat bereits zu Veränderungen in der öffentlichen Einstellung geführt. Ein großes Problem scheinen junge Erwachsene zu sein, die Alkohol nicht in Kneipen trinken, sondern in der Öffentlichkeit trinken. Sie sagen sogar, dass sie häufig Streit mit den normalen Besuchern suchen. Woran kann das liegen? Mit den Betreibern der Szene- und Nachtgastronomie und dem Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA arbeiten wir vertrauensvoll zusammen. Flate-rate-Angebote oder Koma-saufen gibt es nicht mehr. Wer in Kneipen wegen Gewaltdelikten auffällt, erhält Hausverbot auch in den anderen Betrieben. Wer bereits angetrunken ist, kommt in die Lokale nicht mehr rein. Das führt dann auch auf der Straße zu Auseinandersetzungen, z.B. mit den Türstehern. Der starke Alkoholkonsum führt in vielen Fällen zur verminderten Konfliktfähigkeit und zum Abbau von Hemmschwellen. Vielfach genügen geringfügige Anlässe, wie ein zufälliges Rempeln oder ein falscher Blick, um Aggressionen zum Ausbruch kommen zu lassen. Das Alkoholverbot in dem Brennpunktbereich soll auch diese Gewalttätigkeiten eindämmen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Diese jugendliche Bierleiche stammt nicht aus Freiburg, sondern aus München. Bild: ddp Kann es nicht sein, dass viele dieser jungen Leute sich kein Bier in der Kneipe leisten können und nur deshalb im Freien Alkohol konsumieren? Das gemeinsame Trinken auf der Straße ist Teil der Party. Wer sich diese Freiheit nimmt, hat auch Verantwortung für sich selbst und für die anderen Besucher, denen er im Rausch möglicherweise gefährlich wird. Es geht weniger um Bier, als um den Konsum hochprozentiger Alkoholikas (Wodka, Bacardi..) Gibt es auch Kritik an dem Alkoholverbot? Können Sie die nachvollziehen? Jede ordnungsrechtliche Maßnahme schränkt Freiheiten ein, die bisher wahrgenommen worden sind. In unserem Falle sind aber Rechte anderer, nämlich deren Recht auf körperliche Unversehrtheit, zu schützen. Diese Rechte wiegen gewichtiger, als das vermeintliche Recht, zu jeder Tages und Nachtzeit im öffentlichen Straßenraum trinken zu dürfen. Was erwarten Sie sich von dem Verbot? Wir beabsichtigen keine Kampagne, die den Genuß alkoholischer Getränke stigmatisiert. Zielsetzung ist es, die hohe Zahl der Gewaltdelikte mit dem Hintergrund des übermäßigen und unkontrollierten Alkoholkonsums einzudämmen. Polizei und Stadt nehmen in diesem Sinne ihre Verantwortung wahr, Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Besuchern eine sichere und lebenswerte Stadt bei Nacht zu gewährleisten. + + + + + Hier kannst du eine Reportage von der Hamburger Reeperbahn vor dem Alkoholverbot lesen.